Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung - zwischen 2006 und 2008 um 725 Euro gestiegen!?

Martin R. Textor

 

Das Statistische Bundesamt stellt eine Unmenge an Daten zur Kindertagesbetreuung in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung. In Tabelle 1 wurden die Zahlen der 2006, 2007 und 2008 in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Tagespflege betreuten Kinder addiert (Bundesamt für Statistik 2007b, c; 2008a, b, c, d). Die Angaben über die reinen Ausgaben der öffentlichen Hand für Kindertagesstätten und über die Einzelförderung von Kindern in Einrichtungen und Tagespflege für die Jahre 2006, 2007 und 2008 wurden in dieser Form vom Bundesamt für Statistik (2007a, 2009a, b) veröffentlicht. In diesen Ausgaben sind die Elternbeiträge und Finanzierungsanteile der Träger der freien Jugendhilfe nicht enthalten.

Auf dieser Grundlage wurden die Ausgaben der öffentlichen Hand für Kindertagesbetreuung pro Kind berechnet, indem die Ausgaben addiert und durch die Zahl der betreuten Kinder dividiert wurden. Die ermittelten Werte ermöglichen einen Vergleich der Pro-Kopf-Ausgaben der einzelnen Bundesländer. Allerdings ist der Vergleich relativ grob, da z.B. Faktoren wie die unterschiedlichen Versorgungsquoten bei - teuren - Plätzen für unter Dreijährige und bei Ganztagsplätzen nicht berücksichtigt werden (vgl. Textor 2009).

Tabelle 1: Ausgaben der öffentlichen Hand für Kindertagesbetreuung
pro betreutem unter 14-jährigem Kind: 2006-2008
  In Kindertages-
einrichtungen und
-tagespflege betreute Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren: 2006, 2007 und 2008
Reine Ausgaben für Kinder-
tageseinrich-
tungen (nach Abzug der Einnahmen): 2006, 2007 und 2008
Förderung von Kindern in Kindertagesein-
richtungen und in Tagespflege: 2006, 2007 und 2008
Pro-Kopf-
Förderung: 2006, 2007 und 2008

Baden-
Württemberg

398 659

1 325 749 000

44 749 000

3 438

 

393 021

1 384 960 000

47 675 000

3 645

 

392 333

1 484 823 000 48 917 000 3 909

Bayern

439 643

648 804 0001)

93 138 000

1 688 (2 925)2)

 

449 163

1 392 272 0003)

77 557 000

3 272

 

456 364

1 685 780 0004) 85 135 000 3 8814)

Berlin

109 864

9 880 000

768 182 000

7 082

 

114 337

9 026 000

731 426 000

6 476

 

118 293

1 094 0005) 840 719 000 7 116

Brandenburg

131 602

395 624 000

16 502 000

3 132

 

139 049

409 842 000

19 671 000

3 089

 

143 891

473 534 000 22 351 000 3 446

Bremen

22 647

90 810 000

12 876 000

4 578

 

22 419

91 733 0006)

13 633 000

4 700

 

22 205

100 342 000 15 051 000 5 197

Hamburg

65 859

333 404 000

9 520 000

5 207

 

69 954

359 003 000

10 142 000

5 277

 

72 763

400 048 000 10 315 000 5 640

Hessen

225 059

836 692 000

63 845 000

4 001

 

231 684

1 032 451 000

63 039 000

4 728

 

233 042

1 084 237 000 79 224 000 4 993

Mecklenburg-
Vorpommern

82 417

218 508 000

85 021 000

3 683

 

85 831

220 559 000

85 874 000

3 570

 

88 568

183 870 000 55 102 000 2 698

Niedersachsen

256 962

754 892 000

56 757 000

3 159

 

264 936

904 022 000

61 137 000

3 643

 

270 807

933 597 000 66 182 000 3 692

Nordrhein-
Westfalen

596 267

2 119 529 0007)

86 589 000

3 700

 

584 074

2 254 644 0007)

108 673 000

4 046

 

586 661

2 426 716 0007) 202 109 000 4 481

Rheinland-Pfalz

145 441

558 536 000

34 247 000

4 076

 

144 174

570 010 000

39 344 000

4 227

 

145 372

618 005 000 41 561 000 4 537

Saarland

33 739

126 276 000

14 514 000

4 173

 

32 947

121 165 000

14 435 000

4 116

 

32 651

140 006 000 18 216 000 4 846

Sachsen

216 760

662 293 000

72 911 000

3 392

 

228 050

708 769 000

82 284 000

3 469

 

239 630

774 465 000 94 211 000 3 625

Sachsen-Anhalt

116 302

331 935 000

31 048 000

3 121

 

120 396

330 365 000

34 310 000

3 029

 

124 187

366 466 000 36 806 000 3 247

Schleswig-
Holstein

93 476

281 385 000

24 493 000

3 272

 

95 065

296 672 000

34 461 000

3 483

 

96 979

317 206 000 37 054 000 3 653

Thüringen

80 060

310 040 000

16 848 000

4 083

 

79 783

317 338 000

18 876 000

4 214

 

80 222

333 404 000 19 896 000 4 404

Oberste Bundesbehörde

-

2 596 000

4 838 000

-

 

-

2 763 000

3 300 000

-

 

-

2 993 000 4 271 000

-

Deutschland

3 014 757

9 006 955 000

1 436 076 000

3 464

 

3 054 883

10 405 594 000

1 445 837 000

3 880

 

3 103 968

11 326 585 000 1 677 119 000 4 189
  1. Laut Mitteilung des Statistischen Bundesamtes ist in Bayern nur ein Teil der Personalkostenzuschüsse in die Statistik eingeflossen.
  2. Da dem Statistischen Bundesamt keine vollständigen Daten aus Bayern vorlagen, wurden diese vom Bayer. Sozialministeriums erbeten und mit E-Mail vom 26.02.2008 zur Verfügung gestellt.
  3. Das Statistische Bundesamt schrieb in einer Fußnote, dass mit Inkrafttreten des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes zum 01.09.2006 die Personalkostenzuschüsse sowie investive Zuschüsse für Kindertageseinrichtungen freier Träger in dem von ihm genannten Betrag (1 397 950 000 Euro) enthalten seien. Laut E-Mail des Bayer. Sozialministeriums vom 14.05.2009 betrugen die investiven Zuschüsse 5 678 000 Euro. Die vom Statistischen Bundesamt angeführte Zahl wurde um diesen Betrag reduziert.
  4. Das Statistische Bundesamt schrieb in einer Fußnote, dass mit Inkrafttreten des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes zum 01.09.2006 die Personalkostenzuschüsse sowie investive Zuschüsse für Kindertageseinrichtungen freier Träger im Ergebnis enthalten seien.
  5. Das Statistische Bundesamt schrieb in einer Fußnote, dass der Rückgang bei den Ausgaben für Tageseinrichtungen für Kinder darauf zurückzuführen sei, dass das Land Berlin kaum noch Kindertageseinrichtungen in eigener Trägerschaft unterhält.
  6. Diese Zahl wurde vom Statistischen Landesamt Bremen mit E-Mail vom 24.04.2009 aktualisiert.
  7. Das Statistische Bundesamt schrieb in einer Fußnote, dass bei den Einnahmen der öffentlichen Träger für eigene Einrichtungen der Kindertagesbetreuung die Einnahmen von Einrichtungen in freier Trägerschaft mit enthalten sind, da in Nordrhein-Westfalen Elternbeiträge von den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe mit vereinnahmt werden. Dieser Einnahmeanteil kann nicht separat ausgewiesen werden. Somit sind die reinen Ausgaben entsprechend niedriger als bei anderen Bundesländern.

Der zweiten Spalte der Tabelle 1 kann entnommen werden, dass zwischen 2006 und 2008 die Zahl der in Einrichtungen und Tagespflege betreuten Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren bundesweit leicht von 3.014.757 auf 3.103.968 anstieg. In den einzelnen Bundesländern verlief die Entwicklung aber ungleichmäßig: Während in den meisten Ländern die Zahl der betreuten Kinder zunahm, sank sie hingegen in Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland; der Ausbau der Kinderbetreuungsangebote stagnierte in Rheinland-Pfalz und in Thüringen.

Zu beachten ist, dass in der dritten und vierten Spalte der Tabelle 1 nur die reinen Kosten der Bundesländer und der Kommunen berücksichtigt wurden. Die Gesamtausgaben pro Kind sind somit höher, wenn man auch die Ausgaben der freien Träger von Kindertageseinrichtungen (z.B. Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbände, Vereine) und der Eltern einbeziehen würde. Deren Anteil an den Kosten ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich (zu den Elternbeiträgen vgl. Textor 2009).

Ferner ist zu beachten, dass die reinen Kosten der öffentlichen Hand - und damit auch die Pro-Kopf-Förderung - investive Ausgaben beinhalten. Diese werden in den öffentlich zugänglichen Publikationen des Bundesamts für Statistik jedoch nur für Deutschland ausgewiesen. Im Jahr 2007 betrugen sie 397.632.000 Euro bzw. 130 Euro je Kind und im Jahr 2008 528.887.000 Euro bzw. 170 Euro je Kind (Bundesamt für Statistik 2009a, b; ohne Rückflüsse aus freien Trägern gewährten Zuschüssen). Die Pro-Kopf-Ausgaben für "reine" Kindestagesbetreuung lagen also in Deutschland bei 3.750 Euro (2007) bzw. 4.019 Euro (2008). Da für die Bundesländer investive Ausgaben nicht separat ausgewiesen werden, handelt es sich bei allen folgenden Pro-Kopf-Beträgen immer um die (reinen) Gesamtausgaben je Kind.

Veränderungen der Ausgaben pro Kind zwischen 2006 und 2007

Bei der fünften Spalte der Tabelle 1 fällt sofort ins Auge, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung sehr groß sind und sich innerhalb nur eines Jahres stark verändert haben.

Bundesweit gesehen, stiegen die Pro-Kopf-Beträge von 3.464 Euro (2006) auf 3.880 Euro (2007) - also um 416 Euro. Allerdings verlief die Entwicklung bei den einzelnen Bundesländern höchst unterschiedlich: Während elf Länder die Pro-Kopf-Ausgaben steigerten (Hessen um 727 Euro, Niedersachen um 484 Euro, Bayern um 347 Euro, Nordrhein-Westfalen um 346 Euro, Schleswig-Holstein um 211 Euro, Baden-Württemberg um 207 Euro, Rheinland-Pfalz um 151 Euro, Thüringen um 131 Euro, Bremen um 122 Euro, Sachsen um 77 Euro, Hamburg um 70 Euro), sanken sie in fünf Ländern - zum Teil extrem (Berlin um 606 Euro, Mecklenburg-Vorpommern um 113 Euro, Sachsen-Anhalt um 92 Euro, Saarland um 57 Euro, Brandenburg um 43 Euro). Während Berlin und das Saarland trotz des Rückgangs bei den Pro-Kopf-Ausgaben weiterhin über dem bundesweiten Durchschnitt von 3.881 Euro lagen, fielen Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt dahinter (noch weiter) zurück.

Veränderungen der Ausgaben pro Kind zwischen 2007 und 2008

In diesem Zeitraum stiegen die Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung bundesweit gesehen von 3.880 auf 4.189 Euro, also um 309 Euro. In allen Bundesländern wurden die Ausgaben erhöht - mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern, wo sie stark sanken (um 872 Euro pro Kind). Dies wurde in der von mir erbetenen Stellungnahme des Statistischen Bundesamtes vom 30.12.2009 damit erklärt, dass die Daten für 2008 um Doppelmeldungen des überörtlichen Trägers bereinigt wurden - die Ergebnisse der Vorjahre seien also zu hoch gewesen.

Die vier Bundesländer, in denen die Pro-Kopf-Ausgaben zwischen 2006 und 2007 sanken, haben wieder aufgeholt und gaben 2008 mehr Geld pro Kind aus als 2006. Das Saarland steigerte den Betrag von 2006 sogar um 673 Euro und Brandenburg um 314 Euro, während die Steigerung bei Sachsen-Anhalt mit 126 Euro und bei Berlin mit 34 Euro gemäßigter ausfiel.

Der Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben zwischen 2007 und 2008 war in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hoch - in folgender Reihenfolge: um 730 Euro im Saarland, um 640 Euro in Berlin, um 609 Euro in Bayern, um 497 Euro in Bremen, um 435 Euro in Nordrhein-Westfalen, um 363 Euro in Hamburg, um 357 Euro in Brandenburg, um 310 Euro in Rheinland-Pfalz, um 265 Euro in Hessen, um 264 Euro in Baden-Württemberg, um 218 Euro in Sachsen-Anhalt, um 190 Euro in Thüringen, um 170 Euro in Schleswig-Holstein, um 156 Euro in Sachsen und um 49 Euro in Niedersachsen.

Unterschiede zwischen den Bundesländern: 2008

In acht Bundesländern waren die Ausgaben pro Kind für Kindertagesbetreuung laut Tabelle 1 im Jahr 2008 überdurchschnittlich:

  1. Berlin: 7.116 Euro
  2. Hamburg: 5.640 Euro
  3. Bremen: 5.197 Euro
  4. Hessen: 4.993 Euro
  5. Saarland: 4.846 Euro
  6. Rheinland-Pfalz: 4.537 Euro
  7. Nordrhein-Westfalen: 4.481 Euro
  8. Thüringen: 4.404 Euro

Dementsprechend lagen in weiteren acht Bundesländern die Pro-Kopf-Beträge unter dem Durchschnitt:

  1. Baden-Württemberg: 3.909 Euro
  2. Bayern: 3.881 Euro (wobei dieser Betrag nicht mit den anderen vergleichbar ist - siehe Fußnote 4 zu o.g. Tabelle)
  3. Niedersachsen: 3.692 Euro
  4. Schleswig-Holstein: 3.653 Euro
  5. Sachsen: 3.625 Euro
  6. Brandenburg: 3.446 Euro
  7. Sachsen-Anhalt: 3.247 Euro
  8. Mecklenburg-Vorpommern: 2.698 Euro

Die Spannbreite der Ausgaben ist somit sehr groß: Berlin gab mit 7.116 Euro pro Kind mehr als doppelt so viel aus wie Mecklenburg-Vorpommern mit 2.698 Euro. Nachdem 2007 die Bandbreite im Vergleich zu 2006 geringer geworden war, hat sie sich 2008 wieder vergrößert; im Jahr 2006 lag sie zwischen 7.082 Euro (Berlin) und 2.925 Euro (Bayern). Was die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern erklären könnte, wurde bereits an anderer Stelle erörtert (siehe Textor 2009).

Problematisch ist die Situation in den drei (ostdeutschen) Bundesländern, in denen die Pro-Kopf-Ausgaben weit unterdurchschnittlich sind. Dies trifft besonders auf Mecklenburg-Vorpommern zu, wo sich der Abstand zu den anderen Ländern weiter vergrößert hat - ein weiteres Zurückfallen gegenüber den anderen Bundesländern sollte also unbedingt vermieden werden.

Kritische Anmerkungen

Während die Ausgaben der Bundesländer für Kindertagesbetreuung bzw. die Pro-Kopf-Beträge Sinn machen, wenn man nur ein Jahr betrachtet, werfen sie bei dem in Tabelle 1 erfolgten Drei-Jahres-Vergleich viele Fragen auf. Schon ein Anstieg der bundesweiten Pro-Kopf-Ausgaben um 725 Euro innerhalb von nur drei Jahren ist nicht nachvollziehbar - geschweige denn eine Zunahme um 992 Euro wie in Hessen oder um 781 Euro wie in Nordrhein-Westfalen. So viele Halbtagsplätze für Kindergartenkinder können gar nicht in "teuere" Ganztagsplätze oder in Plätze für unter Dreijährige umgewandelt worden sein, als dass die Ausgaben pro Kind in diesem Maße angestiegen sein könnten. Und Qualitätsstandards wie Gruppengröße, Erzieherin-Kind-Schlüssel und Qualifikation der Fachkräfte können sich in drei Jahren auch nicht so sehr verändert haben, als dass man hier eine Erklärung für die Zunahme finden könnte. Nach derzeitigem Erkenntnisstand dürften vielmehr die Qualitätsstandards in den Bundesländern zwischen 2006 und 2008 weitgehend gleich geblieben sein.

Da sich in den meisten Bundesländern auch die gesetzlichen Grundlagen zwischen 2006 und 2008 nicht nennenswert geändert haben, sind erst recht nicht die großen Schwankungen bei den Pro-Kopf-Ausgaben mancher Bundesländer zu erklären. Beispielsweise sollen sie in Berlin laut Tabelle 1 von 2006 auf 2007 um 606 Euro gefallen und von 2007 auf 2008 um 640 Euro gestiegen sein, während sie im Saarland und in Brandenburg zunächst um 57 bzw. 43 Euro sanken und dann um 673 bzw. 314 Euro anstiegen. Solche Schwankungen sind nicht nachzuvollziehen.

Vergleich der Jugendhilfestatistik mit dem Bildungsfinanzbericht

Die für die Berechnung der Pro-Kopf-Beträge verwendeten Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe beruhen auf Daten, die von den Kommunen geliefert wurden. Diese wurden von den Statistischen Landesämtern gesammelt, aufbereitet, ausgewertet und an das Statistische Bundesamt weitergeleitet.

Offen bleibt, wie verlässlich die Daten der Kommunen sind. So wird behauptet, dass es oft Widersprüche zu den staatlichen und kommunalen Finanzstatistiken gäbe. So sollen nun die verwendeten Statistiken mit denen des Bildungsfinanzberichts (Statistisches Bundesamt 2009c) verglichen werden. Hier wurden "die Basisdaten den Haushaltsrechnungen von Bund, Ländern und Gemeinden entnommen, ggf. um bildungsfremde Leistungen bereinigt oder vervollständigt" (S. 14). Zurückgegriffen wurde vor allem auf Jahresrechnungs-, Haushaltsansatz- und Kassenstatistiken.

Tabelle 2 verdeutlicht, dass es teilweise große Unterschiede zwischen den Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe einerseits und den Statistiken des Bildungsfinanzberichts andererseits gibt:

Tabelle 2: Ausgaben der öffentlichen Hand für Kindertagesbetreuung
laut Jugendhilfestatistik und Bildungsfinanzbericht: 2006 und 2007
  2006 2007
  Jugendhilfe-
statistik: Förderung von Kindern in Kindertages-
einrichtungen und Tagespflege
Bildungsfinanz-
bericht: Ausgaben für Kindertages-
einrichtungen und Tages-
pflege
Jugendhilfe-
statistik: Förderung von Kindern in Kindertages-
einrichtungen und Tagespflege
Bildungsfinanz-
bericht: Ausgaben für Kindertages-
einrichtungen und Tages-
pflege, vorl. Ist

Baden-
Württemberg

1 370 498 000

1 313 191 000

1 432 635 000

1 332 055 000

Bayern

741 942 000

1 419 137 000

1 469 829 000

1 492 079 000

Berlin

778 062 000

675 202 000

740 452 000

705 252 000

Brandenburg

412 126 000

429 881 000

429 513 000

473 927 000

Bremen

103 686 000

93 210 000

105 366 000

96 027 000

Hamburg

342 924 000

345 687 000

369 145 000

365 748 000

Hessen

900 537 000

851 887 000

1 095 490 000

967 401 000

Mecklenburg-
Vorpommern

303 529 000

243 684 000

306 433 000

247 965 000

Niedersachsen

811 649 000

807 402 000

965 159 000

866 255 000

Nordrhein-
Westfalen

2 206 118 000

2 337 345 000

2 363 317 000

2 380 450 000

Rheinland-Pfalz

592 783 000

592 819 000

609 354 000

627 028 000

Saarland

140 790 000

122 973 000

135 600 000

116 489 000

Sachsen

735 204 000

745 702 000

791 053 000

742 528 000

Sachsen-Anhalt

362 983 000

372 729 000

364 675 000

376 670 000

Schleswig-
Holstein

305 878 000

226 108 000

331 133 000

236 609 000

Thüringen

326 888 000

322 321 000

336 214 000

311 371 000

Oberste Bundesbehörde

7 434 000

-

6 063 000

2 150 000

Deutschland

10 443 031 000

10 899 278 000

11 851 431 000

13 487 854 000

Vergleicht man in Tabelle 2 nur die Zahlen für 2006, die auch beim Bildungsfinanzbericht als endgültig gelten, und beschränkt man sich bloß auf Unterschiede im achtstelligen Bereich, sind trotzdem große Differenzen zwischen den Daten festzustellen. Laut den Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe gab Berlin knapp 103 Mio., Schleswig-Holstein fast 80 Mio., Mecklenburg-Vorpommern knapp 60 Mio., Baden-Württemberg über 57 Mio., Hessen fast 49 Mio., Saarland knapp 18 Mio. und Bremen über 10 Mio. Euro mehr für Kindertagesbetreuung aus als laut Bildungsfinanzbericht. Hingegen gaben Bayern über 677 Mio., Nordrhein-Westfalen über 131 Mio., Brandenburg knapp 18 Mio., Sachsen über 10 Mio. und Sachsen-Anhalt knapp 10 Mio. weniger aus. Die Werte für die gesamte Bundesrepublik lagen bei den Jugendhilfestatistiken um mehr als 456 Mio. unter denen des Bildungsfinanzberichts - also fast um eine halbe Milliarde Euro!

Noch größer sind die Unterschiede bei den Ausgaben für Kindertagesbetreuung im Jahr 2007: Laut Bildungsfinanzbericht gaben Bund, Länder und Gemeinden 1,636 Mrd. Euro mehr für Kindertagesbetreuung aus als laut der Jugendhilfestatistik. Allerdings wurden die Daten des Bildungsfinanzberichts für 2007 als vorläufig bezeichnet.

Offensichtlich ist, dass sich nach dem Bildungsfinanzbericht andere Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung ergeben als nach den Jugendhilfestatistiken: Sie betrugen 3.615 Euro für 2006 und 4.415 Euro für 2007 - ein Anstieg um 800 Euro. Nach den Jugendhilfestatistiken ergaben sich nur Pro-Kopf-Beträge von 3.464 bzw. 3.880 Euro; das waren also 151 bzw. 535 Euro weniger. Da die Zahlen des Bildungsfinanzberichts für 2007 noch vorläufig sind, könnten die "echten" Ausgaben natürlich unter den genannten Werten liegen - bei einem "vorläufigen Ist" sollten die Differenzen aber nicht allzu groß sein.

Vergleich des Ländermonitors 2009 der Bertelsmann-Stiftung mit Jugendhilfestatistik und Bildungsfinanzbericht

Solche Pro-Kopf-Ausgaben wurden von der Bertelsmann-Stiftung (2009) veröffentlicht, allerdings nicht auf der Grundlage des Bildungsfinanzberichts, sondern der Veröffentlichungen "Finanzen und Steuern. Rechnungsergebnisse der kommunalen Haushalte. Sonderauswertung der Dreisteller HUA 454 und 464 durch das Statistische Bundesamt nach dem Schema der Tabelle 4 der Fachserie 14, Reihe 3.3" und "Finanzen und Steuern. Rechnungsergebnisse der öffentlichen Haushalte für soziale Sicherung und für Gesundheit, Sport, Erholung. Fachserie 14, Reihe 3.5" des Statistischen Bundesamtes. Es wurden "reine Nettoausgaben der öffentlichen Haushalte (ohne Elternbeiträge und Anteile der freien Träger) für die FBBE (einschließlich Ausgaben für Hortangebote) pro unter 10-jährigem Kind" in den Bundesländern für das Jahr 2006 ermittelt (FBBE = frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung).

In Tabelle 3 werden die Pro-Kopf-Ausgaben laut Ländermonitor 2009 mit denen auf Grundlage der Jugendhilfestatistik verglichen. Dazu mussten die in Tabelle 1 genannten Werte auf die Anzahl der unter 10-jährigen Kinder umgerechnet wurden. Dies geschah, indem für jedes Bundesland die "reinen Ausgaben für Kindertageseinrichtungen" laut Spalte 3 der Tabelle 1 und die Ausgaben zur "Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege" laut Spalte 4 der Tabelle 1 - immer bezogen auf das Jahr 2006 - addiert und durch die Anzahl der unter 10-jährigen Kinder (Quelle: Bertelsmann Stiftung 2008) laut Spalte 2 der Tabelle 3 dividiert wurden. Analog wurden Pro-Kopf-Ausgaben für das Jahr 2006 nach dem Bildungsfinanzbericht berechnet, indem die Ausgaben der Bundesländer laut Spalte 3 der Tabelle 2 durch die Anzahl der unter 10-jährigen Kinder laut Spalte 2 der Tabelle 3 dividiert wurden.

Tabelle 3: Ausgaben der öffentlichen Hand für Kindertagesbetreuung
pro unter 10-jährigem Kind: 2006
  Ländermonitor 2008: Anzahl der unter 10-jährigen Kinder am 31.12.2006 Ländermonitor 2009: reine Nettoausgaben der öffentlichen Haushalte (ohne Eltern-
beiträge und Anteile der freien Träger) für die FBBE im Jahr 2006 (einschließlich Ausgaben für Hortangebote)
Jugendhilfe-
statistik: reine Ausgaben für Kindertages-
einrichtungen/ Förderung von Kindern in Tagesein-
richtungen und in Tagespflege im Jahr 2006
Bildungsfinanz-
bericht: Ausgaben für Kindertages-
einrichtungen und Tages-
pflege im Jahr 2006

Baden-
Württemberg

1 037 579

1 309

1 321

1 266

Bayern

1 180 531

1 228

6291)

1 202

Berlin

275 749

k.A.2)

2 822

2 449

Brandenburg

189 918

2 326

2 170

2 264

Bremen

55 367

1 662

1 873

1 684

Hamburg

151 072

2 372

2 270

2 288

Hessen

564 411

1 572

1 596

1 509

Mecklenburg-
Vorpommern

125 161

1 964

2 425

1 947

Niedersachsen

767 450

1 089

1 058

1 052

Nordrhein-
Westfalen

1 685 975

1 420

1 309

1 386

Rheinland-Pfalz

368 876

1 658

1 607

1 607

Saarland

83 331

1 516

1 690

1 476

Sachsen

314 610

2 404

2 337

2 370

Sachsen-Anhalt

170 663

2 234

2 127

2 184

Schleswig-
Holstein

267 036

1 108

1 146

847

Thüringen

167 253

1 956

1 955

1 927

  1. Laut Mitteilung des Statistischen Bundesamtes ist in Bayern nur ein Teil der Personalkostenzuschüsse in die Jugendhilfestatistik eingeflossen. Deshalb ist dieser Betrag mit den anderen nicht vergleichbar. Zieht man die Ausgaben des Freistaats für 2007 heran und dividiert sie durch die Zahl der unter 10-Jährigen am 31.12.2006, so ergäbe sich ein Pro-Kopf-Betrag von 1.245 Euro.
  2. Für 2005 wird im Ländermonitor 2009 ein Pro-Kopf-Betrag von 2.776 Euro für Berlin angegeben.

Vergleich der Spalten 3 und 4: Die Ausgaben pro unter 10-jährigem Kind für das Jahr 2006 lagen laut Ländermonitor 2009 bei acht Bundesländern höher als die Pro-Kopf-Ausgaben laut Jugendhilfestatistik: bei Brandenburg um 156 Euro, bei Nordrhein-Westfalen um 111 Euro, bei Sachsen-Anhalt um 107 Euro, bei Hamburg um 102 Euro, bei Sachsen um 67 Euro und bei Rheinland-Pfalz um 51 Euro. Diese schon sehr hohen Unterschiede zwischen den Pro-Kopf-Ausgaben laut Ländermonitor bzw. laut Jugendhilfestatistik werden noch getoppt, wenn man in die andere Richtung schaut: Nach dem Ländermonitor gab Mecklenburg-Vorpommern 2006 sage und schreibe 461 Euro weniger pro unter 10-jährigem Kind aus als nach der Jugendhilfestatistik. Bei Bremen waren es 211 Euro und beim Saarland 174 Euro weniger.

Vergleich der Spalten 3, 4 und 5: Die Ausgaben pro unter 10-jährigem Kind lagen beim Ländermonitor mit einer Ausnahme (Bremen: -22 Euro) immer über denen des Bildungsfinanzberichts, wobei die größten Unterschiede - um mindestens 50 Euro - bei Schleswig-Holstein (+261 Euro), Hamburg (+84 Euro), Hessen (+63 Euro), Brandenburg (+62 Euro), Rheinland-Pfalz (+51 Euro) und Sachsen-Anhalt (+50 Euro) auftraten (wobei Berlin wegen der unvollständigen Datenlage nicht berücksichtigt wurde). Bei der Jugendhilfestatistik ist das Bild weniger einheitlich: Neun Länder lagen über den Pro-Kopf-Werten des Bildungsfinanzberichts - um mindestens 50 Euro waren dies Mecklenburg-Vorpommern (+478 Euro), Berlin (+373 Euro), Schleswig-Holstein (+299 Euro), Saarland (+214 Euro), Bremen (+189 Euro), Hessen (+87 Euro) und Baden-Württemberg (+55 Euro). Fünf Länder (wobei Bayern wegen der unvollständigen Datenlage nicht berücksichtigt wurde) lagen darunter - um mindestens 50 Euro Brandenburg (-94 Euro), Nordrhein-Westfalen (-77 Euro) und Sachsen-Anhalt (-57 Euro). Die Werte für Rheinland-Pfalz waren identisch - was vermutlich nur ein Zufall ist.

Schlusswort

Seitens des Statistischen Bundesamtes wurden die großen Differenzen zwischen den Pro-Kopf-Ausgaben für das Jahr 2006 laut Jugendhilfestatistik, Bildungsfinanzbericht und Ländermonitor mit "Unterschieden in den methodischen Grundlagen der Erhebungen" erklärt (Stellungnahme vom 30.12.2009). Hinzu kämen Besonderheiten auf der Länderebene und die vielerorts erfolgte Umstellung der Haushaltsführung von Kameralistik auf Doppik (kaufmännische Buchführung).

In einer Mail vom 08.01.2010 wurde vom Statistischen Bundesamt ergänzt, dass beim Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung die Daten der Finanzstatistiken von den Länderministerien überprüft wurden, wobei es teilweise zu Korrekturen der Ergebnisse gekommen sei. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt noch einmal die Spalten 3 und 5 in Tabelle 3, so muss man feststellen, dass einige Bundesländer die Finanzstatistiken bei der Überprüfung wohl ganz schön erhöht haben - schließlich lagen die Pro-Kopf-Ausgaben laut Ländermonitor um bis zu 261 Euro über denen des Bildungsfinanzberichts, der ebenfalls auf den Finanzstatistiken beruht.

Die Erklärungen des Statistischen Bundesamtes wären akzeptabel, wenn sich die Unterschiede zwischen den Pro-Kopf-Ausgaben laut Jugendhilfestatistik und Bildungsfinanzbericht im einstelligen oder meinetwegen auch im niedrigen zweistelligen Bereich bewegen würden. Dies ist aber nicht der Fall. Ferner sollten die Tendenzen stimmen, also z.B. die Ausgaben pro Kind auf Grundlage der Finanzstatistiken immer über denen der Jugendhilfestatistik liegen (bzw. umgekehrt). Auch das ist nicht der Fall.

Bisher wurden Pro-Kopf-Ausgaben der Bundesländer für mehrere aufeinander folgende Jahre von mir nur anhand der Jugendhilfestatistiken berechnet. Hier dürften die großen Sprünge bei den Beträgen pro Kind innerhalb von nur drei Jahren - bei vier Ländern sogar in beide Richtungen! - nur schwer zu erklären sein.

Fazit: Alle Veröffentlichungen über die Gesamtausgaben von Bundesländern und Kommunen für Kindertagesbetreuung sollten deshalb mit Vorsicht betrachtet werden!

Anmerkungen

Die Daten des Statistischen Bundesamtes zur Kindertagesbetreuung und zu den Ausgaben der Kinder- und Jugendhilfe können auf www.destatis.de/ aufgerufen werden.

Im November 2010 erschien - auch als Resonanz auf diesen Artikel - ein Beitrag von Franz-Josef Kolvenbach mit dem Titel "Ausgaben der öffentlichen Hand für Kindertagesbetreuung" in der Zeitschrift "Wirtschaft und Statistik". In ihm wurden die Unterschiede zwischen Jugendhilfe- und Finanzstatistik sowie - bezogen auf das Jahr 2006 - die Gründe dafür herausgearbeitet.

Literatur

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2008. Gütersloh: 2008

Bertelsmann-Stiftung: Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2009. Hier: Tab. 21 | LM09 Reine Nettoausgaben der öffentlichen Haushalte (ohne Elternbeiträge und Anteile der freien Träger) für die FBBE (einschließlich Ausgaben für Hortangebote) pro unter 10-jährigem Kind 2001 bis 2006 in den Bundesländern (Angaben in Euro). http://www.laendermonitor.de/#id=2_3_6 (abgerufen am 18.12.2009)

Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Ausgaben und Einnahmen 2006. Revidierte Ergebnisse. Wiesbaden 2007a (S. 15-16, 25-26)

Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen am 15.03.2006. Revidierte Ergebnisse. Wiesbaden 2007b (S. 70-71)

Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in öffentlich geförderter Kindertagespflege am 15.03.2006. Wiesbaden 2007c (S. 18-19)

Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen am 15.03.2007. Revidierte Ergebnisse. Wiesbaden 2008a (Tabelle LT2)

Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen am 15.03.2008. Wiesbaden 2008b (Tabelle LT2)

Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in öffentlich geförderter Kindertagespflege am 15.03.2007. Revidierte Ergebnisse. Wiesbaden 2008c (Tabelle LT1)

Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in öffentlich geförderter Kindertagespflege am 15.03.2008. Wiesbaden 2008d (Tabelle LT1)

Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Ausgaben und Einnahmen 2007. Revidierte Ergebnisse. Wiesbaden 2009a (Tabellen 4, LT1 und LT2.5)

Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Ausgaben und Einnahmen 2008. Wiesbaden 2009b (Tabellen 3, LT1 und LT2.5)

Statistisches Bundesamt: Bildungsfinanzbericht 2009. Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 2009c (S. 108)

Textor, M.R.: In Berlin ist ein Kleinkind doppelt so viel wert wie in Bayern: Zum Zusammenhang von Ausgaben, Qualitätskriterien, Betreuungsquoten und Elternbeiträgen. http://www.ipzf.de/PKA1.html (03.04.2009)