Offene Adoption älterer Kinder

Martin R. Textor

 

Als "offene Adoptionen" bezeichnet man solche, bei denen die Adoptiveltern auf das in § 1758 Abs. 1 BGB begründete Recht auf Anonymität verzichten, so dass Kontakte zwischen ihnen und den leiblichen Eltern des Adoptivkindes möglich werden. Diese können von unterschiedlicher Intensität sein und umfassen z.B. ein einmaliges Zusammentreffen von Adoptiveltern und leiblichen Eltern bei der Übergabe des Kindes, den regelmäßigen Austausch von Briefen, Fotos, Geschenken usw., häufige (formelle) Treffen in Anwesenheit des Adoptionsvermittlers und fortlaufende persönliche (informelle) Kontakte zwischen beiden Seiten. Offene Adoptionen werden seit etwa 15 Jahren im englischsprachigen Raum und seit kurzem auch in der Bundesrepublik Deutschland intensiv diskutiert. In diesem Artikel soll zunächst ein kurzer historischer Überblick gegeben und dann auf die besondere Situation von älteren Kindern bei offenen Adoptionen eingegangen werden.

Historische Entwicklung

Die Adoption ist eine sehr alte Institution. Sie erfolgte in der Vergangenheit häufig auf anonyme Weise, wenn Personen Kinder adoptierten, die als Findelkinder vor den Toren von Tempeln und Kirchen gefunden wurden oder zur "Kriegsbeute" gehörten. Aber es gab früher auch viele offene Adoptionen. So mussten bei einer unerwünschten Schwangerschaft leibliche Eltern bzw. Verwandte mit prospektiven Adoptiveltern Kontakt aufnehmen (sofern dieser nicht schon zuvor bestand), wenn sie das Kind zur Adoption freigeben wollten (BARAN, PANNOR und SOROSKY 1976). In diesen Fällen konnten die Adoptiveltern dem Kind später aus eigener Erfahrung von seiner leiblichen Mutter und ihren Freigabegründen berichten. BARAN, PANNOR und SOROSKY (1976) beschrieben auch die (früher) gängige Praxis der Adoption bei Hawaianern und Eskimos, bei der die Herkunft des Kindes nicht verschleiert wurde und oft enge Kontakte zu leiblichen Eltern bestanden.

Die Entwicklung hin zur Inkognitoadoption erfolgte in Westeuropa und Nordamerika nach dem Ersten Weltkrieg. So wurden z.B. im Deutschen Reich ab den 1920-er Jahren die Namen der Adoptiveltern geheim gehalten, wobei diese Praxis aber erst nach einer Entscheidung des Reichsgerichts (im Jahr 1928) allgemein anerkannt wurde. In den 1950-er Jahren war schließlich in nahezu allen westlichen Staaten die Inkognitoadoption gesetzlich vorgeschrieben (NAPP-PETERS 1978; KIRK 1981; GEISSINGER 1984). Diese Entwicklung verlief zumeist graduell und kontinuierlich - ohne eine Bewertung ihrer Folgen durch Wissenschaftler (BARAN, PANNOR und SOROSKY 1976). Sie wurde vor allem von Sozialarbeitern und Adoptiveltern vorangetrieben. Erstere glaubten, dass Kinder nur zu einem Elternpaar enge Bindungen entwickeln können und vor dem Stigma der Illegitimität geschützt werden sollten, dass die Eltern-Kind-Beziehung vor Einmischung von außen bewahrt werden müsste und die leiblichen Mütter aufgrund der vorherrschenden gesellschaftlichen Einstellungen ihre "sündige" Schwangerschaft verheimlichen sollten. Die Adoptiveltern hingegen wollten so eng wie möglich dem normalen Familiengründungsmuster folgen und ihre Unfruchtbarkeit verbergen (BARAN, PANNOR und SOROSKY 1974; DUKETTE 1984; BAGLEY 1986).

Dennoch gab es auch in den vergangenen Jahrzehnten Fälle, in denen das Inkognito durchbrochen wurde. So ist z.B. bei privaten, Verwandten- und Pflegekinderadoptionen in der Regel ein Kontakt zwischen leiblichen Eltern und Adoptiveltern gegeben. Generell wird jedoch die Anonymität der Betroffenen gewahrt, werden - selbst bei engen Beziehungen zwischen älteren Kindern und leiblichen Verwandten - offene Formen der Adoption nicht in Betracht gezogen. So fragen z.B. Richter aufgrund der gesetzlichen Grundlagen (Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses) entweder nicht nach schützenswerten Beziehungen zu Verwandten (erkundigen sich beispielsweise nicht bei Großeltern) oder genehmigen eine Adoption nicht, wenn enge Bindungen zwischen leiblichen Verwandten und dem Kind festgestellt worden sind, die um des Kindeswohls willen geschützt werden sollen (NATHAN 1984; TRISELIOTIS 1985; WARD 1986). Deshalb schlugen einige Autoren (z.B. AMADIO und DEUTSCH 1983/84; NATHAN 1984) Gesetzesänderungen vor, die eine Überprüfung der Beziehungen zwischen leiblichen Verwandten (oder anderen signifikanten Anderen) und dem zur Adoption vorgesehenen Kind gewährleisten sollen.

Offene Adoption älterer Kinder

Bei der Adoption älterer Kinder ist m.E. eine andere Situation als bei der Adoption von Säuglingen und Kleinstkindern gegeben, die eine offene Adoption für viele Fälle - auch in den Augen von Adoptionsvermittlern - als sinnvoll erscheinen lässt (vgl. MOYNIHAN 1983). Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass Kontakte zwischen leiblichen Verwandten und Adoptivfamilien bei der Adoption älterer Kinder schon immer relativ häufig waren. Oft kannten sie einander bereits vor der Adoption - über gemeinsame Bekannte, leibliche Kinder der Adoptiveltern, Nachbarschaftskontakte usw. So stellte z.B. NELSON (1985) bei der Untersuchung von 177 amerikanischen Familien mit 257 älteren Adoptivkindern folgendes fest: "Einige Eltern trafen zuerst zufällig mit denn Kind zusammen und entwickelten Bindungen, unabhängig von der Adoptionsvermittlungsstelle (10% der eigentlichen und 27% der Pflegekindadoptionen). Die meisten dieser Beziehungen begannen, weil die Adoptivfamilie die biologischen Eltern kannte" (S. 19). Andere amerikanische Untersuchungen ergaben, dass viele ältere Adoptivkinder noch lange Zeit nach der Adoption Kontakte zu leiblichen Verwandten haben - 28% der von KADUSHIN (1970) untersuchten 91 Fälle, 29% der von KAGAN und REID (1986) erfassten 63 Adoptivkinder sowie in 20% der von NELSON (1985) befragten 177 Familien. Zumeist ist der Kontakt recht locker - in 67% der von NELSON (a.a.0.) erfassten Fälle kommt er weniger als sechsmal im Jahr zustande - und wird im Verlauf der Zeit immer schwächer (KADUSHIN 1970). Anzumerken ist, dass laut einer im Jahre 1957 von SHAPIRO durchgeführten Untersuchung bereits 25% der befragten amerikanischen Adoptionsvermittlungsstellen Kontakte älterer Adoptivkinder zu leiblichen Verwandten oder früheren Freunden akzeptierten oder gar förderten (nach BORGMAN 1982).

Offene Adoptionsformen dürften leiblichen Eltern die Entscheidung erleichtern, ältere Kinder zur Adoption freizugeben, da sie mit ihnen in Verbindung bleiben und sich weiter um sie kümmern können. Auch können sie sehen, ob es den Kindern gut geht und ob sie liebevolle Adoptiveltern haben (SOROSKY, BARAN und PANNOR 1976; BORGMAN 1982; TRISELIOTIS 1985; ARGENT 1986a). So dürften sie weniger Trauer und Schmerz erleben, da ihre Bedürfnisse und Befindlichkeit mehr Berücksichtigung finden (ROBERTS und ROBIE 1981; SCHULZ 1984). Auch sollte Offenheit eine Adoption in solchen Fällen ermöglichen, in denen sie derzeit nur selten gewährt wird - z.B. bei engen emotionalen Beziehungen des nichtehelichen Vaters zum Kind (nach Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft) oder bei der Aufteilung von Geschwistergruppen (NATHAN 1984; RILLERA und KAPLAN 1985). Bei einer offenen Adoption mag es ferner den leiblichen Eltern leichter fallen, ihren Kindern die Erlaubnis zu erteilen, Gefühle der Angst, der Wut und des Schmerzes zu zeigen, die Adoption zu akzeptieren und neue Bindungen einzugehen (BORGMAN 1982; TRISELIOTIS 1985; KAGAN und REID 1986). Generell wird erwartet, dass sie mit den Adoptiveltern zum Wohle der Kinder zusammenarbeiten werden (BARAN, PANNOR und SOROSKY 1976; BORGMAN 1982).

Zudem dürften Adoptiveltern aufgrund des Kontaktes zu den leiblichen Eltern mehr Informationen über die Vorgeschichte der Kinder haben (weniger Phantasien und Vermutungen) und sie besser verstehen können (ARGENT 1936a; EDER 1988). Sie könnten mit Lehrern, Ärzten, Pflegeeltern, Sozialarbeitern und anderen, mit denen ihr Kind früher zu tun hatte, Kontakt aufnehmen und von ihnen wichtige Informationen erhalten (RILLERA und KAPLAN 1985). Sie dürften die biologischen Eltern nicht als eine Bedrohung erleben, da bei relativ seltenen Kontakten nicht so etwa wie psychologische Elternschaft entstehen könne (TRISELIOTIS 1985).

Als wichtigstes Argument für die offene Adoption älterer Kinder wird das Kindeswohl angeführt - nur bei dieser Form der Adoption würden emotionale Bindungen und positive Beziehungen zu leiblichen Eltern (z.B. nichtehelichen Vätern), Geschwistern, Großeltern und Verwandten, aber auch zu Nachbarn und Freunden aus der Zeit vor der Adoption, aufrechterhalten (BARAN, PANNOR und SOROSKY 1976; COLÓN 1978; SMITH and PRICE 1980; ROBERTS und ROBIE 1981; BORGMAN 1982 AMATIO und DEUTSCH 1983/84; MOYNIHAN 1983; ALLEN 1984; DUKETTE 1984; NATHAN 1984; SCHULZ 1984; RILLERA und KAPLAN 1985; TRISELIOTIS 1985; ARGENT 1986a; BRITISH AGENCIES FOR ADOPTION AND FOSTERING 1986; LION 1986 WHITE 1987; SCHREINER 1988). So würden ältere Kinder die Erwartung, Beziehungen zu Verwandten und Freunden abbrechen zu sollen, als willkürlich, unnatürlich, verwirrend und bedrohlich erleben (BORGMAN 1982). Auch sei es für sie schwierig oder gar unmöglich, zehn oder mehr Jahre ihres Lebens auszulöschen - ohne negativ Folgen für ihre Entwicklung, ihr Selbstwerterleben und ihr soziales Verhalten (a.a.O.). Deshalb würden sie Beziehungen zu Verwandten und Freunden oft gegen den Willen der Adoptiveltern fortsetzen, da sie ja deren Adressen und Telefonnummern kennen (KADUSHIN 1970; SMITH und PRICE 1980; BORGMAN 1982; BRITISH AGENCIES FOR ADOPTION AND FOSTERING 1986). Könnten sie hingegen mit ihnen in Kontakt bleiben, so werden sie wahrscheinlich weniger unter Gefühlen der Disloyalität, der Trauer und des Schmerzes leiden, keine psychischen Störungen aufgrund der Erfahrung des Beziehungsabbruchs entwickeln, sich weniger isoliert fühlen und sich leichter in die Adoptivfamilie integrieren (SMITH und PRICE 1980; BORGMAN 1982; NATHAN 1984; TRISELIOTIS 1985; KAGAN und REID 1986).

Bei einer offenen Adoption würde den Kindern gezeigt, dass ihre Lebensgeschichte von Bedeutung ist und dass sie einschließlich ihrer Vergangenheit akzeptiert werden (MOYNIHAN 1983; NATHAN 1984). Da sie nicht von ihren Wurzeln abgetrennt werden, bliebe eine gewisse Kontinuität in ihrem Leben erhalten. Das dürfte sich nicht nur positiv auf Identitätsentwicklung und Selbstwertgefühl älterer Adoptivkinder auswirken, sondern auch zu einer besseren Anpassung an das neue Umfeld führen (BORGMAN 1982; MOYNIHAN 1983; DUKETTE 1984; NATHAN 1984; PANNOR und BARAN 1984; SCHREINER 1988). Schließlich würden sie auch von der größeren Offenheit in der Adoptivfamilie profitieren, da sie über ihre Vergangenheit ungehindert sprechen und Gefühle für leibliche Verwandte und Freunde zeigen könnten (ARGENT 1986a). Ein Kontakt zu Geschwistern, Großeltern, Freunden und früheren Nachbarn dürfte zudem recht unproblematisch sein und den Kindern Quellen der Unterstützung erhalten (BORGMAN 1982; NATHAN 1984).

Problematisiert wird, dass viele leibliche Eltern in diesen Fällen nicht für eine offene Adoption geeignet seien, da sie unter Persönlichkeitsdefiziten, Suchtkrankheiten u.Ä. litten und ihre Kinder misshandelt, sexuell missbraucht oder sträflich vernachlässigt hätten - obwohl sie sagen, dass sie ihre Kinder lieben und diese das auch vielfach glauben (JONES 1979; WHITE 1987; EDER 1988; SCHREINER 1983). So sind z.B. bei mehr als 50% der von KAGAN und REID (1986) untersuchten 78 Adoptionen älterer Kinder dieselben körperlich misshandelt worden. NELSON (1985) ermittelte, dass bei 59% der von ihr erfassten 257 amerikanischen Kinder die Einwilligung der Eltern zur Adoption vom Gericht aufgrund von Vernachlässigung bzw. Desertion, bei 6% wegen sexueller oder körperlicher Misshandlung und bei 3% wegen Institutionalisierung der Eltern ersetzt wurde (andere Gründe bei 31% der Fälle).

Ferner könnte es zu großen Problemen kommen, wenn Verwandte oder Freunde der Kinder gegen die Adoption sind, sie zu sabotieren versuchen, die Adoptiveltern für die Fortnahme der Kinder verantwortlich machen und die Eltern-Kind-Beziehung stören (BORGMAN 1982; GOULD 1984). Beispielsweise ermittelte FESTINGER (1986) in den USA bei der Untersuchung von 897 Adoptionen älterer Kinder, dass sich wohl generell ein Kontakt zu leiblichen Verwandten weder positiv noch negativ auf die Abbruchquoten auswirkte - dass diese aber viermal so hoch war, wenn die Verwandten (vermutlich) gegen die Adoption waren. Andere Probleme könnten dadurch entstehen, dass leibliche Eltern (Verwandte, Freunde) die Adoptiveltern gegenüber den Kindern kritisieren, sich in ihre Erziehung einmischen oder nur unregelmäßig und unangemeldet bei der Adoptivfamilie vorbeikommen, so dass die Kinder verängstigt und verunsichert werden (COLÓN 1973; GOULD 1984; TRISELIOTIS 1985). Vielen dürfte es auch schwerfallen, die Entwicklung ihrer Kinder aus der Ferne mitzuerleben und deren Liebe für die Adoptiveltern zu sehen (LION 1986).

Seitens der Adoptiveltern ist mit einem gewissen Widerstand gegen die offene Adoption zu rechnen. Sie haben zumeist den Wunsch, dass die Kinder alte Bindungen bewältigen und die Vergangenheit vergessen (KADUSHIN 1970; TRISEL1OTIS 1985). Schon jetzt sind nur unter Schwierigkeiten Adoptiveltern für ältere und verhaltensauffällige Kinder zu finden; diese Situation dürfte durch die Einführung der offenen Adoption noch erschwert werden (ARGENT 1986a). Zudem sind die Anforderungen an die Adoptiveltern bei einer offenen Adoption besonders hoch: So müssen sie beispielsweise die Besuche der leiblichen Verwandten (bzw. die der Kinder) koordinieren, mit diesen über Rechte und Pflichten der Kinder verhandeln, die Verantwortung für deren Entwicklung mit ihnen teilen und ihren Lebensstil, ihre Werte und ihre Person akzeptieren (BORGMAN 1982). Vor allem letzteres durfte schwer sein, wenn die Schichtunterschiede sehr groß sind oder wenn die leiblichen Eltern aufgrund ihres früheren Verhaltens gegenüber den Kindern als grausam, verbrecherhaft, krank oder unfähig gesehen werden. Erschwerend mag hinzukommen, dass Verwandte und Freunde der Adoptiveltern wenig Verständnis für die aus der offenen Adoption resultierenden Probleme haben und diese ablehnen mögen (BARAN, PANNOR und SOROSKY 1976).

Eine offene Adoption dürfte auch die Eltern-Kind-Beziehung komplizierter machen. So wird befürchtet, dass intensivere Kontakte zu leiblichen Verwandten die Integration der Kinder in die Adoptivfamilie erschweren und den Bindungsprozess gefährden würden (KERRANE, HUNTER und LANE 1980; NATHAN 1984; TRISELIOTIS 1985; LION 1986). Wenn Beziehungen nicht eindeutig sind, die Kinder sich zwischen zwei Elternpaaren hin- und hergerissen fühlen oder die Bedeutung von Besuchen unklar ist, mögen Adoptivkinder Gefühle der Angst und Unsicherheit erleben und die gegenwärtige Situation als eine wenig dauerhafte ansehen (COLÓN 1978; TRISELIOTIS 1985). Auch wirken sich schon jetzt viele Kontakte zu leiblichen Eltern negativ aus (KAGAN und REID 1986; REID et al. 1987). Schließlich ist zu bedenken, dass einerseits viele ältere Kinder gleichgültig gegenüber Besuchen leiblicher Verwandter sind und der Kontakt mit der Zeit nachlässt (BORGMAN 1982; NELSON 1985; TRISELIOTIS 1985), andererseits viele Adoptivkinder mehr oder minder schnell ihre Vergangenheit vergessen (KADUSHIN 1970).

Unter Abwägung der genannten Vor- und Nachteile dürften offene Adoptionen älterer Kinder nur für Einzelfälle in Betracht kommen, wobei das Kindeswohl das entscheidende Kriterium sein sollte. So müssten vor allem folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Die Beziehung des Kindes zu den leiblichen Verwandten, Freunden oder Nachbarn ist sehr eng und intensiv. Sie ist durch Liebe, Zuneigung, Vertrauen, häufige Kontakte und eine starke Bindung gekennzeichnet. Die Qualität der Interaktion ist sehr gut.
  • Das Kind - sofern es alt und reif genug für eine derartige Entscheidung ist - wünscht sich unbedingt eine Fortsetzung dieser Beziehung.
  • Die leiblichen Eltern, Verwandten oder Freunde stimmen emotional und faktisch der Adoption zu, akzeptieren die Adoptiveltern und haben sich zuvor als verlässlich erwiesen (z.B. regelmäßige Besuche im Heim). Sie werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in die Erziehung des Kindes einmischen und die Eltern-Kind-Beziehung stören.
  • Die Adoptiveltern akzeptieren die leiblichen Eltern, Verwandten oder Freunde, sind wirklich mit einer offenen Adoption einverstanden und sind aller Voraussicht nach fähig, die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten zu bewältigen.

(KINZINGER 1982; NATHAN 1984; TRISELIOTIS 1985; WHITE 1987).

Falls enge und positive Beziehungen zu den leiblichen Eltern bestehen, ist aber auch zu fragen, ob der Herkunftsfamilie nicht mit Methoden der Sozialarbeit und Psychotherapie so weit geholfen werden kann, dass eine Freigabe des Kindes zur Adoption nicht mehr nötig ist (BUSH und GOLDMAN 1982).

Wird eine offene Adoption älterer Kinder angestrebt, so ist eine umfassende und gründliche Vorbereitung der leiblichen Verwandten bzw. Freunde und der späteren Adoptiveltern durch die Adoptionsvermittler notwendig (SMITH und PRICE 1980). Letzteren muss vor allem die Intensität und die Qualität der Beziehungen der Kinder zu den betroffenen Personen bewusst gemacht werden. So schreibt MOYNIHAN (1983): "Die Vorbereitung der Adoptivfamilien sollte ihnen schwerpunktmäßig helfen, das Kind mit allem zu akzeptieren, was es mitbringt. Es muss akzeptiert werden, dass leibliche Eltern, Großeltern, Geschwister und signifikante Andere für das Kind wichtig sind" (S. 4). Auch muss in langen und offenen Gesprächen ein Adoptionsplan gemeinsam erarbeitet, detaillierte Vereinbarungen getroffen und eine intensive Betreuung der Betroffenen in der Adoptionspflegezeit gewährleistet werden.

Aber auch die Kinder müssen gründlich auf eine offene Adoption vorbereitet werden. So sollten sie akzeptieren, dass die leiblichen Eltern nur noch eine kleine Rolle in ihrer Zukunft spielen werden und dass sie nicht mehr zu ihnen zurückkehren können: "Die Kinder müssen hören, dass 1) die Eltern nicht für sie sorgen können; 2) dass die Eltern ihre Probleme nicht bewältigen können; und 3) dass dieses nicht die Schuld der Kinder ist" (JONES 1979, S. 28f.). Oft ist es sinnvoll, wenn die leiblichen Eltern selbst den Kindern die Gründe für ihre Freigabe zur Adoption nennen, ihnen die eigenen Probleme erklären, offen ihrer Adoption zustimmen und sie für neue Beziehungen freigeben (KNIGHT 1985; RILLERA und KAPLAN 1985). Sowohl Adoptionsvermittler als auch Adoptiveltern müssen beachten, dass trotz einer derartigen Vorbereitung die meisten Kinder dennoch zunächst Gefühle des Schmerzes, der Trauer, der Verlassenheit und der Schuld empfinden werden und sich erst nach einer gewissen Zeit auf neue Beziehungen einlassen können (JONES 1979; KNIGHT 1985; ARGENT 1986a). Manchmal können Adoptionsvermittler ihnen bei der Verarbeitung derartiger Emotionen helfen, wenn sie mit ihnen zusammen ein Album mit Familienbildern, Fotos früherer Aufenthaltsorte, Geburtstagskarten, selbst gemalten Bildern und anderen Erinnerungsstücken anlegen. Dabei kann auch deren Selbstbild geklärt werden, können biographische Informationen nachgereicht werden (JONES 1979; SMITH und PRICE 1980; ALLEN 1984; RILLERA und KAPLAN 1985). Kinder und Erwachsene müssen die im Zusammenhang mit der offenen Adoption getroffenen Vereinbarungen verstehen und akzeptieren, was eine genaue Klärung von Rollen, eine eindeutige Definition von Beziehungen und ein klares Arrangement für Kontakte und Treffen voraussetzt (BARAN, PANNOR und SOROSKY 1976; AMADIO und DEUTSCH 1983/84; DUKETTE 1984). Noch ungeklärt ist, ob am Anfang häufigere Kontakte (ALLEN 1984) oder keine Treffen mit leiblichen Verwandten (NATHAN 1984) eine Eingewöhnung der Kinder in der Adoptivfamilie erleichtern.

Ausblick

Offene Adoptionen älterer Kinder scheinen in manchen Fällen durchaus wünschenswert und sinnvoll zu sein. Dies gilt auch für die in diesem Artikel nicht berücksichtigten Fälle, dass ältere Pflegekinder von Dritten (also nicht den Pflegeeltern) adoptiert werden. Hier käme der offenen Adoption die zusätzliche Funktion zu, positive Beziehungen des Adoptivkindes zu der Pflegefamilie aufrechtzuerhalten (COLÓN 1973; ROBERTS und ROBIE 1981; WARD 1986).

Generell sollten offene Formen der Adoption als Alternativen zu der vorherrschenden Inkognitoadoption gesehen und in geeigneten Fällen den Betroffenen angeboten werden. Da jedoch noch keine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zu offenen Adoptionen vorliegen (KRAFT et al. 1985; TRISELIOTIS 1985), dürfen jedoch keine dogmatischen Positionen vertreten und offene Adoptionsformen als die besseren bezeichnet werden - so haben sich Inkognitoadoptionen in der Praxis durchaus bewährt (JUNGMANN 1980; KNOLL und REHN 1984/85). Deshalb müssen das Recht der Betroffenen auf umfassende Information über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Adoptionsformen sowie ihr Recht auf Selbstbestimmung gewahrt werden.

Quelle

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