Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie - § 16 SGB VIII
Martin R. Textor
Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Weimar, Dresden: Richard Boorberg Verlag 1996 - Online-Buch
Inhalt
Vorwort von Wolfgang Gernert
Einführung
1. Rechtliche Grundlage
2. Orientierungsmaßstäbe
2.1 "Gesunde" Familien
2.2 Familienzyklus
3. Familienbildung
3.1 Familienbildungsstätten
3.2 Erwachsenenbildungseinrichtungen
3.3 Kindertageseinrichtungen und Schulen
3.4 Familienselbsthilfe
3.5 Jugendämter
3.6 Sonstige Anbieter
3.7 Besondere Programme
3.7.1 Ehevorbereitung
3.7.2 Ehebereicherung
3.7.3 Eltern- und Familientraining
3.7.4 Hausbesuchsprogramme
3.8 Ein System der Familienbildung
4. Funktionale Beratung
5. Familienfreizeit
5.1 Wochen(end)freizeiten
5.2 Freizeitangebote für Familien
6. Familienerholung
Schlusswort
Literatur
Vorwort
Zwischen Flensburg und München beobachten wir das gleiche Bild: Wenn Kinder süchtig werden oder Normen mißachten, Jugendliche revoltieren oder auf der Straße herumlungern, dann rufen Bürger und Politiker nach der dafür verantwortlichen Familie. Bei wachsendem Erwartungshorizont wird diese zugleich immer stärker belastet. Arbeitslosigkeit, Pendlerdasein und Schichtarbeit beeinflussen ihre Existenz ebenso wie Schulanforderungen, Medienbotschaften und Wirtschaftswerbung, die Umweltzerstörung und der Straßenverkehr. Kurz: Familien als Teil unserer Gesellschaft sind deren Einflüssen massiv ausgesetzt. Deshalb können wir nicht mehr von der "heilen" oder "intakten" Familie sprechen, da alle Familien mehr oder minder problembelastet sind. Dies ist ein Risikofaktor, vor dem sich Familien kaum abschirmen können. Er macht sie krisenanfällig und kann als Symptom einer krankmachenden Gesellschaft gelten.
Was heute "Familie" meint, läßt sich nicht mehr wie früher einfach mit "Vater, Mutter und Kinder" beschreiben. Ein Soziologe stellt hierzu fest: "Es ist nicht mehr klar, ob man heiratet, wann man heiratet, ob man zusammenlebt und nicht heiratet, heiratet und nicht zusammenlebt, ob man das Kind innerhalb oder außerhalb der Familie empfängt oder aufzieht, mit dem, mit dem man zusammenlebt, oder dem, den man liebt, der aber mit einer anderen zusammenlebt, vor oder nach der Karriere oder mittendrin" (Beck 1986, S. 164).
Die Familienformen sind heute außerordentlich vielfältig geworden, so daß der Begriff "Normalfamilie" ins Leere führt. Zunächst fällt beim Blick in die Bundesstatistik auf: Nur noch 40% aller Haushalte sind Familien, d.h. Eltern mit Kindern. 13,5% der Kinder haben alleinerziehende Eltern. Jedes zweite Kind (genau: 53%) hat weder Bruder noch Schwester - mit der Folge, daß ihre Kinder weder Onkel noch Tante haben werden. Stieffamilien, Pflege- und Adoptiveltern sowie sogenannte Familiengruppen im Heim bilden das Zuhause für Kinder und Jugendliche. Insgesamt wachsen 86,5% aller Kinder in Deutschland bei Ehepaaren auf (Mikrozensus 1992). Entscheidend für ihre Situation ist dabei weniger, ob die Eltern des Kindes verheiratet sind; vielmehr geht es um die Frage, ob Vater und Mutter gemeinsam leben oder das Kind allein durch einen Elternteil erzogen wird - das ist dann meist die Mutter.
Wie die Statistik zeigt, stehen seit den 70er Jahren sinkenden Eheschließungen wachsende Scheidungsziffern gegenüber. Im städtischen Ballungsraum wird jede zweite Ehe geschieden, im ländlichen Bereich jede vierte. Offensichtlich gilt die Ehe nicht mehr wie früher generell als lebenslange Gemeinschaft, die auch bei Problemen und Krisen zusammenhält. Obwohl jedes Kind zur vollen und harmonischen Entfaltung seiner Persönlichkeit einer Familie bedarf, "umgeben von Glück, Liebe und Verständnis" (UN-Kinderkonvention 1989; Präambel), ist die Wirklichkeit heute weit davon entfernt. Trennung und Scheidung stellen für eine erhebliche Anzahl von Kindern erlebte Realität dar; sie werden für einen Teil von ihnen zum Trauma, als schwere Hypothek für ihr Leben. Tendenziell wächst die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in sozial wechselhaften Verhältnissen leben. Ihre Wirklichkeit steht in krassem Widerspruch zur wünschenswerten Kontinuität beider Elternteile - mit emotionaler Bindung zum Kind und Einigkeit in Erziehungsfragen.
In vielen Familien ist heute eine zuverlässige physische, psychische und soziale Pflege der Kinder mit einem stabilen emotionalen Kontakt und umfassender Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse schon organisatorisch nicht sicher gewährleistet. Ein Kreisgesundheitsamt stellt fest: "Der Stellenwert der Erziehung von Kindern durch Familienangehörige wird gegenüber anderen Faktoren, die mit den Stichworten Selbstverwirklichung und Lebensqualität umschrieben werden, nachrangig gewichtet. Die Folgen für die Kinder sind weniger stabile Rahmenbedingungen, Inanspruchnahme als Partnerersatz, verfrühte Übertragung von zuviel Verantwortung, Erlernen egozentrischer Handlungs- und Durchsetzungsstrategien, erhöhte Gefährdung durch Mißhandlung und weniger Resistenz gegenüber Suchtgefahren. Fast die Hälfte der Kinder, für die Jugendhilfemaßnahmen erforderlich sind, stammen aus Familien mit zerbrochenen Ehen oder Partnerschaften...". Insgesamt stehen wir in der Gefahr, die "Selbstentfaltung der Eltern auf Kosten der Kinder" zu realisieren (Hurrelmann).
Jugend- und Familienpolitiker finden sich dennoch übereinstimmend in der Aussage des früheren Bundespräsidenten wieder: "Viele Familien sind nicht intakt, um so wichtiger ist es, bestehenden Mängeln abzuhelfen, nicht dagegen sie zum Anlaß zu nehmen, die Aufgaben der Familie mehr und mehr auf die Gesamtgesellschaft zu übertragen..." (von Weizsäcker 1981, S. 34). Auf einen knappen Nenner gebracht lassen sich die politischen Wertungen zusammenfassen in dem Satz: "Familie hat Zukunft".
Da die Familie unter dem "besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht" (Art. 6 GG), müssen die gesetzlichen Normen in konkrete Förderung und Unterstützung einmünden. Neben dem Familienlastenausgleich mit Kindergeld, Erziehungsurlaub und Erziehungsgeld zählen hierzu familiengerechte Wohnungen mit bezahlbarer Miete, ein preisgünstiges Nahverkehrsnetz und hinreichende Angebote zur Kinderbetreuung. Auch die Tarifpartner können dazu beitragen, das Familienleben zu erleichtern. Bei zahlreichen Problemen hat Familie aber nur dann Zukunft, wenn sie vorbeugend gestützt, gefördert und entlastet wird. Sonst zerfällt sie oder verkommt zur "Tankstelle", die nur noch wirtschaftliche Aufgaben für ihre Mitglieder wahrnimmt.
Das Sozialgesetzbuch VIII. Buch - KJHG - hat mit dem § 16 die Basis gelegt für eine Leistung der Jugendämter, die den Familien eine allgemeine Förderung zur Erziehung geben soll. Angesichts hoher Investitionskosten für Kindertageseinrichtungen und wachsender Pflegesätze für Kinder bzw. Jugendliche in der stationären Erziehungshilfe (Heime und besondere Wohnformen) stehen die Kommunen vielfach aber vor dem Dilemma, präventive Hilfen anbieten zu wollen, dies jedoch wegen ihrer Haushaltssituation nicht leisten zu können. Deshalb ist eine Konkretisierung der im KJHG geschaffenen Jugendhilfeleistung zur Förderung der Erziehung in der Familie sinnvoll und notwendig.
Eine solche konkrete Arbeitshilfe stellt diese Broschüre aus der Feder von Martin R. Textor dar. Der Verfasser gilt bundesweit als Experte für Familienfragen und ist durch zahlreiche Bücher und Beiträge in Fachzeitschriften hervorgetreten. Er stellt das Thema Familienförderung in einen umfassenden sozialwissenschaftlichen Zusammenhang, der psychologische, soziologische und pädagogische Aspekte umfaßt und auch die politischen und juristischen Bezüge einschließt. Der Autor entfaltet mit seinen Ausführungen ein breites Panorama möglicher und erprobter Hilfen, die Familien fördern und stützen können. Sie reichen von der Ehevorbereitung über Ehebildung bis zum Elterntraining und zu Hausbesuchen bei sogenannten Randgruppen, schließen auch Familienfreizeit und -beratung mit ein. Angesichts der Orientierung an familialer Realität ist es nur konsequent, daß Textor die Freizeitangebote von Vereinen und Verbänden ebenfalls berücksichtigt.
Nicht nur Jugendämter, sondern auch Wohlfahrtsverbände, Gruppen und Vereine, Ministerien und Tarifpartner können aus dieser Darstellung Anregungen schöpfen für ihr eigenes Handeln. So kann aus dem Lamentieren über die unzulängliche Familie eine konsequente Förderung entstehen und damit ein Klima erwachsen, in dem Familien leben lernen.
Münster, im Sommer 1996
Wolfgang Gernert
Einführung
In einer Zeit des rasanten gesellschaftlichen Wandels, der Pluralisierung der Lebensformen und der Individualisierung bieten tradierte Leitbilder, Normen und Werte kaum noch Orientierung für die Gestaltung von Paarbeziehungen und die Familienerziehung. Das Zusammenleben mit einem Partner und mit Kindern muß deshalb gelernt sowie eigenverantwortlich und individuell gestaltet werden. Diese zentrale Lebensaufgabe ist eine der größten Herausforderungen für den Menschen, von deren Bewältigung nicht nur sein Wohlbefinden abhängt, sondern letztlich auch die Zukunft unserer Gesellschaft. Die große Zahl von Erwachsenen, die als Single leben (wollen), die vielen Paare, die bereits in den ersten Ehejahren scheitern, der daraus resultierende hohe Anteil von Alleinerziehenden mit nur einem Kind, die Vielzahl von Ehen, in denen die Partner keine Kinder wollen oder durch das erste Kind bereits so überfordert sind, daß sie keine weiteren mehr haben wollen - all dies trägt zu dem der Bundesrepublik bevorstehenden Bevölkerungsrückgang und der noch problematischeren Alterung der Gesellschaft bei, die Deutschland stärker prägen und belasten werden als z.B. die Wiedervereinigung (siehe Textor in Druck b).
Hier rächt sich, daß das Zusammenleben mit einem Partner und die Familienerziehung zu den wenigen Lebensbereichen gehören, für die eine Vorbereitung oder gar Qualifikation weder als notwendig noch als erforderlich angesehen wird. Jedoch erschweren die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen zunehmend das Zusammenleben von Paaren, scheitert rund ein Drittel aller Ehen und ein eher noch höherer Prozentsatz nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Viele Partner bringen aus ihren Herkunftsfamilien nicht mehr die für eine erfolgreiche Ehe notwendigen Kommunikations- und Konfliktlösungsfertigkeiten, Persönlichkeitscharakteristika und Rollenkompetenzen mit - dafür aber problemerzeugende unbewußte Motivationen, unrealistische Einstellungen, zu hohe Erwartungen und Befürchtungen, die z.B. aus dem Erleben des Scheiterns der Ehe der eigenen Eltern (oder naher Verwandter und Freunde) resultieren. Oft besitzen Partner auch ungenutzte, verdeckte Stärken, die ein reicheres und erfüllteres Eheleben ermöglichen könnten.
In den letzten Jahrzehnten sind die Erwartungen an die Familienerziehung stark gestiegen: Zum einen nahmen und nehmen die Anforderungen seitens des Bildungssystems, der Arbeitswelt und der Gesellschaft immer mehr zu, die von Kindern, Jugendlichen bzw. Heranwachsenden Leistungen und Kompetenzen abverlangen, die zum Teil in der Familie oder nur mit deren Unterstützung erworben werden können. Dazu gehören u.a. Lern- und Leistungsmotivation, Anspruchsniveau, soziale und Kooperationsfähigkeiten, Sprachfertigkeiten, Selbstkontrolle und Anpassungsbereitschaft. (Schul-) Wissen und formale Qualifikationen (Zeugnisse) verlieren demgegenüber an Bedeutung, da Kenntnisse aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts immer schneller veralten. Zum anderen stellen die Eltern selbst höhere Erwartungen an die Erziehung, da die Kinder eine größere Rolle in ihrem emotionalen Leben als früher spielen. Sie sind bereit, sehr viel Zeit und Energie in ihre Kinder zu investieren und die hohen finanziellen Kosten zu tragen, die durch die verlängerten Schul- und Ausbildungszeiten mitbedingt werden. Sie möchten ihre Kinder zu eigenständigen, lebensfrohen und leistungsfähigen Persönlichkeiten erziehen.
Jedoch fällt es Eltern immer schwerer, in der Familienerziehung die eigenen sowie die von Schule und Gesellschaft an sie herangetragenen Erwartungen zu erfüllen. Ein wichtiger Grund hierfür ist, daß sie als Jugendliche, Heranwachsende bzw. junge Erwachsene immer seltener Erfahrungen mit (Klein-) Kindern sammeln konnten. Aufgrund des Vorherrschens der Kleinfamilie hatten die meisten daheim keine sehr viel kleineren Geschwister, die sie betreuen und beaufsichtigen mußten. Aber auch im weiteren Verwandten- und Freundeskreis gab es oft keine Gelegenheit, sich länger mit Kindern zu beschäftigen und den Umgang mit ihnen zu erlernen. Zu der mangelnden Erfahrung und dem aus zu hohen Erwartungen häufig resultierenden Gefühl der Überforderung kommt die Verunsicherung durch die Vielzahl von widersprüchlichen Erziehungszielen und -theorien, die durch die Medien, Freunde, Verwandte und Fachleute wie Erzieherinnen oder Psychologen an Eltern herangetragen werden. Außerdem fällt die früher vorhandene erzieherische Umwelt weitgehend aus: Beeinflussung der Kinder und Verhaltenskontrolle durch Nachbarn, Lehrer und andere Personen, zumeist entsprechend allgemein akzeptierter Normen und damit im Sinne der Eltern. Heutige "Miterzieher" wie Medien und Gleichaltrigengruppen wirken eher als Konkurrenten der Eltern, vermitteln andere Leitbilder, Verhaltensmodelle und Werte. Auch verbringen Kinder immer mehr Zeit in Institutionen wie Krippe, Kindergarten, Hort, Schule, Sportvereinen, Musikschulen usw., von denen ebenfalls starke und oftmals im Widerspruch zur Familienerziehung stehende Sozialisationswirkungen ausgehen.
Die Erziehung ist also zu einem "schwierigen Geschäft" geworden, an dem viele Eltern scheitern. Sie haben problematische Erziehungsstile entwickelt, verwenden keine wirksamen Erziehungspraktiken und wissen nicht, wie sie eine entwicklungsfördernde Umwelt für ihre Kinder gestalten oder deren emotionalen und psychischen Bedürfnisse befriedigen können. Anstatt problematische Verhaltensweisen ihrer Kinder effektiv anzugehen, reagieren sie mit Vermeidung, Resignation, Rückzug oder negativen Emotionen. So kommt es oft zur Herausbildung von Verhaltensauffälligkeiten, Erziehungsschwierigkeiten und mangelnder Leistungsbereitschaft.
Familienerziehung gelingt besonders häufig dann nicht, wenn zusätzlich starke bzw. lang andauernde Belastungen dazu kommen. Hierzu können z.B. mangelnde Zeit für Kinder aufgrund der (Voll-) Erwerbstätigkeit und des Selbstverwirklichungsstrebens beider Eltern gehören, aber auch Ehekonflikte, Trennung und Scheidung, Alleinerzieherschaft, das Vorhandensein von Stief- oder Pflegekindern, von behinderten Kindern bzw. Erwachsenen, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit, Armut, Suchtmittelmißbrauch oder Integrationsprobleme aufgrund ausländischer Herkunft. Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, daß insbesondere in Verbindung mit solchen Belastungen in vielen Familien die Erziehung mißlingt und ein beachtlicher Prozentsatz der Kinder verhaltensauffällig wird (siehe Textor 1993, S. 191-265). Die Erziehungsfähigkeit von Eltern hängt also zu einem großen Teil von der Gesamtsituation der Familie ab. Eine besondere Rolle spielt hier die Qualität der Ehebeziehung; die Ehepartner sind die "Architekten der Familie" (Virginia Satir).
Schon vor Jahrzehnten - obwohl früher die gerade skizzierten Probleme bei weitem noch nicht so brisant wie heute waren - führten vergleichbare Situationsanalysen zur Forderung nach Maßnahmen zur Ehevorbereitung, Ehe- und Familienbildung. Es wurde immer deutlicher, wie anspruchsvoll die Rollen des Ehepartners oder Elternteils sind, daß die Gestaltung der Ehebeziehung und die Familienerziehung nicht dem Lernen durch Versuch und Irrtum überlassen bleiben dürfen. In den letzten Jahrzehnten entstand deshalb eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen mit dem Ziel, Verlobten, jungen Paaren und Eltern relevante Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, um Ehe-, Familien- und Erziehungsproblemen vorzubeugen. Diese Angebote, die sich entweder mehr der Sozialpädagogik, der Erwachsenenbildung oder der Psychologie zurechnen lassen, werden neben den familienunterstützenden Maßnahmen der funktionalen Beratung, der Familienfreizeit und der Familienerholung im Mittelpunkt der vorliegenden Publikation stehen. Sie wurden erstmals im VIII. Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfegesetz) rechtlich geregelt. Damit wird der präventive Anspruch der Jugendhilfe durch die familienunterstützenden Angebote deutlich unterstrichen, wie sie beispielsweise von Jean d'Heur (1991) als Reflex aus Art. 6 Abs. 2 GG gefordert worden sind.
1. Rechtliche Grundlage
Zentrale Rechtsgrundlage für die in diesem Buch vorzustellenden Leistungen für Familien ist § 16 SGB VIII mit folgendem Wortlaut:
§ 16 Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie
(1) Müttern, Vätern, anderen Erziehungsberechtigten und jungen Menschen sollen Leistungen der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie angeboten werden. Sie sollen dazu beitragen, daß Mütter, Väter und andere Erziehungsberechtigte ihre Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen können.
(2) Leistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie sind insbesondere
1. Angebote der Familienbildung, die auf Bedürfnisse und Interessen sowie auf Erfahrungen von Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen eingehen, die Familie zur Mitarbeit in Erziehungseinrichtungen und in Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe besser befähigen sowie junge Menschen auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern vorbereiten,
2. Angebote der Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen,
3. Angebote der Familienfreizeit und der Familienerholung, insbesondere in belastenden Familiensituationen, die bei Bedarf die erzieherische Betreuung der Kinder einschließen.
(3) Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben regelt das Landesrecht.
Die ersten Worte von § 16 Abs. 1 SGB VIII verdeutlichen die anzusprechende Zielgruppe. Hierbei handelt es sich erstens um Mütter und Väter, wobei Väter nichtehelich geborener Kinder, aber auch Adoptivmütter und -väter eingeschlossen sind. Zweitens geht es um andere Erziehungsberechtigte, wobei mit diesem Begriff laut § 7 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII neben den Personensorgeberechtigten jede sonstige Person über 18 Jahren gemeint ist, "soweit sie aufgrund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt". Unter diesen Begriff fallen z.B. in der Regel nichteheliche Lebenspartner oder Stiefeltern. Damit wird der Lebenswirklichkeit mit der Vielzahl von Familienformen entsprochen. Drittens werden junge Menschen angesprochen, also Personen, die noch nicht 27 Jahre alt sind (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII). Hiermit sind Kinder, Jugendliche und Heranwachsende sowohl in ihren Rollen als Familienmitglieder gemeint als auch beispielsweise als eine separate Zielgruppe der Familienbildung, die auf Partnerschaft, Ehe und Familie vorbereitet werden sollen (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Auch ist zu folgern, daß sie die Angebote der Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII) ebenfalls nutzen können.
Dieser alle Eltern, alle anderen Erziehungsberechtigten und alle jungen Menschen umfassenden Zielgruppe "sollen Leistungen der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie angeboten werden". Dieses Angebot wird an keinerlei Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft (z.B. an einen erzieherischen Bedarf oder bestimmte Notsituationen) - eine in der Jugendhilfegesetzgebung neuartige Entwicklung. Hier wird deutlich, daß Familien generell in ihrer Funktion als Erziehungsinstanz gestärkt werden sollen - also unabhängig von der Familienform, der Schichtzugehörigkeit, dem Vorhandensein einer Problemlage usw. Unter "Familie" wird in der Jugendhilfe das Zusammenleben von Eltern, Elternteilen oder Stiefeltern mit ihren Kindern verstanden. Es ist gekennzeichnet durch Dauer bzw. lebenslange Bindung, Übernahme umfassender Verantwortung für Kinder und Unersetzbarkeit füreinander sowie die Bereitschaft, Alltagsprobleme primär selbst (in gegenseitiger Unterstützung) zu lösen (Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter 1996, S. 4). Laut § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sollen die Leistungen der allgemeinen Förderung der Familienerziehung dazu beitragen, daß Eltern und andere Erziehungsberechtigte "ihre Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen können". Da junge Menschen in Satz 1 separat als Teil der Zielgruppe angesprochen werden, muß man unter Hinzunahme von § 16 Abs. 2 SGB VIII folgern, daß sie ebenfalls generell auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern vorbereitet werden sollen und daß für sie generell das Angebot einer Beratung in allgemeinen Fragen ihrer Entwicklung gilt.
§ 16 Abs. 1 SGB VIII macht also deutlich, wie wichtig die Prävention im Kinder- und Jugendhilfegesetz genommen wird. Damit wird der in der Einführung skizzierten veränderten Situation von Familien und den gestiegenen inner- und außerfamilialen Erwartungen an die Erziehung durch die Eltern Rechnung getragen. Zugleich wird die der Familie als Sozialisationsinstanz und zentraler Teil der kindlichen Lebenswelt zugesprochene Bedeutung offensichtlich: Das Kindeswohl steht im systematischen Zusammenhang zum Wohl der Familie. So heißt es u.a. in § 1 SGB VIII:
§ 1 Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe
(1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
...
(3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere
1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern ...,
2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen, ...
Aus § 16 Abs. 1 SGB VIII geht hervor, daß es sich bei den Maßnahmen der allgemeinen Förderung der Familienerziehung um Soll-Leistungen handelt. "Das bedeutet, daß im Regelfall die Leistung zu erbringen ist und für den Fall der Ausnahme eine zwingende Begründung vorliegen muß, die sich aus der Natur der Sache ableitet. Finanzmangel z.B. ist kein atypischer Umstand (...). Beweispflichtig für den Ausnahmefall ist der öffentliche Träger (BVerwGE 56, 200 und 223; 64, 318 und 323)" (Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum KJHG, Münder et al. 1993, S. 151). Der geringere Verpflichtungsgrad von Soll-Vorschriften im Vergleich zu Muß-Bestimmungen wirkt sich aber gerade im Bereich präventiver Maßnahmen oftmals negativ aus, wie folgende Aussage verdeutlicht: "Die Bundesregierung hat noch einmal in ihrer Stellungnahme vom 15. Juni 1994 zum Bericht der Sachverständigenkommission für den Fünften Familienbericht ihre Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, daß die 'familienpolitische Bedeutung (der wichtigen präventiven und unterstützenden Aufgaben) in der Praxis der Jugendhilfe nicht überall erkannt' wird (BT-Drucksache 12/ 7560, S. XIII Fünfter Familienbericht 1994). Sie appelliert an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, entsprechende Angebote der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie (nach dem Zweiten Abschnitt des SGB VIII), wie sie insbesondere von Trägern der freien Jugendhilfe (aber auch von den Jugendämtern selbst) erbracht werden, auszubauen und die erforderlichen Mittel für diese wichtige 'Investition in die Zukunft unserer Kinder' bereitzustellen" (Senat von Berlin 1995, S. 55).
In § 16 Abs. 2 SGB VIII werden dann Leistungen zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie aufgelistet. Durch das Wort "insbesondere" wird verdeutlicht, daß die Aufzählung der in Nrn. 1 bis 3 genannten Maßnahmen nicht erschöpfend ist und durch andere Angebote erweitert werden kann. Im folgenden werden eher "klassische" Leistungen der Jugendhilfe angesprochen.
Mit § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII wird erstmals die Familienbildung bundeseinheitlich als Teil des Leistungskatalogs der Jugendhilfe rechtlich verankert. Sie soll "auf Bedürfnisse und Interessen sowie auf Erfahrungen von Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen eingehen". Damit wird erneut betont, daß alle Familien anzusprechen sind und dadurch der Pluralisierung der Familienformen, der Ausdifferenzierung der Lebenswelten und der Individualisierung Genüge getan werden soll. Das bedeutet zugleich, daß die Angebote der Familienbildung teilnehmerorientiert sein sollen, also die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jeweils anwesenden Familienmitglieder berücksichtigen müssen. Ferner soll Familienbildung "die Familie zur Mitarbeit in Erziehungseinrichtungen" befähigen. Bei den hier in Frage kommenden Angeboten müssen die von Kindertageseinrichtungen und Schulen ausgehenden Erziehungs- und Bildungseinflüsse, die Situation und Probleme der Kinder in diesen Institutionen und die von ihnen und ihren Eltern gesammelten Erfahrungen beachtet werden. Die Befähigung zur Mitarbeit setzt aber voraus, daß Kindertagesstätten und Schulen eine solche Mitarbeit von Familien - also Eltern und Kindern - überhaupt zulassen. So müssen die Teilnehmer/innen an relevanten Familienbildungsveranstaltungen nicht nur über ihre im SGB VIII (insbesondere § 22 Abs. 3), in Schulgesetzen und anderen landesrechtlichen Regelungen genannten Rechte informiert, zu deren Durchsetzung vor Ort motiviert und über ihren Bedürfnissen entsprechende Mitarbeitsformen unterrichtet werden, sondern es müssen unter Umständen von den politisch Verantwortlichen auch weitere oder umfassendere Mitarbeitsrechte eingefordert werden.
Ferner sollen Familien laut § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII durch Familienbildung besser zur Mitarbeit "in Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe" befähigt werden. Dies setzt voraus, daß die im Einzugsbereich des jeweiligen Anbieters von Familienbildung und die im weiteren Umkreis vorhandenen Selbsthilfegruppen, Elterninitiativen, Eltern-Kind-Gruppen, Angehörigengruppen und anderen Formen der Nachbarschaftshilfe bekannt sind. Die Familienbildung soll aber nicht nur über solche Angebote informieren oder diese vermitteln, sondern auch zur Mitarbeit befähigen. Das umfaßt die Vermittlung relevanter Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Einzelfall z.B. Bereiche wie Rechtsgrundlagen, Gruppendynamik oder Kommunikationsverhalten tangieren können.
Schließlich sollen junge Menschen durch Angebote der Familienbildung "auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern" vorbereitet werden. Da der Gesetzgeber hier den Begriff "junge Menschen" anstatt von "Jugendlichen" oder "jungen Volljährigen" wählte, muß davon ausgegangen werden, daß er alle Altersgruppen vom Kleinkind bis zum 26jährigen meint (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII). Für die erfolgreiche Ausgestaltung späterer Partner-, Ehegatten- und Elternrollen notwendige Kenntnisse, Kompetenzen, Einstellungen, Werte, Leitbilder usw. sollen also von jungen Menschen jeder Altersstufe mit Hilfe von Familienbildung erworben werden. Hierzu gehören z.B. soziale, kommunikative und Konfliktlösefertigkeiten, Haltungen gegenüber dem anderen Geschlecht, die Fähigkeit zu Intimität und ein entwicklungspsychologisches Grundwissen. Erste Grundlagen können schon im Kindergartenalter vermittelt werden.
Erziehungsprozesse sind ihrer Natur nach wertegebunden. Familienbildung ist daher durch eine Vielzahl von Trägern und vielfältige Inhalte, Methoden und Arbeitsformen gekennzeichnet (vgl. § 3 Abs. 1 SGB VIII), entspricht dem Subsidiaritätsprinzip durch das Vorherrschen von Trägern der freien Jugendhilfe (§ 4 Abs. 1, 2 SGB VIII) und gewährleistet durch ihre Vielfalt das Wunsch- und Wahlrecht von Erziehungsberechtigten und jungen Menschen (§ 5 SGB VIII). Zu den Anbietern gehören nicht nur Familienbildungsstätten, sondern z.B. auch Jugendämter, Erwachsenenbildungseinrichtungen, Kirchen, Mütterzentren, Selbsthilfegruppen und Kindertagesstätten. Die letztgenannten Anbieter werden beispielsweise im Landesgesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AGKJHG) von Rheinland-Pfalz in § 17 Abs. 5 Satz 2 direkt angesprochen: "Es gehört auch zu den Aufgaben von Kindertagesstätten, im Rahmen ihrer Zielsetzungen und Möglichkeiten Familienbildung zu leisten und selbstorganisierte Familienbildungsarbeit zu unterstützen". Das hier liegende Potential ist jedoch erst ansatzweise erkannt und aktiviert worden (vgl. Abschnitt 3.3).
Die große Bedeutung von Volkshochschulen, Bildungswerken und anderen Erwachsenenbildungseinrichtungen als Anbieter von Familienbildung sowie die Tatsache, daß in einzelnen Bundesländern Familienbildung zum Teil in Erwachsenenbildungsgesetzen geregelt wird, verdeutlichen eine gewisse Überschneidung von Jugendhilfe (Zuständigkeit des Bundes nach Art. 74 Nr. 7 GG) und Bildungswesen (Zuständigkeit der Länder) in diesem Bereich. Dem entsprechen auf Länderebene Zuständigkeitskonflikte zwischen Kultusministerien (Familienbildung als Teil der Erwachsenenbildung), Sozialministerien (Familienbildung als Teil der Jugendhilfe) und - falls vorhanden - Frauenministerien (Familienbildung als Frauenbildung; die weitaus meisten Teilnehmer an Familienbildungsangeboten sind weiblich). Obwohl sich viele Familienbildungsangebote durchaus dem einen oder dem anderen Bereich zuordnen ließen (z.B. würden Seminare für ältere Paare ohne Kinder oder für Eltern mit erwachsenen Kindern, berufsbezogene Kurse zur Wiedereingliederung von Müttern in die Arbeitswelt oder kulturelle Angebote in den Bereich der Erwachsenenbildung fallen), werden sie in der (Förder-) Praxis nicht auseinanderdividiert. Es ist aber festzuhalten, daß Familienbildungsangebote nur dann der Jugendhilfe zugeordnet werden können, wenn sie zumindest indirekt den Intentionen von §§ 1 und 16 SGB VIII genügen (vgl. Stolleis 1978).
In § 16 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII werden als weitere Leistung zur Förderung der Erziehung in der Familie "Angebote der Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen" genannt. Diese unspezifizierte präventive Leistung bezieht nicht nur Eltern, alle anderen Erziehungsberechtigten und die jungen Menschen als Leistungsberechtigte ein, sondern auch alle Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe als Leistungserbringer. Ergänzend erläutert z.B. § 19 Abs. 2 Landesgesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AGKJHG) von Rheinland-Pfalz: "Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen kann auch im Zusammenhang mit anderen Angeboten der Jugendhilfe, zum Beispiel in Kindertagesstätten und in Bildungs- und Erholungseinrichtungen, geleistet oder vermittelt werden. Die Beratungsdienste sollen durch die Zusammenarbeit mit diesen Stellen die Erweiterung des Beratungsangebots unterstützen." Die Kooperation mit der institutionellen Beratung kann auch zur Qualifizierung funktionaler Beratung beitragen.
Die in § 16 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII angesprochene allgemeine Form der Beratung darf also nicht Beratungsstellen zugeordnet werden (obwohl diese sie auch leisten können), sondern muß als Teil des fachlich-sozialpädagogischen Handelns aller Jugendhilfeeinrichtungen verstanden werden. Sie ist somit von Erziehungsberatung nach § 28 SGB VIII abzugrenzen, die von Beratungsdiensten zu leisten ist und der Bewältigung von individuellen und familienbezogenen Problemen oder Belastungssituationen wie Trennung und Scheidung dient, die als Hilfe zur Erziehung (§ 27 SGB VIII) einen erzieherischen Bedarf bzw. eine Kindeswohlgefährdung voraussetzt und auf die damit ein Rechtsanspruch besteht. Sie ist gleichfalls von Jugendberatung im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 6 SGB VIII abzugrenzen, die ein Schwerpunkt der Jugendarbeit ist und Eltern in der Regel nicht einbezieht. Beratung im Sinne des § 16 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII ist vielmehr eine unbestimmte Pflichtleistung, die normalerweise in situativer Angebotsform erbracht wird. Sie dient der Stärkung der Familie als Erziehungsinstanz und umfaßt somit z.B. die Vermittlung gewünschter oder relevanter entwicklungspsychologischer und pädagogischer Kenntnisse, die Beeinflussung erzieherischer Haltungen, die Lösung einfacher Erziehungsprobleme und die Klärung von Fragen bezüglich der Entwicklung junger Erwachsener, die von diesen bzw. ihren Eltern gestellt werden. Auch die funktionale Beratung hat fachlichen Anforderungen zu genügen; die Fachkräfte der Jugendhilfe müssen laut § 72 SGB VIII hierfür ausgebildet und weiterqualifiziert werden.
In § 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII werden als weitere Leistungen zur Förderung der Familienerziehung "Angebote der Familienfreizeit und der Familienerholung" genannt. Mit Familienfreizeit sind eher kurzfristige Maßnahmen gemeint, an denen zumeist alle Familienmitglieder teilnehmen und die jeweils mehrere Familien einbeziehen. Sie dienen der reinen Rekreation, der körperlichen Betätigung, dem Spiel, der Pflege von Hobbys oder der Durchführung anderer Freizeitaktivitäten im Kreise Gleichgesinnter. Im Gegensatz hierzu werden mit Familienerholung längerfristige Maßnahmen bezeichnet, die zumeist in Feriengebieten erfolgen und es Familien ermöglichen, zusammen mit anderen Familien einen eher preisgünstigen Urlaub in einer kinderfreundlichen Umgebung zu verbringen. Hier können die Familien in der Regel selbst über ihre Zeit bestimmen, den Tagesablauf festlegen und dabei entsprechend ihrer Bedürfnisse Aktivität und Ruhe, Spiel und Gespräch mit anderen mischen. Sie steuern, ob und inwieweit sie etwas gemeinsam mit anderen Familien unternehmen wollen. Die Teilnahme an den vom Veranstalter durchgeführten Freizeitprogrammen, die manchmal auch Bildungs- und Beratungsangebote umfassen, ist in der Regel freiwillig. Anbieter von Maßnahmen der Familienfreizeit bzw. -erholung sind zumeist freie Träger der Jugendhilfe, aber auch Kirchen, Jugendämter und Vereine. Die Pluralität der Veranstalter entspricht dem Subsidiaritätsprinzip und gewährleistet das Wunsch- und Wahlrecht der Familien (§§ 4, 5 SGB VIII).
Laut § 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII sollen Angebote der Familienfreizeit oder der Familienerholung "insbesondere in belastenden Familiensituationen" erfolgen. Damit sind alle denkbaren Belastungen gemeint, z.B. Trennung, Scheidung, Alleinerzieherschaft, Arbeitslosigkeit, Armut oder Betreuung eines behinderten Kindes. Das Wort "insbesondere" verdeutlicht aber, daß das Angebot von Familienfreizeit und -erholung nicht auf solche Fälle beschränkt werden darf. Ferner wird im Gesetzestext festgelegt, daß diese Maßnahmen "bei Bedarf die erzieherische Betreuung der Kinder einschließen" kann. Damit soll Eltern, insbesondere in belastenden Familiensituationen, die Möglichkeit geboten werden, sich zu erholen und zu entspannen, ohne Betreuungsaufgaben wahrnehmen zu müssen. Das Angebot kann aber auch dann erfolgen, wenn Eltern an Kursen, Gesprächskreisen oder Seminaren teilnehmen wollen, die vom Träger der Familienfreizeit oder Erholungsmaßnahme durchgeführt werden. Die Wortwahl "erzieherische Betreuung" seitens des Gesetzgebers verdeutlicht, daß das Kindeswohl zu gewährleisten und die Entwicklung der Kinder von den Betreuer/innen zu fördern ist.
Maßnahmen der Familienerholung müssen von der Kinder- und Jugenderholung nach § 11 Abs. 3 Nr. 5 SGB VIII abgegrenzt werden, die Schwerpunkte der Jugendarbeit sind und Eltern nicht einbeziehen. Ferner sind sie von Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge wie Müttergenesung oder Mutter-Kind-Kuren zu unterscheiden, die ärztlich verordnet sind und deren Kosten größtenteils von Krankenkassen, der Rentenversicherung oder eines sonstigen Sozialleistungsträgers abgedeckt werden. Hier kommt zu den familiären Belastungen in der Regel eine Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Gesundheitszustandes hinzu, die medizinische und psychologische Maßnahmen notwendig machen.
Laut § 16 Abs. 3 SGB VIII sollen "Inhalt und Umfang" der Leistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie durch die Länder geregelt werden. Dieser Landesrechtsvorbehalt ermöglicht es den Bundesländern, Vorschriften zur Organisation, personellen Ausstattung und finanziellen Förderung der Maßnahmen zu erlassen und die konkreten Rechtsverpflichtungen der öffentlichen Träger der Jugendhilfe festzulegen. Dies ist aber noch nicht in allen Ländern und für alle angesprochenen Leistungen erfolgt.
Verwaltungsvorschriften von Länderministerien zur Familienbildung regeln zumeist deren Ziele und Inhalte, Voraussetzungen und Umfang der Förderung, Antragstellung und Abrechnungsmodalitäten. Die Förderung erfolgt nach ganz unterschiedlichen Regelungen, insbesondere nach Landesgesetzen zur Erwachsenen- und Weiterbildung sowie ergänzenden Vorschriften zur Förderung bestimmter Angebote und Personenkreise. Sie orientiert sich dementsprechend zumeist an Kriterien für Kursangebote der Erwachsenenbildung, also z.B. Teilnehmerdoppelstunden. Dadurch wird aber die besondere Situation der Familienbildung wie eher kleine Gruppen bzw. Gesprächskreise oder die Notwendigkeit einer Kinderbetreuung zu wenig berücksichtigt. Neuartige Angebote wie offene Treffpunkte oder zielgruppenspezifische Arbeit (siehe Abschnitt 3.1) werden oft nicht gefördert. Auch ist die Landesförderung vielfach auf Erwachsenenbildungseinrichtungen wie Volkshochschulen und Bildungswerke sowie Familienbildungsstätten beschränkt; Angebote der Familienselbsthilfe, von Kindertageseinrichtungen und Jugendämtern sowie besondere Programme (siehe Abschnitte 3.3 bis 3.7) bleiben unberücksichtigt.
Die Verwaltungsvorschriften der Landesministerien für Familienerholung - nur in einigen wenigen Bundesländern wie Thüringen oder Hamburg gibt es Richtlinien für Familienfreizeit - regeln Zweck und Art zuschußfähiger Maßnahmen, den berechtigten Personenkreis, Art und Höhe der Zuschüsse, Antragstellung, Zahlung und Abrechnung sowie den Verwendungsnachweis. Die Regelungen für Individualzuschüsse sind von Bundesland zu Bundesland höchst unterschiedlich. Dies betrifft z.B. die Höhe der Einkommensgrenzen und der Zuschüsse, die entweder für alle Familienmitglieder oder nur für die Kinder gezahlt werden, die Mindest- (sieben Tage, 14 Tage) oder Höchstdauer (12 Tage, 21 Tage) der Maßnahme, das Antragsverfahren und die zuständigen Stellen. Manche Länder wie z.B. Rheinland-Pfalz fördern neben Aufenthalten in Familienferienstätten auch solche auf Bauern- und Winzerhöfen, andere wie Hamburg sogar Aufenthalte auf Campingplätzen. Einige Länder staffeln die Zuschüsse nach Zahl der Kinder, bezuschussen Alleinerziehende, Sozialhilfeempfänger oder behinderte Kinder mit höheren Beträgen, leisten zusätzliche Reisekostenzuschüsse oder fördern Referent/innen und sozialpädagogische Betreuer/innen separat. Die Bezuschussung erfolgt in der Regel nach Maßgabe vorhandener Haushaltsmittel. Das bedeutet, daß vielfach berechtigte Familien keine Zuschüsse erhalten, weil die Landesmittel bereits verbraucht sind. Zu der durch unterschiedliche Länderrichtlinien bedingten Ungerechtigkeit kommt somit noch die Ungleichbehandlung von Familien in einzelnen Ländern, bedingt durch fehlende Rechtsansprüche. Die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse - immerhin ein Verfassungsgebot (Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG) - ist somit eine noch zu realisierende Zielperspektive.
Der Bau, der Ausbau und die Renovierung von Familienferienstätten werden zusätzlich gefördert: "Investitionszuschüsse werden gemeinnützigen Trägern von Familienferienstätten durch den Bund und die Länder gewährt; diese tragen bei bewilligten Baumaßnahmen in der Regel je ein Drittel der Investitionskosten; das verbleibende Drittel sind Eigenmittel des jeweiligen Trägers. Auf diese Weise werden bereits die Grundkosten des laufenden Betriebs ermäßigt, da der Aufenthaltspreis für die Familien nur begrenzt Investitionskosten einbeziehen muß. Zuschüsse zu den laufenden Betriebskosten werden nicht gewährt; eine Ausnahme bilden zum Teil Zuschüsse für die pädagogische Betreuung" (Jans 1992, S. 93).
Die Anbieter von Maßnahmen zur allgemeinen Förderung der Familienerziehung können nach § 90 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII auch Teilnahmebeiträge oder Gebühren zur Deckung ihrer Kosten erheben. Diese können nach Abs. 2 "auf Antrag ganz oder teilweise erlassen oder vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen werden, wenn 1. die Belastung a) dem Kind oder dem Jugendlichen und seinen Eltern oder b) dem jungen Volljährigen nicht zuzumuten ist und 2. die Förderung für die Entwicklung des jungen Menschen erforderlich ist". Auch können z.B. die Kirchen Einrichtungen und Angebote der Familienbildung und -erholung bezuschussen.
Eine besondere Rolle spielen in diesem Kontext die Kreis- und Stadtjugendämter bzw. Landkreise und kreisfreien Städte, die neben den überörtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung für die Jugendhilfe haben (§ 79 Abs. 1 SGB VIII) sowie die freie Jugendhilfe fördern sollen (§ 74 SGB VIII), die - wie erwähnt - die meisten Leistungen nach § 16 SGB VIII anbietet. Ferner sollen sie "die verschiedenen Formen der Selbsthilfe stärken" (§ 4 Abs. 3 SGB VIII), die ebenfalls derartige Angebote machen. Art und Höhe der Förderung sind je nach Träger der öffentlichen Jugendhilfe unterschiedlich. So werden z.B. Individualzuschüsse geleistet, Teilnahmebeiträge entsprechend § 90 Abs. 2 SGB VIII übernommen, Betriebs- und Personalkosten der Maßnahmeträger bezuschußt und Kinderbetreuungskosten erstattet, aber z.B. auch Räume kostenlos zur Verfügung gestellt. Da alle Maßnahmen nach § 16 SGB VIII Soll-Leistungen sind, auf die kein subjektiv-öffentlicher Rechtsanspruch - wie etwa auf einen Kindergartenplatz oder auf erzieherische Hilfen nach §§ 27 ff. SGB VIII - besteht, hängt die Höhe der Förderung sehr stark von den verfügbaren Haushaltsmitteln ab, über die der Träger "nach pflichtgemäßem Ermessen" entscheidet (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Damit ist dieser Bereich bei der derzeitigen Kassenlage der örtlichen und überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe stark durch Einsparungen bedroht oder von ihnen bereits betroffen - zumal der Handlungsdruck für die Kommunalpolitik vor allem aus dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und aus den Kosten durch stationäre Erziehungshilfen (Fremdplazierung) resultiert. Damit besteht eine Diskrepanz zwischen dem behaupteten hohen Stellenwert der in § 16 SGB VIII genannten präventiven Leistungen und ihrem geringen Anspruchsgehalt bzw. der Höhe ihrer Förderung.
Im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe auch gewährleisten, daß die zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch VIII. Buch "erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen" (§ 79 Abs. 2 SGB VIII), wozu auch die Leistungen nach § 16 SGB VIII gehören. Durch Jugendhilfeplanung müssen sie den Bedarf an solchen Einrichtungen und Diensten ermitteln und die zu dessen Befriedigung notwendigen Maßnahmen treffen (§ 80 Abs. 1 SGB VIII). In allen Phasen der Jugendhilfeplanung haben sie die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe frühzeitig zu beteiligen (§ 80 Abs. 3 SGB VIII). Betreiben diese geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen - durch die z.B. der Bedarf an Leistungen nach § 16 SGB VIII abgedeckt wird - oder können sie solche rechtzeitig schaffen, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen (§ 4 Abs. 2 SGB VIII). Generell soll sie die Tätigkeit freier Träger auf diesem Gebiet anregen (§ 74 Abs. 1 SGB VIII).
In Anlehnung an Schaefer (1992) ist jedoch festzustellen, daß in den Jugendhilfeplanungen der Kommunen die Familienbildung und andere Leistungen zur allgemeinen Förderung der Familienerziehung kaum berücksichtigt werden. Auch sind die Träger entsprechender Maßnahmen nur selten in den Jugendhilfeausschüssen vertreten. Schließlich wird von der Möglichkeit der Bildung von Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII kaum Gebrauch gemacht, in denen Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe - unter Umständen gemeinsam mit Vertreter/innen von Kindertageseinrichtungen, Schulen, Elternbeiräten, Gesundheitsämtern, Beratungsstellen, Behindertenverbänden usw. - Maßnahmen nach § 16 SGB VIII planen, weiterentwickeln und aufeinander abstimmen können. Hier wird die Diskrepanz zwischen dem proklamierten Stellenwert präventiver Angebote und der Jugendhilfepraxis erneut deutlich.
2. Orientierungsmaßstäbe
Anbieter von präventiven Leistungen nach § 16 SGB VIII orientieren sich an mehr oder minder bewußten Leitbildern. Dies kann z.B. ein christliches Familienbild sein, wie es vor allem von der Katholischen Kirche und ihr nahestehenden Verbänden vertreten wird. Ferner kann es sich um traditionelle bürgerliche oder sozialistische Familienbilder handeln. Diese Leitbilder wurden an anderer Stelle ausführlich beschrieben (siehe Textor 1993, S. 50-63). Bei solchen Vorstellungen ist zu hinterfragen, inwieweit sie der heutigen Familienrealität, der Pluralisierung der Familienformen und der Vielzahl von Lebenslagen genügen, inwieweit sie wissenschaftlich fundiert sind und ob sie der jeweiligen Klientel entsprechen.
Von großer Bedeutung ist ferner, daß Anbieter von Maßnahmen zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie die Familienerziehung nicht isoliert sehen. Inzwischen gibt es eine Unmenge wissenschaftlicher Forschungsergebnisse und sozialpädagogischer Erfahrungen, die belegen, daß die Entwicklung junger Menschen nicht nur vom Erziehungsverhalten ihrer Eltern abhängt, sondern auch von einer Vielzahl anderer individueller, familialer und außerfamilialer Faktoren. Derartige Variablen prägen zudem gleichzeitig die Familienerziehung.
Die Maßnahmeträgern sollten also viele Faktoren berücksichtigen: Von großer Bedeutung sind Persönlichkeits- und andere individuelle Charakteristika der Familienmitglieder. Bewußte und unbewußte Eigenschaften, Motive und Bedürfnisse, Einstellungen, Selbstbild, kognitive Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung oder Problemlösung, psychische Befindlichkeit und Lerngeschichte der Eltern prägen nicht nur ihr Erziehungsverhalten, sondern machen sie auch zu eher positiven oder eher negativen Vorbildern. Ferner bestimmen sie die Ehe- sowie die Eltern-Kind-Beziehung und das Familienklima mit. Psychische Störungen, Suchtmittelmißbrauch u.ä. können sich auf die kindliche Entwicklung pathogen auswirken. Persönlichkeits- und andere individuelle Charakteristika auf seiten der Kinder können diese vor negativen Erziehungseinflüssen schützen ("protektive Faktoren"). Familienerziehung und kindliche Entwicklung werden ferner durch das Kommunikationsverhalten und die darin zum Ausdruck kommenden Interaktionsmuster, Regeln und Beziehungsdefinitionen geprägt. Negativ können sich z.B. häufige inkongruente Botschaften der Eltern auswirken. Können die Ehepartner ihre Konflikte nicht lösen, lernen ihre Kinder nicht die hierzu notwendigen Fertigkeiten, werden sie zudem oft in problematische Rollen wie die des Schiedsrichters, Verbündeten oder Sündenbocks gezwängt. Außerdem ist von Bedeutung, wie die Erwachsenen ihre Ehe-, Eltern- und Geschlechtsrollen definieren (Modellwirkung) und wie sie das Verhältnis der Geschlechter in der innerfamilialen Hierarchie und Arbeitsteilung bestimmen. Die Erfüllung der Erziehungsfunktion der Familie wird auch dadurch beeinträchtigt, wenn andere Familienfunktionen - Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, Haushaltsführung, Regeneration, Freizeitgestaltung, Schutz, wechselseitige Unterstützung und Entlastung, Spannungsausgleich, Sinngebung usw. - nicht oder nur zum Teil erfüllt werden. Schließlich wirken sich Charakteristika des Familiensystems (z.B. Grad der Offenheit innerer und äußerer Grenzen), Einflüsse aus der erweiterten Familie, dem Freundeskreis oder der Arbeitswelt, besondere Belastungen (chronische Krankheit, Behinderung, Arbeitslosigkeit, Trennung usw.) sowie die jeweils erreichten Phasen der individuellen Lebenszyklen und des Familienzyklus mit ihren Entwicklungsaufgaben und Transitionen auf die Familienerziehung aus.
All dies muß von den Anbietern von Maßnahmen nach § 16 SGB VIII beachtet werden - aber auch, daß die Entwicklung junger Menschen in großem und eher noch zunehmendem Maße von Kindertagesstätten, Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen, Medien, Gleichaltrigengruppen usw. beeinflußt wird (siehe Abbildung 1). Sie müssen nicht nur wissen, wie eine "gute" Familienerziehung auszusehen hat, sondern auch was entwicklungsfördernde Charakteristika in den anderen genannten Bereichen sind. Insbesondere müssen sie wissen, was eine "gesunde" Familie ist. Dadurch erhalten sie wichtige Orientierungsmaßstäbe für ihre Arbeit.
2.1 "Gesunde" Familien
Um es gleich vorwegzunehmen: Auch in "guten" Familien gibt es Probleme, Konflikte, Krisen und Belastungen. Aufgrund ihrer Eigenschaften gelingt es ihnen aber, diese zu erkennen, aktiv anzugehen und in der Regel auch zu meistern. Sie bieten ihren Mitgliedern, insbesondere den Kindern, einen entwicklungsfördernden Kontext, in dem sich diese glücklich und zufrieden fühlen. Dieser Lebenskontext stellt sich nicht von selbst ein, sondern muß erst in "harter Arbeit" geschaffen und dann aufrechterhalten werden. Er läßt sich nicht mit einigen Begriffen charakterisieren, sondern beruht auf dem komplexen und im jeweiligen Fall einzigartigen Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren. Leider beschäftigen sich die Sozialwissenschaften überwiegend mit gestörten bzw. belasteten Familien, so daß kaum Forschungsergebnisse über "gesunde" Familien vorliegen. Außerdem dürfte es eine Vielzahl erfolgreicher "Modelle" geben. So können im folgenden nur einige allgemeine Aussagen gemacht werden, die auf Überblicksartikeln zu relevanten Forschungsergebnissen und Erkenntnissen von Familienberatern beruhen (z.B. Duncan/ Brown 1992; Fine/ Henry 1989; Hansen 1981; Stinnett/ DeFrain 1989; Textor 1985, 1989). Sie gelten in erster Linie für "Normalfamilien" (Vater, Mutter und leibliche Kinder), lassen sich aber größtenteils auch auf andere Familienformen wie Adoptiv- und Pflegefamilien, Stieffamilien usw. übertragen.
In "guten" Familien haben die Ehepartner alle bisherigen Phasen ihrer Entwicklung erfolgreich durchlaufen und sich von ihren Eltern gelöst. Sie sind psychisch gesund, reif und mündig, haben ein positives Selbstbild, verfügen über gute Fähigkeiten der (Selbst-) Wahrnehmung und Informationsverarbeitung, können Probleme und Konflikte lösen. Die Ehebeziehung, der oft eine größere Bedeutung als der Eltern-Kind-Beziehung zugesprochen wird und in die vielfach mehr Zeit und Energie investiert werden, ist dialoghaft, durch intensive Gefühle wie Liebe und Zuneigung gekennzeichnet und sexuell befriedigend. Sie läßt eine positive Weiterentwicklung des einzelnen und einen fortwährenden Wechsel zwischen Intimität/ Vereinigung und Selbstdifferenzierung/ Individuation zu. Die Privatsphäre und das Bedürfnis des Partners, auch Zeit für sich alleine bzw. für separate Aktivitäten zu haben, werden akzeptiert. Seine Einzigartigkeit und Entscheidungsfreiheit werden toleriert, sein Wohlbefinden und Selbstverwirklichungsstreben gefördert. Das Verhältnis von Geben und Nehmen, von Beziehungskosten und -gewinn ist ausgeglichen. Jeder Partner hat das Gefühl, daß er von der Ehe profitiert.
Die Familienmitglieder verbringen überdurchschnittlich viel Zeit miteinander, insbesondere mit Gesprächen und gemeinsamen Aktivitäten. Beruf, Hausarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit usw. folgen erst an zweiter Stelle. Das Kommunikationsverhalten ist durch direkte, klare und kongruente Botschaften gekennzeichnet. Die Familienmitglieder halten Blickkontakt, verwenden eine passende Gestik und Mimik. Sie können zuhören, fragen nach, geben Feedback, lassen Metakommunikation zu, zeigen Empathie und Verständnis. Sie sind an den Gedanken und Gefühlen der anderen interessiert, die offen, spontan und authentisch geäußert werden (kein Gedankenlesen oder Sprechen für andere). Unterschiedliche Wahrnehmungen, Meinungen und Einstellungen werden akzeptiert und als Bereicherung erlebt. Das Kommunikationsverhalten ermöglicht sowohl Nähe als auch Selbstabgrenzung. Es erleichtert die Anpassung an veränderte Gegebenheiten (Flexibilität), die Entscheidungsfindung, das Lösen von Konflikten und das Eingehen von Kompromissen. Probleme werden sofort angegangen, eventuell in kleinere, leichter lösbare Probleme "zerlegt" und mit Hilfe von Problemlösungstechniken, kreativen Fähigkeiten, (gesuchter) Unterstützung durch Dritte usw. bewältigt. Es wird akzeptiert, daß manche Schwierigkeiten nicht sofort gemeistert werden können oder daß bei starken negativen Emotionen das Ausdiskutieren von Konflikten verschoben wird. In Krisensituationen rücken die Familienmitglieder enger zusammen.
Die Familienbeziehungen sind durch intensive positive Gefühle gekennzeichnet. Die Mitglieder akzeptieren einander so, wie sie sind, und genießen einander Gesellschaft. Sie bekräftigen erwünschte Verhaltensweisen der anderen. So werden viele positive Verstärker ausgetauscht, wobei jede Person etwa gleich viele erhält (Reziprozität). Die Weiterentwicklung eines jeden Individuums wird gefördert, da erkannt wurde, daß die Stärke der Familie auf der Stärke ihrer Mitglieder beruht. Diese haben klare und vernünftige, verbalisierte oder auch nichtbewußte Regeln für ihr Zusammenleben aufgestellt, die eine große Bandbreite von Verhaltensweisen zulassen und konsequent befolgt werden. Oft spielen (religiöse) Werte eine große Rolle, die den Familienmitgliedern Lebenssinn geben und sie zusätzlich miteinander verbinden. Familienzusammenhalt und -loyalität sind stark ausgeprägt; die Bedeutung der Familie für das Wohlbefinden des einzelnen ist bewußt. Die Mitglieder sind stolz auf ihre Familie und schauen optimistisch in die Zukunft.
Das Familiensystem ist offen und anpassungsfähig. Die inneren und äußeren Grenzen sind klar und durchlässig. Es gibt keine starre Hierarchie oder Arbeitsteilung; vielmehr werden jeweils die Art der Aufgabe, die gegebene Situation sowie das Alter und die Fähigkeiten des einzelnen berücksichtigt. Allen Familienmitgliedern ist jedoch bewußt, daß das Ehesubsystem die Leitung und letzte Entscheidungsbefugnis inne hat. Die Familienrollen sind klar und eindeutig definiert, entsprechen den Bedürfnissen und der Individualität des einzelnen, lassen Variationen und adaptive Veränderungen zu. Aufgaben, Rechte und Pflichten sind gerecht verteilt. Die Familienfunktionen werden erfüllt - z.B. ist die Haushaltsführung ordentlich, ist die Ernährung gesund, wird das Familieneinkommen sinnvoll verwendet (keine Überschuldung), wird am Kulturleben partizipiert, sind die Freizeitaktivitäten befriedigend, abwechslungsreich und entspannend.
In einem derartigen Familienkontext verläuft die Entwicklung junger Menschen eher positiv. Insbesondere darf die starke Modellwirkung, die von der Person der Eltern und der Art der Gestaltung des Zusammenlebens ausgeht, nicht unterschätzt werden. Dies gilt übrigens auch in bezug auf die Vorbereitung junger Menschen auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) - die beste Vorbereitung bietet das Aufwachsen in einer guten und harmonischen Familie.
In einer "gesunden" Familie erfüllen die Eltern ihre Erziehungsfunktion auf vorbildliche Weise. Sie verwenden in der Regel einen authoritativen Erziehungsstil, bei dem die Eltern in Kontrolle sind, den Kindern aber altersgemäße Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden. Wünsche, Verbote und Regeln werden begründet und sind einsichtig. Die Eltern sind an ihren Kindern sehr interessiert und haben fast immer Zeit für sie. Sie befriedigen deren Bedürfnisse auf angemessene Weise, fördern ihre kognitive, emotionale, motorische, soziale und Persönlichkeitsentwicklung, respektieren ihre Individualität und Selbstverwirklichungsbestrebungen. Die Eltern führen ihre Kinder in Gesellschaft und Kultur ein (Sozialisations- und Enkulturationsfunktionen der Familie), erziehen zur Kritikfähigkeit und zu einem demokratischen Verhalten. Sie richten hohe Erwartungen an ihre Kinder, die deren Entwicklung stimulieren, aber nicht unrealistisch sind. Zugleich bieten sie eine angemessene Anleitung und Unterstützung. Erfolge und besondere Leistungen der Kinder treffen auf Anerkennung, Mißerfolge auf Verständnis.
Die "gesunde" Familie hat positive Beziehungen zu den Herkunftsfamilien, die sich in häufigen Telefonaten und Besuchen, wechselseitiger Unterstützung und Gefühlsbindungen zeigt. Eine Einmischung der Großeltern in das Familienleben wird aber nicht zugelassen. Auch die Netzwerkkontakte (zu anderen Verwandten, Freunden, Bekannten, professionellen und nichtprofessionellen Helfern usw.) sind positiv. Sie bewähren sich in belastenden Situationen und Krisen, in denen die Familie viel Hilfe und Zuspruch erfährt.
Die allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie nach § 16 SGB VIII kann sich also nicht auf die Vermittlung von pädagogischem Wissen, Erziehungstechniken oder psychologischen Kenntnissen über die Entwicklung junger Menschen beschränken. Vielmehr muß sie die ganze Vielzahl der genannten Faktoren und ihr kompliziertes Zusammenspiel berücksichtigen und in der skizzierten Richtung beeinflussen - selbst wenn das beschriebene Idealbild sicher nur in Einzelfällen annähernd erreicht werden kann. Bei den Maßnahmen müssen außerdem die individuellen Bedürfnisse und Interessen sowie die jeweilige Lebenslage der Klienten berücksichtigt werden. So zeigt sich, daß der Sammelbegriff "allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie" für die in § 16 SGB VIII genannten Leistungen viel zu kurz greift. Der im Jugendhilfebereich weit verbreitete Terminus "Familienarbeit" wäre sinnvoller gewesen (vgl. Siebter Jugendbericht von 1986). Er wird - ähnlich wie der Begriff "Familienbildung" - eher der ganzen Komplexität der Familien- und Erziehungsrealität gerecht, der ein genauso vielfältiges Angebot unterstützender Maßnahmen im Sinne des § 16 SGB VIII gegenüberstehen müßte.
2.2 Familienzyklus
Neben den (trägerspezifischen) Familienbildern, den Erkenntnissen über "gesunde" Familien sowie natürlich auch den subjektiven Haltungen, Vorstellungen und Erfahrungen der jeweiligen Jugendhilfefachkraft ist der Familienzyklus ein Orientierungsmaßstab für Maßnahmen nach § 16 SGB VIII. Dieser verdeutlicht, mit welchen Aufgaben und unvermeidbaren Schwierigkeiten Familien in der jeweiligen Entwicklungsphase konfrontiert werden. Auch lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Übergangskrisen zwischen den einzelnen Phasen, in denen Klienten besonders von einer Unterstützung profitieren könnten. Diese Krisen werden durch vorhersehbare Veränderungen in der Familienstruktur (z.B. Eheschließung, Geburt von Kindern, Auszug junger Erwachsener) oder extrafamiliale Faktoren wie Einschulung und Pensionierung verursacht, stehen (damit) auch in Beziehung zu Transitionen in den individuellen Lebenszyklen der Familienmitglieder. Daneben gibt es Übergangskrisen, die nicht vorhersehbar sind und eher Einzelfälle betreffen. Sie können durch Ereignisse wie Arbeitslosigkeit, Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit eines Familienmitgliedes hervorgerufen werden. Im Falle des Todes (eines Elternteils oder des einzigen Kindes), der Trennung oder Scheidung verlassen die Familien mit der Übergangskrise den "normalen" Familienzyklus. Zyklen, die mit Ehescheidung oder Wiederheirat verbunden sind (siehe z.B. Textor 1991 a), können an dieser Stelle nicht beschrieben werden, obwohl sie ebenfalls der Orientierung sozialpädagogischer Fachkräfte dienen können. Nachfolgend werden relevante Erkenntnisse von Psychologen, Soziologen und Familienberatern über den allgemeinen Familienzyklus zusammengefaßt (z.B. Barcai 1981; Gavranidou 1993; Markman et al. 1986; Textor 1985, 1993).
Beim Durchlaufen des Familienzyklus kommt es erstens darauf an, daß die Familien die Übergangskrisen bewältigen. Das setzt in der Regel große Veränderungen im Verhalten der einzelnen Mitglieder und Modifikationen der Familienstruktur, Rollen, Beziehungsdefinitionen, Regeln, Interaktionsmuster usw. voraus. Zweitens müssen die phasenspezifischen Aufgaben und Schwierigkeiten gemeistert werden, und zwar auf eine für alle Familienmitglieder befriedigenden und letztlich entwicklungsfördernden Weise. Dabei sind die gesellschaftlichen Normen und Erwartungen zu berücksichtigen. Drittens muß eine gewisse Abstimmung zwischen Familienzyklus und den Lebenszyklen der einzelnen Mitglieder erreicht werden.
Der Familienzyklus beginnt mit der Werbungsphase. Die zukünftigen Ehegatten sollten sich zu diesem Zeitpunkt von ihren Eltern abgelöst haben, ihr eigenes Leben selbst verantworten und liebesfähig sein. Sie lernen einander immer besser kennen, empfinden eine starke Anziehungskraft, machen erste sexuelle Erfahrungen miteinander und bauen eine enge Beziehung auf. Sie müssen sich fortwährend aneinander anpassen, Partnerrollen übernehmen und eine Paaridentität entwickeln. Ferner werden zwei unterschiedliche Netzwerke miteinander verknüpft. Da die Partner ineinander verliebt sind, starke positive Emotionen empfinden, einander nur die besten Seiten zeigen und überwiegend die Freizeit miteinander verbringen, sind Schwierigkeiten eher unwahrscheinlich.
Die zweite Phase des Familienzyklus beginnt, wenn die Partner zusammenziehen, was mit der Eheschließung verbunden sein kann. Im Zusammenhang mit der Haushaltsgründung müssen sich die Partner über Ausstattung, Arbeitsteilung, das Budget und Entscheidungsbefugnisse einigen. Der wechselseitige Anpassungsprozeß wird komplexer: Eine Vielzahl von "Vereinbarungen" hinsichtlich Macht, Rollen, Zeitplanung, Nähe, Privatsphäre, Gefühlsausdruck usw. ist zu treffen, die wechselseitige Bedürfnisbefriedigung sicherzustellen. Partnerrollen müssen mit außerfamilialen Rollen abgestimmt, Interaktionsmuster, Beziehungsdefinitionen und Konfliktlösungswege entwickelt werden. Die Partnerschaft ist nun auf Dauer angelegt; die Paaridentität wird stärker; der Partner gewinnt immer mehr Bedeutung im psychischen Leben. Schwierigkeiten können z.B. aus zu hohen bzw. unrealistischen Erwartungen, Desillusionierung (Partner wird nun im Alltag erlebt), Anpassungsproblemen, der Entstehung einer symbiotischen Beziehung oder der Einmischung der Eltern resultieren.
Mit Schwangerschaft und Geburt des ersten Kindes beginnt die dritte Phase des Familienzyklus. Zunächst müssen sich die Partner auf die Geburt vorbereiten, also z.B. entsprechende Kurse besuchen oder Literatur lesen. Auch ist zu klären, ob beide Ehegatten berufstätig bleiben oder nicht. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die (Suche nach einer) Kinderbetreuung, die langfristige berufliche Orientierung und die Weiterentwicklung der Partner. Mit der Geburt des ersten Kindes entsteht das Familiensystem; das Ehepaar bildet ein Subsystem neben dem Eltern-Kind-Subsystem. So müssen neue Grenzen, Interaktionsmuster, Regeln usw. ausgebildet werden. Beide Partner müssen Elternrollen übernehmen sowie Säuglingspflege und Kleinkinderziehung lernen. Das Kind steht im Mittelpunkt der Familie, verlangt ein Höchstmaß an Arbeits- und Zeitaufwand, an Aufmerksamkeit und Zuwendung. Damit ändert sich der Lebensstil, nimmt nicht nur die Freizeit ab, sondern auch die für den Partner zur Verfügung stehende Zeit. Die Ehegatten müssen diese Veränderung und den damit einhergehenden Bedeutungsverlust verarbeiten, mehr Frustrationen in Kauf nehmen und ihre Beziehung neu definieren: "... die Bande zwischen den Erwachsenen muß weiterexistieren und als etwas Besonderes und von der Elternschaft Getrenntes betont werden. Die eigentlichen Partnerschaftsprozesse müssen separat erhalten werden, da die Eherolle die Eltern-/ Leitungsrolle stützt" (Barcai 1981, S. 355). Wird ein weiteres Kind geboren, bildet sich das Geschwistersubsystem heraus, nimmt die Komplexität der Familie zu, steigen die Anforderungen an die Eltern. Häufige Schwierigkeiten in dieser Phase sind die hohe psychische und arbeitsmäßige Belastung der Mutter (die oft mit einer Verschlechterung ihres Befindens verbunden ist), Unzufriedenheit mit der Mutterrolle bzw. wegen der Berufsunterbrechung, Gefühl der Isolierung, Verschlechterung des Lebensstandards (weniger Einnahmen - mehr Ausgaben, weniger Platz), problematische Eltern-/ Mutter-Kind-Beziehungen (z.B. Symbiose, Überbesorgtheit, Ablehnung des Kindes) und Verärgerung über den Partner, weil z.B. der Mann die Mitarbeit im Haushalt reduziert und zu wenig Betreuungsaufgaben übernimmt oder die Frau sich kaum noch um ihren Gatten kümmert.
Die vierte Phase des Familienzyklus beginnt mit der Einschulung des ersten Kindes, die mit einer weiteren Öffnung der Familie nach außen (zur Schule, zur Gleichaltrigengruppe) und mehr sozialer Kontrolle ("Überprüfung" der Erziehungsleistung der Eltern) verbunden ist. Die Eltern müssen nun ihre Kinder durch die Schule begleiten, Hausaufgaben betreuen und die Leistungsmotivation fördern. Gleichzeitig verlieren sie an Autorität, da sich ihre Kinder ablösen, selbständiger werden, neue Bezugspersonen finden sowie mit anderen Werten, Normen und Leitbildern (als von den Eltern vertreten) konfrontiert werden. Nichterwerbstätige Frauen müssen sich spätestens jetzt der Frage stellen, ob sie in die Arbeitswelt zurückkehren wollen. Häufige Schwierigkeiten sind Trennungsängste, Schulprobleme, Überforderung der Kinder und Überlastung der Mütter, insbesondere bei Wiederaufnahme der Berufstätigkeit oder langen Arbeitzeiten.
Die fünfte Phase des Familienzyklus beginnt nicht mit so einschneidenden Ereignissen wie die drei vorgenannten. Sie ist vor allem durch die Ablösung der Kinder gekennzeichnet, die nun als Jugendliche mit schwierigen Entwicklungsaufgaben wie der Trennung von den Eltern, der Identitätssuche, der Aufnahme heterosexueller Beziehungen und der Berufsfindung konfrontiert werden. Ihr Verhalten wird von den Eltern als sehr belastend erlebt; viele Konflikte sind zu lösen. Die Eltern müssen sich mit zunehmender Entfremdung und weiterem Autoritätsverlust abfinden. Sie müssen ihr Erziehungsverhalten radikal verändern, dem Jugendlichen mehr Rechte und Freiheiten einräumen und trotz ihrer Trennungsängste und Trauer dessen Ablösung fördern. Die Elternrollen verlieren an Bedeutung, was insbesondere für nichterwerbstätige Mütter belastend ist. Zugleich müssen die Eltern entscheiden, was sie mit der zunehmenden Freizeit anfangen wollen und inwieweit sie die Ehebeziehung intensivieren möchten. Häufige Schwierigkeiten in dieser Familienphase sind extreme Verhaltensweisen des Jugendlichen (z.B. Drogenkonsum, Mitgliedschaft in Banden oder Sekten, Leistungsverweigerung), Ausstoßungsprozesse oder die symbiotische Bindung des Kindes, Unzufriedenheit (von Müttern) aufgrund des Verlustes an Lebenssinn, midlife-crisis bei den Erwachsenen und daraus oder aus der hohen psychischen Belastung resultierende Ehekonflikte.
Die sechste Phase des Familienzyklus - die Kinder sind nun erwachsen - verläuft in der Regel wieder ruhiger. Die Kinder sind ausgezogen; das Ehesubsystem und damit auch der Partner haben dadurch eine neue Bedeutung bekommen. Die Eltern haben den größten beruflichen Erfolg und das höchste Einkommen erlangt. Sie müssen sich nun mit dem Erreichten abfinden, aber auch mit ihrer schwindenden Attraktivität, den nachlassenden Kräften und der schlechteren Gesundheit. Sie lernen die Partner ihrer Kinder und deren Familien kennen, wodurch sich ihr Netzwerk erweitert. Oft müssen sie die eigenen Eltern, die nun ein hohes Alter mit den damit verbundenen Problemen erreicht haben, unterstützen und unter Umständen pflegen.
Die letzte Phase des Familienzyklus beginnt mit dem Ruhestand und endet mit dem Tod eines Partners. Die Ehegatten müssen den Verlust der Berufsrolle und eventuell einen "Pensionierungsschock" verarbeiten, auf jeden Fall aber den Tagesablauf neu gestalten und anfallende Arbeiten umverteilen. Sie müssen lernen, den ganzen Tag auf befriedigende und möglichst konfliktarme Weise miteinander zu verbringen. Haben sie Enkel, müssen sie die Großelternrolle übernehmen und auf positive Weise ausgestalten. Sie werden oft zu wichtigen Bezugspersonen, insbesondere wenn sie Betreuungs- und Erziehungsaufgaben übernehmen oder viel und ungestört mit ihren Enkeln spielen und reden. Die Senioren müssen mit der immer weiter abnehmenden körperlichen und geistigen Belastbarkeit, chronischen Krankheiten und der Angst vor dem Tode fertig werden und bei Pflegebedürftigkeit die Abhängigkeit vom Partner akzeptieren.
Bei der Planung und Durchführung von Maßnahmen nach § 16 SGB VIII müssen sozialpädagogische Fachkräfte somit immer erfassen, in welcher Phase des Familienzyklus sich die vorgesehenen Zielgruppen bzw. die jeweiligen Klient/innen befinden. Dann wissen sie, welche Schwierigkeiten phasenspezifisch - also "normal" - sind und welche nicht. Auch wird deutlich, welche Transitionen und Probleme voraussichtlich in der nächsten Zeit auf die Klient/innen zukommen werden, auf die sie dann durch entsprechende Maßnahmen vorbereitet werden können. Vor allem die folgenden Abschnitte werden zeigen, daß insbesondere Angebote der Familienbildung am Familienzyklus orientiert sein müssen und ein möglichst reibungsloses Durchlaufen der einzelnen Phasen gewährleisten sollen. Undifferenzierte, pauschale Angebote ohne Analyse der Zielgruppen dürften dagegen wenig effektiv sein.
3. Familienbildung
Mit Bezug auf den 2. Abschnitt kann als allgemeines Ziel der Familienbildung die Unterstützung von Familien durch überwiegend bildende Angebote bezeichnet werden, die ein erfolgreiches Durchlaufen des Familienzyklus mit streßarmer Bewältigung der Übergänge ermöglichen und zur Ausbildung von Charakteristika "gesunder" Familien beitragen sollen. Die Familien sollen zur aktiven Gestaltung neuartiger Situationen motiviert sowie zur Nutzung von Chancen für die gemeinsame positive Weiterentwicklung und ein partnerschaftliches Miteinander angehalten werden. Außerdem will Familienbildung Orientierung in einer komplexen und sich rasch wandelnden Gesellschaft bieten sowie bei der Bewältigung von aus der Pluralisierung der Familienformen und aus der Individualisierung von Lebensläufen resultierenden Herausforderungen bieten. Da die Vielfalt heutiger Familienrealitäten und individueller Biographien nicht mehr faßbar ist, muß jede Familie bzw. jedes Familienmitglied ihren bzw. seinen eigenen Weg, eigene Lebensziele und Wertepräferenzen finden. Bei diesen schwierigen Aufgaben, für deren Lösung es keine "Rezepte" gibt, können Reflexionshilfen, Begleitung und Beratung im Rahmen der Familienbildung genutzt werden.
Wie im gesamten Bildungsbereich gilt auch in der Familienbildung das Prinzip des lebenslangen Lernens. "Familienbildung wendet sich an Eltern mit Kleinkindern und Heranwachsenden ebenso, wie sie Orientierungs- und Lebenshilfe in der Phase des Ablösungsprozesses der Kinder, in dem Alleinsein der Eltern und beim Verlust des Partners bereitstellt. Familienbildung ist eine lebenslange Aufgabe, die nicht bei einem bestimmten Alter des Kindes aufhört" (Schuster 1984, S. 3). Dieses Selbstverständnis von Familienbildung, das hier von der damaligen Staatssekretärin im Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein vorgetragen wurde, ist bei weitem umfassender als die Regelungen des § 16 SGB VIII. Aufgrund der bereits erwähnten großen Bedeutung des gesamten Familienkontextes für die kindliche Entwicklung wird diese weitgefaßte Auffassung von Familienbildung in den folgenden Abschnitten beibehalten. Nach § 16 SGB VIII können natürlich nur diejenigen Angebote gefördert werden, die der dort vertretenen engeren Definition entsprechen (vgl. Abschnitt 1.).
Lebensbegleitung, Unterstützung bei der Gestaltung des Familienlebens und Hilfe bei der Haushaltsführung setzen voraus, daß sich Familienbildung am Alltag, an den Erwartungen und Bedürfnissen der jeweiligen Teilnehmer/innen ausrichtet. Deren Situation, Fragen und Probleme müssen zur Sprache kommen. Insbesondere wenn individuelle Schwierigkeiten und Belastungen vorgetragen und diskutiert werden, wird der Beratungsaspekt von Familienbildung deutlich. Einerseits wird die Fachkraft beraterisch tätig, andererseits beraten sich die Teilnehmer/innen wechselseitig. So bereichern sich Fachwissen und Lebenswissen gegenseitig. Das bedeutet auch, daß heute Vorträge nur noch im Ausnahmefall als angemessene Form der Familienbildung angesehen wird: Wichtiger ist der Gesprächsaustausch bzw. Dialog, in dem Fachkraft und Teilnehmer/innen ihre Kenntnisse, Ideen, Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse einbringen können. Das Gesprächsergebnis ist dann das gemeinsame Produkt beider Seiten. Lebenshilfe und Beratung im Rahmen der Familienbildung haben aber eher einen allgemeinen prophylaktischen Charakter; individuellen Problemen und Familienbelastungen können in der Regel nur wenige Minuten gewidmet werden. Bei größeren Schwierigkeiten sollten die Teilnehmer/innen motiviert werden, professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen. Hierdurch gewinnt Familienbildung eine hilfevermittelnde Funktion, ergibt sich ihre große Bedeutung als Teil des Netzwerkes von Jugendhilfeeinrichtungen und psychosozialen Diensten.
Werden in der Familienbildung z.B. der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel, die von außen kommenden Familienbelastungen (z.B. die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf) und die mangelnde Unterstützung von Familien durch den Staat diskutiert, wird deren politischer Aspekt deutlich. Familienbildung kann den Zusammenschluß von Familien (z.B. im Rahmen von lokalen Initiativen) und deren (kommunal-) politische Aktivität fördern. Auch die Stimulierung der Gründung von Familienselbsthilfegruppen hat politische Implikationen (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Schließlich hat Familienbildung eine soziale Funktion, indem sie Familienmitgliedern Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten bietet. Insbesondere Hausfrauen werden auf diese Weise aus ihrer oft isolierten Lebenssituation herausgeführt.
Familienbildung richtet sich auf die Familie als ein Ganzes, als ein System, wobei der gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Kontext mitberücksichtigt wird (vgl. Abschnitt 2.). Ihre Unterformen Ehebildung und Elternbildung beziehen sich hingegen in erster Linie auf das Ehesubsystem bzw. auf das Eltern-Kind-Subsystem. Ehebildung umfaßt die Vorbereitung von Menschen auf Partnerschaft und Ehe sowie die Begleitung von (Ehe-) Partnern durch die verschiedenen Phasen ihres Zusammenlebens. Hier wird die besondere Bedeutung der Ehe als Fundament der Familie betont; das Wohl der Familie und damit auch der Kinder hängt weitgehend vom Gelingen der Partnerbeziehung ab. Im Kontext der Ehebildung werden z.B. unterschiedliche Leitbilder von Ehe und Familie diskutiert, die Gestaltung "männlicher" und "weiblicher" Rollen besprochen, wechselseitige Erwartungen abgeklärt und Kompetenzen für einen partnerschaftlichen Umgang miteinander vermittelt.
Durch Elternbildung soll Erwachsenen geholfen werden, für ihre Kinder ein entwicklungsförderndes Sozialisationsfeld zu schaffen. So wird z.B. die kritische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Erziehungskonzepten gefördert, werden pädagogische und entwicklungspsychologische Kenntnisse vermittelt, werden Erziehungsfragen und -probleme diskutiert. Oft werden die Teilnehmer/innen angehalten, die selbst erfahrene Erziehung zu reflektieren und mit ihrem derzeitigen Verhalten zu vergleichen, ihren Umgang mit den Kindern kritisch zu hinterfragen, Erziehungsziele und -praktiken mit dem Partner abzustimmen oder neue Wege bei Konflikten mit ihren Kindern einzuschlagen. Ferner sollen Eltern befähigt werden, die schulische und berufliche Bildung ihrer Kinder unterstützend zu begleiten und Möglichkeiten der Mitarbeit in Kindertageseinrichtungen und Schulen zu nutzen.
Da Angebote der Familienbildung überwiegend kurzfristig sind (z.B. Einzelveranstaltungen oder Kurse), lassen sie sich leicht weiter differenzieren - beispielsweise nach ihrem Ansatzpunkt, der jeweiligen Zielgruppe oder nach ihrer Form. Schließlich läßt sich noch unterscheiden, ob das jeweilige Angebot der Familienbildung überwiegend auf Einstellungen, Haltungen und Werte, auf Kognitionen und Bewußtseinsänderung oder auf das Verhalten der Teilnehmer/innen abzielt und ob es sich an einem bestimmten Leitbild oder an der konkreten Situation der Familienmitglieder orientiert.
3.1 Familienbildungsstätten
Die wohl wichtigsten Träger der Familienbildung sind die rund 380 Familienbildungsstätten, deren 220 000 Veranstaltungen im Jahr 1994 von rund drei Millionen Personen besucht wurden. Diese Einrichtungen befinden sich überwiegend in größeren Städten; der ländliche Raum wird hingegen vernachlässigt. Ihre Angebote decken in der Regel alle zentralen Themenbereiche der Familienbildung ab und richten sich an alle Bürger. Im Idealfall beruhen sie auf einer Analyse der Lebenssituation von im Einzugsbereich der Einrichtung lebenden Personen bzw. besonderer Zielgruppen, verbunden mit der Erfassung ihrer Bedürfnisse und Probleme. Hierzu werden vereinzelt Gespräche mit Familien und Fachleuten (z.B. Mitarbeiter/innen von Jugendämtern, Beratungsstellen, Kindertageseinrichtungen oder des Allgemeinen Sozialdienstes) vor Ort geführt. Aus dieser Analyse familialer Lebenslagen heraus wird dann bestimmt, was an kognitivem, sozialem und emotionalem Lernen und Verhaltensänderungen nötig ist. Dann werden entsprechende Angebote gemacht.
In der Regel kommt das Veranstaltungsprogramm der Familienbildungsstätten weniger geplant zustande: Nachdem es zum weitaus größten Teil von Honorarkräften getragen wird, spielen deren Vorschläge eine große Rolle. Da die Teilnahme an den Veranstaltungen freiwillig ist, zeigt sich in der Praxis schnell, welche Angebote dem Bedarf entsprechen. Nur im Ausnahmefall kann der Bedarf für ein bestimmtes Angebot erst seitens der Familienbildungsstätte durch besondere Maßnahmen geweckt werden. In der Regel werden diejenigen Veranstaltungen am besten angenommen, die am ehesten der alltäglichen Realität der Teilnehmer/innen entsprechen und ihnen viel Raum zur Mitbestimmung der Gesprächsinhalte bzw. zum Einbringen eigener Gedanken, Fragen und Probleme lassen. Da bei den meisten Themen alle Anwesenden ihre Erfahrungen, Meinungen und Kenntnisse vortragen können, erleben sie sich gleichzeitig als "Experten" und als Lernende.
Im Zentrum des Veranstaltungsprogramms von Familienbildungsstätten stehen zumeist Angebote für werdende und junge Eltern: "Die Geburtsvorbereitung für werdende Eltern (in immer stärkerem Maße unter Einbeziehung der Väter) sowie die Säuglings- und Kleinkindbetreuung nehmen im Gesamtkatalog der Themen einen sehr breiten Raum ein. Es ist die Phase der Familienentstehung, in der Frauen und Männer ein völlig neues Feld des Erlebens und der Verantwortung betreten. Viele wollen diese Schritte nicht unvorbereitet tun" (Senat von Berlin 1995, S. 63). Auch Angebote zur Säuglingspflege und -ernährung sowie Rückbildungsgymnastik werden gut angenommen. In den letzten Jahren haben Stillgruppen, Babytreffs, Miniclubs und Eltern-Kind-Gruppen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Hier kommen in der Regel rund 10 Mütter mit ihren Kleinkindern einmal pro Woche für circa zwei Stunden zusammen, um sich unter Anleitung über die Entwicklung ihrer Kinder und die eigene Lebenssituation auszutauschen, gemeinsam zu spielen, Kontakte zu pflegen und ihren (Einzel-) Kindern Begegnungsmöglichkeiten mit Gleichaltrigen zu bieten. Häufig werden zusätzlich themenspezifische Elternabende durchgeführt. Für Eltern mit Kindern im Kindergarten- und insbesondere (Grund-) Schulalter gibt es hingegen solche Angebote nicht mehr. "Dieser Mangel wiegt um so schwerer, als auch in anderen Feldern der Familienarbeit Angebote für diese Altersgruppe bzw. für die Familienphase mit Schulkindern nicht in dem erforderlichen Umfang bereitstehen" (Siebter Jugendbericht 1986, S. 35). Nur vereinzelt werden zumindest noch Familienseminare durchgeführt, an denen Eltern mit älteren Kindern bzw. Jugendlichen teilnehmen können. Die einzelnen Einheiten werden von Eltern und Kindern gemeinsam oder getrennt absolviert. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen Familienerfahrungen. Jedoch ist insbesondere bei Jugendlichen die Bereitschaft, an solchen Familienseminaren teilzunehmen, sehr gering. Deren Attraktivität könnte jedoch durch die Koppelung mit Freizeit- und erlebnispädagogischen Angeboten gesteigert werden.
Für Eltern (älterer Kinder) gibt es an Familienbildungsstätten natürlich noch ein großes Angebot an Einzelveranstaltungen, Kursen und Gesprächsforen zu Erziehungsfragen. Hier - wie auch bei anderen Veranstaltungen - ist die Teilnahme von (beiden) Eltern oder von Alleinerziehenden oft nur zu erreichen, wenn parallel eine Kinderbetreuung angeboten wird. Ferner müssen zunehmend die beschränkten zeitlichen Möglichkeiten erwerbstätiger Mütter berücksichtigt werden (z.B. durch mehr Abend- und Wochenendveranstaltungen).
Im Vergleich zu Angeboten der Elternbildung werden solche der Ehevorbereitung bzw. -bildung in sehr viel geringerem Maße angenommen. Insbesondere bei konkreten Partnerschaftsproblemen fällt der Schritt oft schwer, eine Familienbildungsstätte aufzusuchen. Gerade Gruppenangebote machen Angst davor, daß sich die Partner offenbaren müssen oder bloßgestellt werden könnten. Vor allem hier, aber auch generell im Bereich der Familienbildung zeigt sich, daß Männer nur schwer zu erreichen sind - zu sehr werden Beziehungspflege und Kindererziehung noch der Domäne der Frauen zugerechnet. Vereinzelt gibt es an Familienbildungsstätten jedoch schon Männer- bzw. Vätergruppen. Die Teilnehmer wollen ihre Familien- und Berufsrollen reflektieren, andere Seiten des Mann-Seins suchen, neue Zugänge zu sich selbst und zur Familie finden, über ihre Beziehung zu Frau und Kindern nachdenken. Genauso selten sind Vater-Kind-Gruppen oder Männergruppen, die sich mit handwerklichen Tätigkeiten, Basteln von Spielzeug, Kochen, Entspannungsübungen u.ä. befassen. Auch bei diesen Männergruppen ist das Gespräch über sich selbst bzw. die Männer- und Vaterrollen von großer Bedeutung. Offensichtlich ist, daß aufgrund der Vollerwerbstätigkeit der meisten Männer derartige Angebote nur am Abend oder am Wochenende erfolgen können.
Frauenspezifische Themen in der Familienbildung werden hingegen gut angenommen. Bei diesen Veranstaltungen geht es z.B. um die Frauenrolle, um Selbsterfahrung oder Selbstsicherheitstraining. Auch die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird häufig thematisiert: "Wenn angesichts der gesellschaftlichen und familienpolitischen Rahmenbedingungen eine generalisierbare Lösung der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Berufsarbeit beider Partner nicht in Sicht ist, dann kann es auch in der Familienbildung nicht darum gehen, ein bestimmtes Modell dafür zu entwickeln und zu propagieren... Vielmehr ist es notwendig, die Vielschichtigkeit von Alltagswirklichkeiten zu entdecken, die Problemlagen differenziert zu benennen und auf dieser Basis individuelle Lösungswege zu unterstützen" (Sprey-Wessing/ Möller 1992, S. 10). Es geht hier vor allem um die Vergrößerung von Handlungsspielräumen, mehr Rollenflexibilität und mehr Selbstbestimmung. Hier - wie auch bei anderen Themen - müssen ebenfalls die Rahmenbedingungen analysiert werden, die Familien die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. das Zusammenleben erschweren.
"Klassische" und noch immer gut besuchte Angebote von Familienbildungsstätten dienen der Vermittlung der zur Führung eines Haushalts notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten. Dazu gehören z.B. Back- und Kochkurse, Nähen, Häkeln, Sticken, Basteln, Werken und Krankenpflege, aber auch Veranstaltungen über gesunde Ernährung oder Umweltschutz. Gut angenommen werden ferner Kurse, die der Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Entspannung oder der Förderung psychischen Ausgeglichenseins dienen (Gymnastik, Sport, Tanz, Yoga, autogenes Training usw.).
In den letzten Jahren ist bei Familienbildungsstätten eine zunehmende Zielgruppenorientierung festzustellen. Die wenn auch noch eher seltenen Angebote leisten einen Beitrag zur Unterstützung von Familien, die sich besonderen, das Zusammenleben und den einzelnen tief berührenden Problemen und Herausforderungen gegenüber sehen. Dabei werden oftmals die Grenzen zur Sozialarbeit und professionellen Beratung hin überschritten. Am häufigsten sind hier Angebote für Alleinerziehende. Bei diesen Veranstaltungen geht es z.B. um die Auseinandersetzung mit den eigenen Anteilen an der Auflösung der (Ehe-) Beziehung, mit der Erfahrung des eigenen Scheiterns, mit den Scheidungsfolgen und den Auswirkungen auf die Kinder. Die Alleinerziehenden erfahren in der Trennungssituation Unterstützung beim Umgang mit psychischen Problemen und praktischen Schwierigkeiten. Treten in dieser Phase oder nach der Scheidung Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsstörungen bei ihren Kindern auf, werden diese in der Gruppe besprochen. Gemeinsam wird dann nach geeigneten Erziehungsmaßnahmen gesucht. Weitere Themen in Alleinerziehendengruppen sind die Beziehung zum früheren Partner, Sorge- und Umgangsrechtsregelungen und neue Partnerschaften. Wurden die Kinder nichtehelich geboren oder ist der Ehegatte verstorben, stehen natürlich zum Teil andere Themen im Vordergrund. Vereinzelt gibt es ferner Angebote für nichtsorgeberechtigte Elternteile oder Zweitfamilien.
Manche Familienbildungsstätten bieten Veranstaltungen speziell für Ausländerfamilien an. Oft dienen sie dem Erlernen der deutschen Sprache, da dies die entscheidende Voraussetzung für das Leben in unserer Gesellschaft ist. Zweckmäßigerweise wird der Sprachunterricht auf alltägliche Situationen wie Einkauf, Arztbesuch oder Gespräch mit dem Lehrer der eigenen Kinder bezogen. Auch werden Kenntnisse über die deutsche Kultur, das Bildungswesen, das politische System usw. vermittelt. Insbesondere wenn längere Pausen bzw. Kaffeerunden eingeplant werden, kommt es zum Austausch über die persönliche und familiäre Situation. Werden Probleme angesprochen, können häufig Kursleiter/ -in und andere Teilnehmer/innen weiterhelfen (Rechtsfragen, Umgang mit Ausländerbehörde, Ausfüllen von Formularen, Hinweis auf Ausländerberatungsstellen usw.). Bei Seminaren oder Wochenendveranstaltungen für Ausländer, die eine bestimmte Thematik wie "Kindererziehung" oder "Leben in einem fremden Land" haben, ist oftmals die Gewinnung und Qualifizierung von Honorarkräften aus dem Herkunftsland der Teilnehmer/innen sinnvoll. Generell müssen kulturelle Eigenarten respektiert werden (z.B. nur weibliche Kursleiter und Teilnehmer bei einer Veranstaltungen für Türkinnen).
Vereinzelt bieten Familienbildungsstätten Seminare für chronisch Kranke (auch Suchtkranke) und/ oder deren Familien an. Diese dienen der Information und Aufklärung über die jeweilige Erkrankung, der Unterstützung beim Verarbeiten des Krankheitserlebens und anderer Probleme (z.B. existentielle Ängste, Aufgabe der Erwerbstätigkeit, Isolation, Depressivität, Angst vor Verlust des Partners), der Besprechung der Situation pflegender Angehöriger, der Suche nach Entlastungsmöglichkeiten und der Klärung der Folgen dieser Situation für das gesamte Familiensystem. Der Kontakt zu anderen Betroffenen ermöglicht den Austausch von Erfahrungen und Ratschlägen, führt aus der Abkapselung und Einsamkeit heraus. Die Familie wird stabilisiert, die Alltagsbewältigung erleichtert. Angebotsformen für diese Zielgruppe sind Kurse für Erkrankte, Paarseminare, Angehörigenkurse und Familienwochenenden.
Trotz der hohen Arbeitslosenzahlen und der inzwischen weit verbreiteten Armut gelingt es nur wenigen Familienbildungsstätten, die hier angesprochenen Zielgruppen zu erreichen. Die von ihnen durchgeführten Veranstaltungen dienen dem Austausch über den Verlust der Berufsrolle und die damit verbundenen Gefühle (Minderwertigkeit, Langeweile, Angst usw.), die persönliche und familiale Situation sowie die Erfahrungen mit Arbeits- und Sozialamt. Fragen wie rechtliche Ansprüche, Abbau von Schulden und Gestaltung der freien Zeit werden diskutiert. Werden andere Familienmitglieder in (ergänzende) Abend- oder Wochenendveranstaltungen einbezogen, können ihr Erleben der Situation (z.B. materielle Einschränkung, negative Reaktionen von Klassenkameraden oder Nachbarn), ihr Verhältnis zum arbeitslosen Partner bzw. Vater und ihre Belastungen thematisiert werden.
Auch Angebote für Pflege- und Adoptivfamilien sind noch sehr selten. Vorherrschende Themen sind hier die mit Pflegekinderdiensten und Adoptionsvermittlungsstellen gesammelten Erfahrungen, die Herkunft der Kinder, die Problematik der doppelten Elternschaft, die Entwicklung der Kinder, die Auswirkungen von Hospitalismus, das Verhältnis von Erbe und Umwelt, Probleme in der Eingewöhnungsphase und der Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten. Zumeist melden sich zu den Kursen nur einzelne Elternteile an. So bietet es sich an, sie z.B. mit Ausflügen oder Wochenendveranstaltungen zu kombinieren, damit die Teilnehmer/innen auch die Partner und Kinder kennenlernen können - über die vorher so viel gesprochen wurde (siehe Abschnitt 5.1).
Gerade das zuletzt genannte Beispiel macht deutlich, wie wichtig die Kooperation zwischen Familienbildungsstätte und Jugendamt bzw. psychosozialen Diensten ist: Nur durch den Kontakt zu Adoptionsvermittlungsstellen und Pflegekinderdiensten können genügend Teilnehmer/innen für die Veranstaltungen gewonnen werden. Aber auch wenn es um Zielgruppen wie Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Ausländer, Aussiedler, Personen mit besonderen Erkrankungen, Behinderte, Alkoholiker, Drogensüchtige und deren Familien geht, muß schon aus Werbezwecken der Kontakt zu Arbeitsamt, Sozialamt, Allgemeinem Sozialdienst, Suchtberatungsstellen, Behinderteneinrichtungen oder Kliniken gesucht werden. Hinzu kommt, daß oft nur auf diesem Wege geeignete Referenten/innen und Kursleiter/innen gefunden werden können, da sie über Spezialkenntnisse verfügen müssen.
Öffentliche und freie Jugendhilfeträger sollten großes Interesse für derartige zielgruppenspezifische Veranstaltungen von Familienbildungsstätten zeigen - nicht nur, weil hier die Grenzen zur Sozialarbeit überschritten werden, sondern auch, weil hier ein kostengünstiges Angebot auf neutralem Boden zustande kommt. So sind die Kosten aufgrund der niedrigen Honorare für Kursleiter/innen (auch weil die Vorbereitungsszeit nicht bezahlt wird) sehr viel geringer als wenn Jugendämter, Wohlfahrtsverbände oder Kliniken selbst derartige Kurse anbieten würden. Außerdem sind die Teilnehmer/innen in Familienbildungsstätten freier, ungezwungener und offener, da sie hier z.B. keine Sanktionen befürchten müssen (weniger Schwellenangst). Deshalb sollten insbesondere öffentliche Träger der Jugendhilfe solche zielgruppenspezifische Angebote initiieren - und eventuell mitfinanzieren, vor allem falls nur kleine Gruppen zustande kommen und damit ungedeckte Kosten für die Familienbildungsstätten entstehen.
Trotz einzelner Familienseminare, Veranstaltungen für Väter und zielgruppenspezifischer Angebote werden von Familienbildungsstätten in der Regel nur Frauen erreicht, die zudem überwiegend aus der Mittelschicht stammen. So bleibt die Praxis hinter den Zielvorgaben des § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zurück. Die meisten Familienbildungsstätten sind sich dieser Situation durchaus bewußt. So versuchen sie beispielsweise, ihre Angebote direkt in die Lebenswelt von Familien hineinzutragen, also Veranstaltungen dezentralisiert in den verschiedenen Stadtteilen und Dörfern ihres Einzugsgebiets durchzuführen. Auf diese Weise soll der Zugang erleichtert, die Niedrigschwelligkeit der Kurse verstärkt werden. Außerdem werden zunehmend offene Angebote gemacht, für die eine Anmeldung nicht nötig ist. Dazu gehören z.B. Müttertreffs am Vormittag, Stammtische und "Familiensamstage" (mit Bastelangebot, Gesprächseinheiten, gemeinsamer Zubereitung des Mittagessens u.a.). Letztlich wird es aber nur durch die Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und Schulen, insbesondere durch Angebote direkt in diesen Einrichtungen, möglich sein, den Adressatenkreis nennenswert über Mittelschichtsmütter hinaus zu erweitern - ein Weg, der von Familienbildungsstätten bisher kaum beschritten wurde. Die öffentliche Jugendhilfe, zu deren Aufgaben auch die Zusammenarbeit mit Schulen gehört (§ 81 Nr. 1 SGB VIII), könnte hier initiativ tätig werden.
Ein anderes Problem von Familienbildungsstätten ist die personelle Situation. So sind nur knapp 8% der Mitarbeiter/innen hauptamtlich beschäftigt - mit wenig Aufstiegsmöglichkeiten (laut Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Familienbildung und zu der Umsetzung des gesetzlichen Auftrages in der Jugendhilfe von 1995). Ansonsten handelt es sich um Honorarkräfte, die nebenberuflich oder während ihrer Familienphase tätig sind (auch um die eigene Isolation als Hausfrau zu durchbrechen). Sie haben überwiegend keine pädagogische Ausbildung und erhalten nur selten die Möglichkeit, an Fortbildungsveranstaltungen (z.B. über Erwachsenenbildung oder Arbeit mit Kleinkindern) teilzunehmen oder gar eine Supervision zu erfahren. Problematisch ist auch die große Fluktuation unter den nebenamtlichen Mitarbeiter/innen, die ein kontinuierliches Angebot erschwert. Außerdem sind rund 90% des Personals weiblich (Siebter Jugendbericht 1986) - vielleicht mit ein Grund, wieso nur so wenige Männer als Teilnehmer gewonnen werden.
Familienbildungsstätten haben ferner finanzielle Probleme, die zum einen durch stagnierende oder zurückgehende Zuschüsse und zum anderen durch deren erst kurzfristig bekannt gegebenen Höhe bedingt werden, da die Förderung zum Teil von den im jeweiligen Jahr verfügbaren Haushaltsmitteln abhängt und insbesondere die Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen großen Ermessensspielraum haben (vgl. § 74 Abs. 3 SGB VIII). So klagt z.B. Schuster (1994), daß es nicht verständlich sei, wenn Jugendämter für ein Kind in Heimerziehung circa 76 000,- DM im Jahr aufwenden, "während für die Förderung von Familien-Bildungsstätten, die von vielen tausend Menschen besucht werden, überwiegend weit geringere Jahreszuschüsse zur Verfügung stehen" (S. 21). Diese Situation erschwert vor allem die Planung und Gestaltung des Veranstaltungsprogramms, aber auch die Entwicklung besonderer (zielgruppenspezifischer oder offener) Angebote, für die eine zusätzliche Förderung notwendig ist. Gerade die finanziellen Probleme verdeutlichen die Randstellung und geringe Anerkennung von Familienbildungsstätten. Hier spielt sicherlich eine Rolle, daß sie sich - trotz der kleinen Zahl von rund 380 Einrichtungen - durch drei Verbände vertreten lassen:
- Bundesarbeitsgemeinschaft katholischer Familienbildungsstätten
- Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Familien-Bildungsstätten
- Bundesarbeitsgemeinschaft von Einrichtungen für Familienbildung
Außerdem sind sie nur sehr selten in (Landes-) Jugendhilfeausschüssen repräsentiert. Auch wird die Möglichkeit kaum genutzt, überörtliche Arbeitsgemeinschaften zu bilden, um die verschiedenen Träger der institutionellen und funktionalen Familienbildung zusammenzuführen ("gemeinsam ist man stärker") und mit Vertretern der öffentlichen Jugendhilfe in regelmäßigen Kontakt zu bringen (siehe hierzu auch § 78 SGB VIII).
3.2 Erwachsenenbildungseinrichtungen
Neben Familienbildungsstätten bieten auch andere Träger der Erwachsenenbildung Veranstaltungen zur Familienbildung an. Beispielsweise wurden 1994 von Volkshochschulen 27 619 Kurse zur Hauswirtschaft (Haushaltsführung, Verbraucherfragen, Ernährungslehre, Nahrungszubereitung, Textilkunde, Nähen usw.), 7 388 Kurse zu Erziehungsfragen/ Pädagogik und 8 558 Kurse aus dem Bereich der Psychologie angeboten, die zum Teil familienrelevant waren. Sie wurden von mehr als 500 000 Personen besucht. Daneben gab es noch Veranstaltungen zu Krankenpflege, Heilmethoden u.v.a.m.
Erwachsenenbildungsstätten und -werke in kirchlicher Trägerschaft bieten Kurse zur Ehevorbereitung, Ehe- und Elternbildung an. Beispielsweise umfaßt das vom Diözesan-Erwachsenenbildungswerk im Erzbistum Bamberg entwickelte Elternseminar einen Grundlagenteil und je nach Bedarf einsetzbare Bausteine zu Themen wie Erziehungsziele, Grundlagen pädagogischen Handelns, Geburt eines Kindes, Spielen, Aggressivität, Bild Gottes, Ablösung, Scheidung, alleinerziehende Eltern oder Stieffamilie. Die Bildungswerke vermitteln in erster Linie Referenten, die dann vor Ort - in der jeweiligen Pfarrei, im Gemeindezentrum usw. - ihre Veranstaltung durchführen. Zumeist werben sie auch für diese Kurse in ihrem Programmheft. In der Regel übernehmen sie die Zuteilung staatlicher und kirchlicher Zuschüsse.
Im Vergleich zu Familienbildungsstätten suchen also Bildungswerke um ein Vielfaches stärker den Kontakt zu Institutionen in ihrem Einzugsbereich, die als Anbieter von Kursen der Familienbildung bzw. als Mitveranstalter in Frage kommen. Neben Pfarreien können dies z.B. Familienkreise, Frauenbund, Erziehungsberatungsstellen oder Kindertageseinrichtungen sein. Beispielsweise wurde vom Katholischen Caritasverband der Erzdiözese München und Freising sowie der Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (o.J.) ein "Merkblatt zur Elternarbeit mit Eltern von Kindern im Kindergartenalter" verfaßt. Hier werden die Vorteile einer Zusammenarbeit zwischen Kindergärten und Bildungswerken aufgezeigt. So stellen letztere Arbeitshilfen für Veranstaltungsreihen (über den Zeitraum von ein bis drei Jahren hinweg) zur Verfügung, die grundlegende Einheiten und verschieden kombinierbare thematische Bausteine umfassen. Falls gewünscht, vermitteln sie geeignete Referenten/innen. Eine Bezuschussung ist jedoch nur möglich, wenn die jeweilige Veranstaltung (-sreihe) offen ausgeschrieben wird - also auch Interessenten teilnehmen können, die kein Kind in dem Kindergarten haben. Im Merkblatt wird besonders darauf hingewiesen, daß die Auswahl des Referenten letztlich der Kindergartenleiterin in Absprache mit der Elternvertretung vorbehalten bleibt und ein Vorgespräch zwischen ihr und dem Referenten unerläßlich ist. Nach der Veranstaltungsreihe kann sich eine Elterngruppe bilden, die an den Themen weiterarbeiten will; den Anstoß hierzu kann das Kindergartenteam geben.
Diese Zusammenarbeit zwischen Bildungswerken und Kindertagesstätten entspricht nicht nur den Vorgaben des § 16 SGB VIII (Förderung der Familienerziehung, Intensivierung der Eltern[mit]arbeit in Erziehungseinrichtungen, Initiierung von Familienselbsthilfe), sondern auch dem Prinzip der Vernetzung. Von besonderer Bedeutung ist dabei, daß hier Institutionen aus ganz unterschiedlichen Bereichen (dem Kultus- und dem Sozialbereich) kooperieren. Um so bedauerlicher ist es, daß es nur selten zu einer Zusammenarbeit zwischen Bildungswerken und Trägern der öffentlichen Jugendhilfe kommt. Das trifft genauso auf die Beziehung zwischen Volkshochschulen und Jugendämtern zu, obwohl beides kommunale Einrichtungen sind. Insbesondere wenn es vor Ort keine Familienbildungsstätte gibt, sollte eine Zusammenarbeit gesucht werden. Dann könnten die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sinnvolle und notwendige Angebote der Familienbildung initiieren. Das setzt aber auch die Bereitschaft voraus, unter Umständen aufwendige zielgruppenspezifische Veranstaltungen (z.B. für Pflegefamilien, Familien aus sozialen Brennpunkten, Eltern behinderter Kinder oder Familien mit suchtkranken Mitgliedern) mitzufinanzieren.
3.3 Kindertageseinrichtungen und Schulen
Wie bereits erwähnt, erreichen Familienbildungsstätten nur einen kleinen Teil von Familien, inbesondere Mütter aus der Mittelschicht. Ähnliches gilt für Volkshochschulen und Bildungswerke. Nahezu alle Familien kommen aber in Kontakt mit Kindertageseinrichtungen und Schulen. Familienbildende Maßnahmen, die von diesen Institutionen ausgehen, erreichen potentiell alle Eltern. In der Realität nimmt aber auch hier nur ein Teil der Elternschaft - überwiegend Mütter - an entsprechenden Veranstaltungen teil. Die Zusammensetzung der Teilnehmer/innen ist jedoch viel heterogener als in Erwachsenenbildungsstätten.
Am besten werden Eltern von Kindertageseinrichtungen, insbesondere Kindergärten, erreicht. Diese entwickeln sich immer mehr zu familienergänzenden und -unterstützenden Institutionen, die in der Erziehungspartnerschaft mit Eltern und der Beeinflussung der Familienerziehung Schwerpunkte ihrer Arbeit sehen (Textor 1992 a). Damit wird auch den Vorgaben des § 22 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 SGB VIII Genüge getan. Zugleich wird den Wünschen der Eltern entsprochen, die laut Umfragen vom Kindergarten - neben Informationen über die Gestaltung des Kindergartenalltags und Ausstellungen guter Spiele und Bücher - vor allem Informationen darüber, wie sich Erzieherinnen bei Problemen mit Kindern verhalten, Beratung bei Erziehungsschwierigkeiten, Elternbildung, Möglichkeiten zum Ausleihen guter Spiele und Bücher, Gesprächskreise zu bestimmten Themen und Hinweise auf Hilfsangebote für Familien mit verhaltensauffälligen Kindern, Eheproblemen usw. erwarten (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit 1996).
Kindertagesstätten entsprechen heute den Erwartungen der Eltern bzw. den Bedürfnissen von Familien durch ganz verschiedene Formen der Elternarbeit, wobei jede Einrichtung ihr eigenes Angebot aus der Vielzahl von Möglichkeiten zusammenstellt. Neben Elternabenden, Einzelgesprächen über die Entwicklung und Erziehung des jeweiligen Kindes sowie Tür- und Angel-Gesprächen werden z.B. folgende Formen praktiziert: Elterngruppen (mit/ ohne Kinderbetreuung), themenspezifische Gesprächskreise, Elternseminare, Elterncafé/ Teestube, Treffpunkt für Alleinerziehende, Vätergruppen, Elternstammtische, Feste, Basare, Bastelnachmittage, Freizeitangebote für die ganze Familie, Hospitationen in der Kindergruppe und Einbindung von Eltern in die pädagogische Arbeit bzw. besondere Projekte (Textor 1994). Durch diese Angebote sollen so zentrale Ziele erreicht werden wie die wechselseitige Öffnung von Kindertageseinrichtung und Familien, Abstimmung von öffentlicher und privater Erziehung, Elternbildung zur Verbesserung der Familienerziehung, Mitarbeit von Eltern in der Tagesstätte, Beratung bei Erziehungsschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten, Vermittlung von Hilfsangeboten (auch bei anderen Familienproblemen) sowie Förderung von Kontakten zwischen Familien und von Familienselbsthilfe. Die Vielfalt der Angebote stellt sicher, daß Eltern aus ganz unterschiedlichen Schichten oder sogar bestimmte Zielgruppen (Alleinerziehende, Väter, Aussiedler usw.) erreicht werden.
Elterngruppen in Kindertageseinrichtungen werden entweder von Erzieher/innen, einem Elternteil oder einem von außen kommenden Referenten (z.B. Erziehungsberaterin, Familienbildner oder Sozialpädagogin) geleitet. Wird parallel eine Kinderbetreuung angeboten, können auch Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern problemlos teilnehmen. Die Eltern können in der Gruppe ihnen wichtige Fragen und Anliegen diskutieren, benötigte Informationen einholen und Lösungsvorschläge für ihre (Erziehungs-) Probleme erbitten. Sie lernen andere Eltern kennen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. So können intensive Kontakte entstehen, die auch zur wechselseitigen Unterstützung, z.B. bei der Kinderbetreuung, führen. Das Thema für das jeweilige Treffen wird entweder beim vorausgegangenen festgelegt oder ergibt sich spontan. Manche Elterngruppen werden aber auch von Anfang an mit einer bestimmten Thematik angekündigt (z.B. "Wie fördern Eltern am besten die Entwicklung ihrer Kinder?", "Religiöse Erziehung in der Familie", "Frauen - Beruf - Familie"). Sie können ferner die Form eines Elternseminars annehmen (siehe Abschnitt 3.2). In diesem Fall bzw. bei themenspezifischen Gesprächskreisen werden besonders oft externe Referenten/innen eingesetzt, da hier der Arbeitsaufwand sehr hoch ist - zu hoch für Erzieher/innen mit ihrer relativ geringen Verfügungszeit.
Auch Elternabende eignen sich für die Familienbildung. Das Interesse an ihnen ist besonders groß, wenn Fragen der Erziehung und Entwicklung von (Klein-) Kindern auf eine nicht angsterzeugende Weise angesprochen werden. Schon bei der Themenformulierung muß beachtet werden, daß nicht der Eindruck entsteht, die Eltern könnten kritisiert oder zum Eingeständnis von Erziehungsfehlern genötigt werden. Vortragsabende mit anschließender Diskussion kommen kaum an; bei Elternabenden muß heute von der Situation der Teilnehmer/innen ausgegangen werden. So steht das Gespräch mit den Eltern und der Erfahrungsaustausch zwischen ihnen im Mittelpunkt. Auf diese Weise können individuelle Fragestellungen und Bedürfnisse eingebracht und berücksichtigt werden.
Elterncafés, Teestuben, Elternsitzecken, Nähgruppen, separate Räume für Eltern u.ä. sind offene Angebote von Kindertageseinrichtungen. Hier treten informelle Formen der Familienbildung auf - durch den Gesprächsaustausch zwischen Eltern und wechselseitige Beratung. Relativ selten sind noch Hospitationsmöglichkeiten für Eltern in Kindertageseinrichtungen und deren Einbindung in die pädagogische Arbeit, insbesondere in Projekte (vgl. Textor 1996). Hier erfolgt Elternbildung indirekt - durch die Modellwirkung des Verhaltens der Erzieher/innen bzw. deren Nachahmung. Zugleich werden Erfahrungen im Umgang mit anderen Kindern gesammelt, die im gleichen Alter wie das eigene sind.
Auch zielgruppenspezifische Angebote der Elternarbeit bzw. Familienbildung finden sich noch recht selten in Kindertagesstätten, obwohl hiermit schon positive Erfahrungen gemacht wurden. Beispielsweise wurden in einem Kindergarten Alleinerziehenden-Treffs durchgeführt, die alle vier bis sechs Wochen am Freitagnachmittag mit paralleler Kinderbetreuung stattfanden. Zu einzelnen Treffen wurden Fachleute wie die Frauenbeauftragte der Stadt, der Vorsitzende des Kinderschutzbundes oder ein Erziehungsberater eingeladen, mit denen über Themen wie "Mama, warum wohnt der Papa nicht bei uns?" diskutiert wurde. Hier konnte auch gut beobachtet werden, wie die Beziehungen zwischen den Alleinerziehenden immer intensiver wurden, sie sich privat trafen und z.B. abwechselnd auf ihre Kinder aufpaßten, so daß andere Mütter mehr Zeit für eigene Aktivitäten gewannen. In einem anderen Kindergarten wurden mehrere Treffen mit Aussiedlerfrauen durchgeführt, bei denen Erfahrungen mit Behörden, Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche sowie pädagogische Fragen diskutiert wurden. Eine Mutter, die bereits längere Zeit in Deutschland lebte, diente als Dolmetscherin (vgl. Blank/ Fenzl 1994).
Erzieher/innen beklagen immer wieder, daß sie für Elternarbeit und Familienbildung nicht ausgebildet wurden. Auch mangele es an Fortbildungs- und Supervisionsangeboten in diesem Bereich. So sollte die Ausbildung entsprechend reformiert werden, sollten Träger (-verbände), Kommunen und Fachverbände geeignete Fortbildungsveranstaltungen anbieten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß zur Förderung von anerkannten Trägern der Jugendhilfe auch gehört, daß Mittel für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter/innen seitens der öffentlichen Träger zur Verfügung gestellt werden (§ 74 Abs. 6 SGB VIII). Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang der Modellversuch "Intensivierung der Elternarbeit" des Caritasverbandes für die Diözese Passau. Hier werden in einem Fünfjahreszeitraum 70 Kindergärten - rund die Hälfte der dem Verband angeschlossenen Einrichtungen - durch eine intensive Teamberatung auf dem Gebiet der Elternarbeit und -beratung weiterqualifiziert. Ergänzend finden Regionalgruppentreffen zur kollegialen Beratung von Erzieher/innen untereinander und zum Erfahrungsaustausch sowie Fortbildungsveranstaltungen statt. Der Modellversuch wird vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit gefördert (Staatsinstitut für Frühpädagogik 1995).
Schulen nehmen sich hingegen kaum der Familienbildung an. Dies ist sehr bedauerlich, zumal inzwischen viele wissenschaftliche Untersuchungen belegen, daß der Einfluß der Familie auf die kindliche Entwicklung größer als derjenige der Schule ist. Sogar die Schulleistungen eines Kindes können bis zu zwei Dritteln der Varianz durch Familienfaktoren und nur zu etwa einem Drittel durch Bedingungen in der Schule erklärt werden (Krumm 1995). In diesem Zusammenhang sei nur an die Bedeutung der Hausaufgabenbetreuung durch die Eltern erinnert. Auch erwirbt das Kind in der Familie Dispositionen und Fertigkeiten, die das Lernen und gute Schulleistungen begünstigen oder nicht - z.B. Anspruchsniveau, Leistungsmotivation, Selbstkontrolle, Kooperationsfähigkeit, Sprachstil, Interessen und Einstellungen. Der starke Einfluß der Familie erklärt nicht nur die großen Unterschiede zwischen Schulanfängern, sondern auch die Tatsache, daß es Lehrer/innen in der Regel nicht gelingt, diese Unterschiede zu verringern - vielmehr wird die "Leistungsschere" zwischen guten und schlechten Schüler/innen immer größer.
So wird z.B. in den USA verstärkt eine Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Familie gefordert und angestrebt: "Lehrer informieren Eltern, wie sie zu Hause mit ihren Kindern bei Lernaktivitäten interagieren sollen, die mit der Arbeit der Kinder in der Schulklasse koordiniert sind oder das Lernen fördern bzw. bereichern. Schulen ermöglichen es Eltern zu verstehen, wie sie ihren Kindern daheim helfen können, indem sie über die von Schülern zum Bestehen einer Klasse benötigten akademischen und sonstigen Fähigkeiten informieren und Anleitung geben, wie Hausaufgaben überwacht, besprochen und unterstützt, Übungen durchgeführt und notwendige Fertigkeiten verstärkt werden können" (Epstein 1992, S. 1145). Ein ähnliches Verhalten sollte auch von deutschen Lehrer/innen eingefordert werden. Hier könnten die Obersten Landesjugendbehörden aktiv werden, um die Kultusministerien zur Entwicklung entsprechender Verordnungen, Empfehlungen oder Handreichungen und zu eventuell notwendigen Veränderungen in der Lehreraus- und -fortbildung zu motivieren. Aber auch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe können mit den Schulen vor Ort Kontakt aufnehmen (§ 81 Nr. 1 SGB VIII).
Natürlich sollten Familienbildungsangebote von Schulen nicht auf die Förderung von Schulleistungen durch die Eltern beschränkt sein. Gerade in einer Zeit, in der Lehrer/innen zunehmend mit kindlichen Verhaltensauffälligkeiten, Aggressionen, Lernstörungen, Suchtmittelmißbrauch u.ä. konfrontiert werden, sollte der gesamte Bereich der Familienerziehung berücksichtigt werden. Insbesondere in der Zeit nach der Einschulung ihres Kindes sind Eltern aufgrund ihrer Unsicherheit (neuartige Situation bzw. Transition), ihren hohen Erwartungen und der zunehmenden Ablösung ihres Kindes zu einer Zusammenarbeit mit Lehrer/innen bereit; Ähnliches gilt für den Zeitraum nach dem Wechsel an eine weiterführende Schule.
Jedoch werden an Schulen nahezu keine Angebote im Bereich der Familienbildung gemacht. Die wenigen Elternabende beschränken sich zumeist auf schulische Anliegen; bei Elterngesprächen stehen (schlechte) Schulleistungen oder Verhaltensauffälligkeiten im Mittelpunkt. Allerdings geht es auch anders: Beispielsweise wurden in Zusammenarbeit des Franziskanergymnasiums Kreuzburg und des Bonifatiushauses der Diözese Fulda (ein Bildungshaus) klassenbezogene Familienseminare entwickelt, die später auch von anderen Schulen durchgeführt wurden (Schmälzle 1985). An den Wochenendveranstaltungen nahmen die Schüler/innen, ihre Eltern und die Lehrer/innen jeweils einer Klasse teil, also rund 75 Personen. Bei einer Vorbefragung konnten sie die Themen auswählen, die beim Familienseminar diskutiert wurden - z.B. Schulangst, Hilfsbereitschaft und Freundschaft in der Klasse oder sinnvolle Freizeitgestaltung. Während der Veranstaltung wurde dann im Plenum oder in Kleingruppen gearbeitet, konnten auch Experten befragt werden. Daneben gab es ein Tagungsfest und einen Gottesdienst unter Einbindung aller Teilnehmer/innen. Es überrascht nicht, daß diese Familienseminare z.B. zum Abbau von Spannungen zwischen Elternhaus und Schule, zur Verbesserung der Lehrer-Schüler-Beziehung, zu einer intensiveren Kommunikation zwischen den Schüler/innen und zum Abbau von Sozialisationsdefiziten führten. Es bleibt zu hoffen, daß in Zukunft mehr Schulen - auch unter dem Druck zunehmender Verhaltensauffälligkeiten bei Schüler/innen - diesem Beispiel folgen werden.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß Kindertageseinrichtungen und Schulen eine große Bedeutung auf dem Gebiet der Ehevorbereitung zukommt, einem Teilbereich der Familienbildung. Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen (1991) konstatiert: "Die Vorbereitung von Mädchen und Jungen auf die Gestaltung von Familienleben und Haushaltsführung gehört zum allgemeinen Bildungsauftrag der Schule" (S. 62). Und die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland beschloß schon 1975: "Neben der Erziehung im Vorschulalter kommt der Schule im Blick auf die generelle Ehevorbereitung eine große Bedeutung zu. Hier erfährt der junge Mensch seine Hinordnung auf eine Gemeinschaft, die ihn trägt und fördert, die aber auch Rücksicht und Einschränkung verlangt. Die Koedukation kann zu einem unbefangenen Verhältnis zwischen den Geschlechtern verhelfen" (S. 31).
Sieht man einmal von Sexualkunde, Hauswirtschaft und textilem Gestalten ab, bleibt die Schule in vielen anderen Bereichen hinter diesen Erwartungen zurück. Beispielsweise ist ihr Beitrag zur Entwicklung eines positiven Kommunikationsverhaltens und zum Erlernen von Problem- bzw. Konfliktlösetechniken gering. Die Schule vermittelt kaum Kenntnisse über die Entwicklung und Erziehung von (Klein-) Kindern und über die partnerschaftliche Gestaltung von Beziehungen. Geschlechtsrollenstereotype werden eher in Kindertageseinrichtungen als in Schulen hinterfragt. Hier sind die Obersten Landesjugendbehörden aufgefordert, auf die Gestaltung von Lehrplänen einzuwirken, damit die Ehevorbereitung mehr Berücksichtigung findet. Nur am Rande sei erwähnt, daß viele der zu fördernden kommunikativen und sozialen Kompetenzen auch von der Wirtschaft bzw. von Arbeitgebern hoch geschätzt werden.
3.4 Familienselbsthilfe
Ein in den letzten Jahren immer wichtiger gewordener Anbieter von formeller und informeller Familienbildung ist die Familienselbsthilfe. Hier haben sich Eltern bzw. Familien von selbst in Eltern-Kind-Gruppen, Elterninitiativen, Mütter-, Familien- und Nachbarschaftszentren, Kontaktkreisen für Alleinerziehende, Selbsthilfegruppen (z.B. nach Geburt eines behinderten Kindes), Stiefelterngruppen oder Familienkreisen zusammengeschlossen. Die Eltern wollen mit Personen in derselben Lebenssituation über Fragen, Probleme und Belastungen diskutieren, die Familien generell oder ihre besondere Familienform betreffen. Sie suchen gemeinsam nach Lösungen und Entlastungsmöglichkeiten, die sich positiv auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirken und die Bewältigung des Familienalltags erleichtern. Werden hierzu besondere Angebote entwickelt, so werden sie in der Regel von einzelnen Eltern selbst durchgeführt. Dies erlaubt das Einbringen, Erproben und Weiterentwickeln eigener Kompetenzen. Zugleich bleiben Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Eltern erhalten. Ihre Tätigkeit wird somit durch das Selbsthilfeprinzip geprägt, aber auch durch den Verzicht auf professionelle (An-) Leitung. In den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Familienbildung und zu der Umsetzung des gesetzlichen Auftrages in der Jugendhilfe (1995) wird dies mit folgenden Worten gewürdigt: "Der im Laien-zu-Laien-Prinzip zum Ausdruck kommende Grundsatz der Selbstorganisation hat sich bewährt und gezeigt, daß sich Fachlichkeit nicht nur in Form einschlägiger beruflicher Qualifikation ausdrückt" (S. 223).
Eine Form der Familienselbsthilfe sind Eltern-Kind-Gruppen, die im Gegensatz zu solchen an Familienbildungsstätten oder ähnlichen Einrichtungen (siehe Abschnitt 3.1) von den Teilnehmer/innen selbst gegründet wurden. Sie treffen sich z.B. in Räumen der Kirchengemeinde, des Mütterzentrums oder eines Kindergartens, in angemieteten Räumen oder solchen, die vom Jugendamt kostenlos zur Verfügung gestellt werden. In Eltern-Kind-Gruppen tun Krabbelkinder und ihre Mütter den ersten Schritt aus der Isolation der Kleinfamilie heraus in die Öffentlichkeit, nehmen Kontakt zu Gleichaltrigen bzw. anderen Frauen auf. Die Ablösung der Kinder von ihren Müttern und ihre Sozialentwicklung werden gefördert; die Kinder machen neue Spielerfahrungen. Zugleich lernen die Mütter voneinander durch Beobachtung und Nachahmung. Im Gespräch miteinander reflektieren sie die Entwicklung ihrer Kinder und ihr Erziehungsverhalten, diskutieren ihre Situation als Mütter und beraten sich wechselseitig bei Fragen und Problemen. Sie erleben ihre Kinder in neuen Situationen (anderes Bild von ihnen) und verbessern ihre erzieherische Kompetenz. Väter sind allerdings nur selten Teilnehmer in Eltern-Kind-Gruppen - sie werden vereinzelt durch Abend- oder Wochenendveranstaltungen erreicht.
Im Gegensatz zu Eltern-Kind-Gruppen, die in der Regel nur ein- oder zweimal pro Woche für circa zwei Stunden zusammenkommen, bieten Elterninitiativen, Kinderläden und ähnliche Familienselbsthilfeeinrichtungen eine kontinuierliche mehrstündige oder sogar ganztägige Kinderbetreuung an. Diese wird entweder von den Eltern selbst oder von Eltern-Erzieherinnen-Teams übernommen, in manchen etablierten Elterinitiativen auch nur von sozialpädagogischen Fachkräften. In jedem Fall können die Eltern aber im Gegensatz zu Kindertageseinrichtungen ihr eigenes Erziehungs- und Bildungskonzept verwirklichen und die Inhalte der pädagogischen Arbeit mitbestimmen. Auch bei diesen Formen der Familienselbsthilfe spielt die informelle Familienbildung eine große Rolle: Die Eltern reflektieren ihre Vorstellungen über Erziehung und ihr Verhalten, beobachten einander bei der Kinderbetreuung in der Gruppe und kritisieren sich. Sie erweitern ihre erzieherischen Kompetenzen durch den Umgang mit fremden Kindern, größeren Kindergruppen und (eventuell) sozialpädagogischen Fachkräften. Zugleich bringen sie ihre Erfahrungen aus der Familienerziehung ein. Die Eltern treffen sich häufig am Abend, auch um gemeinsam über Themen wie Kinderalltag, geschlechtsspezifische Erziehung oder den Umgang mit Aggressionen zu diskutieren. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es rund 6 200 Elterninitiativen, die circa 135 000 Eltern und 68 000 Kinder erfassen. Viele haben sich der Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen (BAGE e.V.) angeschlossen, die ihre Interessen vertritt, koordinierende und informierende Funktionen übernimmt, Fortbildung anbietet und ein Kontaktstellennetz aufbaut.
Ferner gibt es in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 330 Mütterzentren und -initiativen, die sich zum Teil dem Mütterzentren-Bundesverband angeschlossen haben, der ähnliche Aufgaben wie BAGE e.V. übernommen hat (Vernetzungstreffen, Mittelbeschaffung, Interessenvertretung, Öffentlichkeitsarbeit, Beratung im Umgang mit Behörden usw.). Außerdem werden sie in den Bundesländern durch Mütterbüros unterstützt, die Fortbildung und Beratung anbieten. Mütterzentren, aber auch viele Familien- und Nachbarschaftszentren, sind Selbsthilfeeinrichtungen, in denen das Laienprinzip besonders deutlich ausgeprägt ist: Mütter leiten das Zentrum, übernehmen alle anfallenden Verwaltungsarbeiten, betreuen Kinder und führen Veranstaltungen für andere Frauen bzw. Familien durch. In der Regel arbeiten sie ehrenamtlich; oft wird eine Aufwandsentschädigung oder ein sehr niedriges Honorar gezahlt. Nur vereinzelt werden sie von ABM-Kräften oder fest angestellten Sozialpädagoginnen unterstützt.
In Mütter- und Familienzentren finden Interessierte eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Angebote der Kinderbetreuung, Frauen- und Familienbildung vor, die an den Bedürfnissen der Teilnehmer/innen orientiert sind und von diesen mitgestaltet werden. Dazu gehören z.B. Eltern-Kind-Gruppen, Betreuungsangebote mit festen oder offenen Gruppen, Mittagstisch, Babysitting oder Stillgruppen, Vortragsveranstaltungen, themenspezifische Gesprächskreise, Kurse, Bastelnachmittage, kreativ-künstlerische Projekte, Kabarett, Theater, Naturkostladen und Second-Hand-Shop. Besonders häufig sind offene Angebote, die eine niedrige Zugangsschwelle und einen geringen Verpflichtungscharakter haben. Zudem entsprechen sie dem Lebensrhythmus von Frauen mit (Klein-) Kindern, die sich nur schwer auf regelmäßige Termine festlegen können. Mütterzentren sind tagsüber jederzeit zugänglich - auch für eine Beratung durch Mitbetroffene, bei der gemeinsam nach einer Problemdefinition und -lösung gesucht wird.
Frauen, die in Mütterzentren aktiv werden, Veranstaltungen oder Beratung anbieten und dabei ihre im Familienalltag erworbenen Kompetenzen einsetzen, haben Erfolgserlebnisse und erfahren Anerkennung - was zu mehr Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen führt. Oft wird auch dadurch ein späterer Wiedereinstieg in die Arbeitswelt erleichtert. Mütter, die Angebote von Mütter- und Nachbarschaftszentren nutzen, kommen mit Frauen unterschiedlichen Alters und aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammen. So werden neue soziale Netze geknüpft und Vorurteile abgebaut, wird Nachbarschaftshilfe gefördert. Ein Austausch über das Familienleben und die Kindererziehung wird erleichtert, da alle Anwesenden gleichberechtigt sind und ähnliche Erfahrungen mitbringen. Durch das Gespräch über aktuelle Ereignisse vor Ort wächst das Interesse an der Kommunalpolitik und an einem Engagement für Kinder im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII. Auch setzen sich Mütterzentren bewußt für mehr Anerkennung und Unterstützung der Familienarbeit durch Politik und Gesellschaft ein.
Als Beispiel für Familienselbsthilfe bei besonderen Belastungen sollen Gruppen für Eltern mit behinderten Kindern dienen. Die Teilnehmer/innen solidarisieren sich schnell aus dem Gefühl gleicher Betroffenheit heraus, bieten einander Verständnis, Geborgenheit und emotionale Unterstützung. Sie tauschen sich über das Leben mit einem behinderten Kind, belastende Erlebnisse wie Stigmatisierung und Diskriminierung, persönliche Dinge und familiale Belange aus. Kenntnisse, Erfahrungen und Problemlösungen, die sie hinsichtlich der Behinderung gesammelt haben, werden an die anderen Eltern weitergegeben und können von diesen genutzt werden. Zu einzelnen Treffen werden oft auch Experten/innen eingeladen, die z.B. über Therapieformen, die schulische Förderung Behinderter, Hebetechniken, Hilfsmittel, Entspannungsübungen für Betreuer oder familienentlastende Dienste informieren. Ferner kommt es in Elterngruppen häufig zur gemeinsamen Freizeitgestaltung (Ausflüge, Spielnachmittage, Wochenendfreizeiten usw.) und zur Entlastung bei Alltagsproblemen (z.B. wechselseitige Kinderbetreuung).
Selbsthilfegruppen für Familien mit besonderen Belastungen können entweder selbständig sein oder Teil des Angebots eines Verbandes (z.B. Bundesvereinigung Lebenshilfe, Anonyme Alkoholiker, Bundesverband der Pflege- und Adoptiveltern) bzw. einer Einrichtung (Beratungsstelle, Sonderschule, Heim usw.) sein. Manche werden von Fachleuten mehr oder weniger locker begleitet. In der Regel beschränken sich die Gruppen auf eine genau spezifizierte Belastung (z.B. eine Behinderungsart, das Vorhandensein ausländischer Adoptivkinder) und manchmal zusätzlich auf eine bestimmte Altersgruppe. Angehörigengruppen beziehen die Person, von der die jeweilige Belastung ausgeht, nicht ein.
Nahezu alle Formen der Familienselbsthilfe leiden unter ihrer schlechten finanziellen Absicherung bzw. begrenzten Förderung durch Bund, Länder und Kommunen - entgegen § 4 Abs. 3 SGB VIII ("Die öffentliche Jugendhilfe soll ... die verschiedenen Formen der Selbsthilfe stärken.") und letztlich auch im Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip. Besonders bedauerlich ist dabei, daß Familienbildung im Kontext der Familienselbsthilfe sehr viel kostengünstiger als z.B. in Familienbildungsstätten oder Volkshochschulen ist. Das bedeutet aber nicht, daß hier beide Seiten unter Kostengesichtspunkten gegeneinander ausgespielt werden sollen - die institutionell organisierte und professionell verantwortete Familienbildung hat wie die Familienselbsthilfe ihre Existenzberechtigung. Beide Seiten erreichen unterschiedliche Gruppen von Eltern, haben verschiedene Arbeitsansätze.
In diesem Zusammenhang soll nochmals auf die Formulierung in § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII verwiesen werden, daß durch Familienbildung Familien zur Mitarbeit in Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe befähigt werden sollen. Diese Bestimmung richtet sich m.E. besonders an Familienbildungsstätten, aber auch an Erwachsenenbildungseinrichtungen, wobei die angesprochene Zielgruppe praktisch alle im Bereich der Familienselbsthilfe tätigen Personen umfaßt. Würde dieser rechtlichen Vorgabe entsprochen, würde ein anderes Problem von Selbsthilfeangeboten gemildert, nämlich die unzureichenden Möglichkeiten für die Vorbereitung und (Weiter-) Qualifizierung ehrenamtlicher Mitarbeiter/innen. Schließlich könnten Familienbildungsstätten, Volkshochschulen, Jugendämter, Kirchengemeinden u.a. die Selbsthilfegruppen durch das kostenlose Bereitstellen von Räumen für ihre Treffen und durch Werbemaßnahmen (Plakate, Anschläge, Hinweise in Beratungsführern usw.) unterstützen - insbesondere Jugendämter und Fachverbände auch durch die Vermittlung von Referenten, die Weitergabe relevanter Informationen und Materialien, die Einladung zu interessanten Veranstaltungen oder die Erleichterung der Kontaktaufnahme zu Entscheidungsträgern und psychosozialen Diensten (Vernetzung).
3.5 Jugendämter
Viele Kreis- und Stadtjugendämter machen eigene Angebote im Bereich der Familienbildung, die aber überwiegend nur der Ergänzung der Maßnahmen anderer Träger dienen (im Sinne des § 4 Abs. 2 SGB VIII). Dementsprechend sind nur selten einzelne Mitarbeiter/innen ausschließlich oder überwiegend für Aktivitäten nach § 16 SGB VIII zuständig. Eine Umfrage des Bayerischen Landesjugendamts ergab: "Jugendämter starten Initiativen im Kindergarten- und Schulbereich, um interessierte Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieher und Erzieherinnen über aktuelle Themen aus Erziehungs- und Familienalltag zu informieren und zur Zusammenarbeit anzuregen. Die Fachkräfte der Jugendämter halten z.B. Referate, nehmen an Elternabenden teil, führen Elterngespräche in enger Kooperation mit den entsprechenden Institutionen. Um Familien in den verschiedenen Lebenslagen und besonders auch in belastenden Situationen zu erreichen, veranstalten einige Jugendämter Familienseminare am Wochenende z.B. für Alleinerziehende, Pflege- und Stieffamilien. Für diese Zielgruppe findet zusätzlich themenbezogene Elterngruppenarbeit statt" (Däxl/ Hager/ Hillmeier 1993, S. 43). Das Jugendamt Altötting bietet z.B. auch Veranstaltungen und Wochenendseminare gemeinsam mit der Volkshochschule und der Arbeiterwohlfahrt an.
Eher offene und informelle Formen der Familienbildung werden im Kontext der Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit praktiziert. So ergänzen Gruppenangebote die einzelfallbezogene Arbeit sozialer Dienste. Sie werden aktiv an die Betroffenen herangetragen und finden in deren Lebenswelt statt. Die Angebote setzen bei der Familie als Ganzes an, berücksichtigen ihren Lebenszusammenhang und Alltag, fördern Selbsterfahrung und die Analyse der eigenen Situation sowie das Gespräch darüber mit anderen Familien. Die Teilnehmer/innen werden zu Selbst- und Nachbarschaftshilfe motiviert (vgl. Siebter Familienbericht 1986, S. 33 ff.).
Vereinzelt richten Jugendämter auch Anlaufstellen ein, die ähnliche Aufgaben wie Mütter- und Familienzentren (siehe Abschnitt 3.4) übernehmen. Beispielsweise gibt es in Erlangen einen Müttertreff in einer Drei-Zimmer-Wohnung, der von einer Sozialpädagogin betreut wird. Neben themenzentrierten Veranstaltungen, Freizeitangeboten, Mutter-Kind-Gruppen, Beratung und Vermittlung zu anderen Fachdiensten finden regelmäßig Sprechstunden des Allgemeinen Sozialdienstes statt. Und in Berlin gibt es sogenannte Nachbarschaftsheime, die den im Umkreis lebenden Familien ein Stück Heimat bieten sollen. Ihre Angebote wie Café- und Teestuben, Treffpunkte, Selbsthilfegruppen, Beratung, Kinderbetreuung und Freizeitaktivitäten sind auf eine breite Palette familialer Bedürfnisse zugeschnitten und ergänzen einander. "Es bieten sich vielfältige Ansatzpunkte, interfamiliale Kontakte zu stiften, den Dialog zwischen den Generationen zu verbessern, die spezifischen Belange von Familien mit behinderten oder chronisch kranken Kindern zu berücksichtigen und zur Integration von Familien aus anderen Ländern und Kulturen beizutragen" (Senat von Berlin 1995, S. 64). Die Vereinigung vieler unterschiedlicher Maßnahmen "unter einem Dach" in der Lebenswelt der Betroffenen erleichtert den Zugang. So werden auch Familien erreicht, die in der Regel von sich aus keine Angebote der Familienbildung und formellen Beratung nutzen. Zugleich werden längerfristige Betreuungen möglich: Manche (Problem-) Familien werden durch mehrere Phasen des Familienzyklus begleitet.
Wie bereits erwähnt, führen Jugendämter vereinzelt Familienbildungsmaßnahmen für bestimmte Familienformen durch, also für Alleinerziehende, Stief- oder Adoptivfamilien. Beispielhaft sollen an dieser Stelle Angebote für Pflegeeltern erläutert werden (vgl. Textor/ Warndorf 1995). Vorbereitungsseminare dienen der Erläuterung der Charakteristika und besonderen Probleme von Pflegefamilien im Vergleich zu anderen Familienformen. Neben der Gestaltung der Eingewöhnungsphase werden auch Rechtsfragen, der Kontakt zu den leiblichen Eltern des Kindes und die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt angesprochen. Noch intensiver als Vorbereitungsseminare sind sogenannte "Pflegeelternschulen", die oft einen richtigen Lehrplan haben und deren Besuch mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen kann. Hier werden den Pflegeeltern, die zumeist für die Aufnahme behinderter oder besonders schwieriger Kinder vorgesehen sind, relevante rechtliche, psychologische, pädagogische und medizinische Informationen vermittelt - z.B. über die kindliche Entwicklung, Verhaltensauffälligkeiten, Behinderungen, Therapieformen und relevante Hilfsangebote. Recht intensiv sind auch präventive Trainings für Pflegeeltern, die ebenfalls der Vorbereitung auf die Aufnahme verhaltensgestörter oder behinderter Kinder dienen. Hier wird besonderer Wert auf die Reflexion des Erziehungsverhaltens und das Erlernen heilpädagogischer oder therapeutischer Techniken gelegt. Im Rahmen der Nachbetreuung werden z.B. Pflegeelterngruppen und -gesprächskreise, Vortragsveranstaltungen, Wochenendseminare und Familienfreizeiten angeboten.
Bedauerlich ist, daß nur wenige Jugendämter derartige Vorbereitungs- und Nachbetreuungsmaßnahmen durchführen. Besonders brisant ist in diesem Zusammenhang, daß Pflegefamilien die einzige Familienform sind, die Jugendhilfemaßnahmen durchführt (Vollzeitpflege, § 33 SGB VIII). Sie sind damit nicht nur Partner der Jugendämter, sondern haben auch einen Anspruch auf Fortbildung. An dieser Stelle muß aber zumindest kurz erwähnt werden, daß viele freie Träger der Jugendhilfe, die Pflege- oder Adoptivkinder vermitteln, ebenfalls Vorbereitungs- und Nachbetreuungsmaßnahmen anbieten. Hier gibt es durchaus noch ungenutzte Chancen für eine Zusammenarbeit (siehe Abschnitt 3.8).
Ein Schwerpunkt der Familienbildungsarbeit vieler Jugendämter ist der Versand von Elternbriefen an alle Familien nach Geburt des ersten Kindes, die in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnen. Besonders häufig werden die Elternbriefe des Arbeitskreises Neue Erziehung oder die "Peter-Pelikan-Briefe" der Mental Health Organisation verschickt. Manche Jugendämter, wie z.B. das Stadtjugendamt München, haben auch eigene Elternbriefe erstellt. "Ziel dieser Form der Eltern-/ Familienbildung ist, die Eltern kontinuierlich und entsprechend ihrer aktuellen Interessenslage in bezug auf den Entwicklungsstand ihres Kindes zu erreichen, ihnen Informationen anzubieten und mögliche Formen des Erziehungsverhaltens nahezubringen" (Eisenbraun/ Schulz-Müllensiefen 1992, S. 86). Fast alle wichtigen pädagogischen Fragestellungen werden angesprochen, um Eltern zur Reflexion des eigenen und des kindlichen Verhaltens zu motivieren und ihre erzieherische Kompetenz zu stärken. Auch wird auf Beratungsmöglichkeiten hingewiesen. Elternbriefe werden überwiegend bis zum sechsten Lebensjahr des erstgeborenen Kindes verschickt, teilweise aber noch länger. Um ausländische Familien zu erreichen, versendet z.B. das Stadtjugendamt München seit 1984 auch "Elternbriefe" auf Kassetten in türkischer, italienischer und anderen Sprachen. Zu problematisieren ist, daß Elternbriefe nur selten aktualisiert werden, so daß ihre Inhalte oft veraltet sind.
3.6 Sonstige Anbieter
Neben den genannten gibt es eine Vielzahl weiterer Anbieter von Familienbildung, die aber oft nur von lokaler oder regionaler Bedeutung sind. Die nun folgende Aufzählung ist keinesfalls als vollständig zu betrachten:
- Wohlfahrtsverbände
- Familien- und Elternverbände
- Verband Alleinstehender Mütter und Väter sowie andere Selbsthilfegruppen für Alleinerziehende
- Behinderten- und andere Verbände, die sich um Familienmitglieder mit besonderen Krankheiten, Suchtproblemen, psychischen Störungen oder anderen Belastungen kümmern
- Frauenverbände und -zentren
- Beratungsstellen
- Sozialdienste für Ausländer
- Vereine, z.B. für Männer mit Gewaltproblemen
- Gesundheitsämter/ Säuglingsfürsorge
Der offenen und verbandlichen Jugendarbeit kommt eine besondere Bedeutung im Bereich der Ehevorbereitung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zu, der sie aber kaum gerecht wird. Jugendgruppen, Jugendzentren, Einrichtungen der Jugendbildung u.a. sollten jungen Menschen vermehrt die Möglichkeit bieten, sich frühzeitig mit ihren Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht auseinanderzusetzen, ein partnerschaftliches Verhalten einzuüben und ihre Vorstellungen über Ehe, Familie und Erziehung zu diskutieren.
Ein wichtiger Anbieter von Familienbildung sind schließlich noch die Pfarrgemeinden und besondere kirchliche Gruppierungen (z.B. Familienkreise, Schönstatt-Familienbewegung, Fokolarbewegung). So wird vor allem in der Katholischen Kirche großer Wert auf die Ehe- und Familienpastoral gelegt. Sie will Hilfen zur Gestaltung des Ehe- und Familienlebens geben, die personale Liebesgemeinschaft zwischen den Ehegatten fördern, die Glaubensbotschaft zur Lebenshilfe für Familien werden lassen sowie in Krisen beratend und unterstützend eingreifen. "Ehe- und Familienpastoral können und sollen typische Lebensphasen von Ehe und Familie aufgreifen, in besonderen Situationen spezielle begleitende Hilfen anbieten und das Leben mit der Gemeinde anregen" (Deutsche Bischofskonferenz 1985, S. 21). Hier findet die Jugendhilfe auch einen natürlichen Verbündeten in ihrem Engagement für eine kinder- und familienfreundliche Umwelt im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII: "Ehe- und Familienpastoral verlangen in ihrer Konsequenz den entschiedenen Einsatz zur Mitgestaltung der Rahmenbedingungen für Ehe und Familie in allen Bereichen des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens" (a.a.O., S. 25).
3.7 Besondere Programme
Die üblichen Angebote der Familienbildung - Kurse, Vortragsveranstaltungen, Elterngruppen usw. - reichen in manchen Fällen nicht aus, um die für eine gesunde Entwicklung von Kindern und Erwachsenen notwendigen Veränderungen in der jeweiligen Familie zu bewirken. Auch werden oft Familien nicht erreicht, in denen Probleme später so ausufern, daß sie beratungsbedürftig werden. So stellten zwei Familientherapeuten folgendes fest: "Wir hatten erlebt, daß Eltern oft mit 'einfachen' alltäglichen Erziehungsproblemen (wie z.B. Schwierigkeiten beim Anziehen, beim Essen, beim Hausaufgabenmachen, beim Zubettgehen) nicht konstruktiv und kreativ umgehen konnten. Wir bemerkten, daß zwischenmenschliche kommunikative Fertigkeiten, sei es nun in der Eltern-Kind- oder in der Partner-Beziehung, häufig unterentwickelt sind. Uns bereitete Sorgen, daß Eltern und Familien meist erst dann aktiv werden und therapeutische Hilfe aufsuchen, wenn Probleme so belastend geworden sind, daß die eigenen Fähigkeiten und/ oder die Integrationskräfte der Familie nicht mehr ausreichen, um positive und hilfreiche Veränderungen herbeizuführen" (Müller/ Moskau 1983, S. 357).
Um (noch) unverheiratete Partner, Ehegatten und Eltern vor einem solchen Schicksal zu bewahren, intensive positive Veränderungen in der Paar- bzw. Eltern-Kind-Beziehung zu bewirken und um verdeckte Stärken bewußt zu machen, wurden deshalb von Psychologen und anderen Fachleuten präventive Programme entwickelt. Sie unterscheiden sich von anderen Angeboten der Familienbildung vor allem dadurch, daß sie strukturiert sind (Leitfaden, schriftliche Materialien), zumeist von besonders ausgebildeten Fachkräften durchgeführt werden und in der Regel hinsichtlich ihrer Auswirkungen von Wissenschaftlern evaluiert wurden. Sehr viel mehr Wert wird auf Selbsterfahrung, praktische Übungen (Rollenspiel, Familienskulptur, Kommunikationstraining), Hausaufgaben, Lösung aktueller Probleme und das Bewirken beobachtbarer Verhaltensänderungen gelegt. Die Breitenwirkung dieser Programme ist jedoch eher gering, da sie zumeist recht kostspielig sind. Auch hier wirkt sich also aus, daß für Prävention nur selten öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden - und wenn, dann eher in geringer Höhe und zeitlich begrenzt (z.B. für die Dauer der Programmentwicklung und -evaluation). So bleibt zu hoffen, daß ihre Darstellung vielleicht den einen oder anderen Jugendhilfeträger zu einem erstmaligen oder größeren Engagement auf diesem Gebiet motiviert.
3.7.1 Ehevorbereitung
Ein polnischer Psychologe, der seit vielen Jahren im Auftrag der Katholischen Kirche Brautleuteseminare durchführt, schrieb einmal konsterniert: "Immer wieder frappierend wirkt auf mich das Ungleichgewicht, das zwischen der Berufs- und der Ehevorbereitung besteht. Es handelt sich dabei nicht nur um die bereitgestellten Mittel, sondern auch um die Bedeutung, die diesen beiden Arten der Lebensvorbereitung beigemessen wird" (Szopiski 1983, S. 31). Dies wundert um so mehr, wenn man bedenkt, daß seit Jahren Politiker, Wissenschaftler, Psychiater, Erziehungsberater, Vertreter der Kirchen u.a. die wachsenden und nunmehr sehr hohen Scheidungsraten und insbesondere die Folgen dieser Entwicklung für die betroffenen Kinder beklagen und daß seit langem der Zusammenhang zwischen gestörten Ehebeziehungen und kindlichen Verhaltensauffälligkeiten bekannt ist.
Die geringe Bedeutung, die seitens Staat und Gesellschaft der Ehevorbereitung und damit der Prävention von Trennungen beigemessen wird, spiegelt sich in dem geringen Interesse von deutschen Wissenschaftlern, Psychologen und Sozialpädagogen an der Entwicklung, Durchführung und Evaluation entsprechender Programme wider. Eine andere Situation ist z.B. in den USA gegeben. Hier wurden schon im Jahre 1985 rund 40 bis 50 verschiedene Ehevorbereitungsprogramme ermittelt, zu denen noch viele Varianten hinzukamen (Weng/ Revenstorf 1987). Generell wurde zwischen kirchlichen und nichtkirchlichen Programmen unterschieden bzw. solchen, bei denen Vorträge, bei denen Gruppen- und Paargespräche oder bei denen praktische Übungen im Mittelpunkt stehen. Wichtige, für einzelne Programme charakteristische Schwerpunkte sind die Verhinderung der unbewußten Nachahmung des Lebensstils der Eltern der Teilnehmer/innen, die Bewußtmachung irrationaler Vorstellungen und Wünsche, die Analyse des Bilds vom Partner und der Austausch über Erwartungen hinsichtlich der Arbeitsteilung im Haushalt, der Anzahl der Kinder und ihrer Erziehung. Ferner sollen die Teilnehmer/innen ihr eigenes Verhalten und die dadurch hervorgerufenen Reaktionen des Partners reflektieren. Weitere zentrale Ziele sind die Verbesserung der Paarkommunikation, die Förderung von Selbstöffnung und Empathie, das Lernen des Aushandelns von Abmachungen sowie die Vermittlung von Problem- und Konfliktlösetechniken.
In Deutschland ist "Ehevorbereitung - ein Partnerschaftliches Lernprogramm" (EPL) am weitesten verbreitet (Hahlweg et al. 1993; Thurmaier et al. 1992), die deutsche Fassung des PREP (Premarital Relationship Enhancement Program; Markman et. al. 1986). Im Jahre 1994 gab es bereits 700 Kursleiter/innen in der Bundesrepublik, in Österreich und Luxemburg. In der Regel führt ein Trainerpaar, das eine sechstägige Ausbildung und Supervision erhalten hat, mit jeweils vier Paaren einen Kurs durch, der entweder sechs Abende oder ein Wochenende in Anspruch nimmt. Während der ersten drei Einheiten werden häufige Kommunikationsfehler verdeutlicht und beziehungsfördernde Gesprächsmuster (Verwendung der Ich-Form, konkrete Äußerung angemessener Wünsche, Gegenwartsorientierung usw.) sowie Problemlösestrategien vermittelt. Die Gesprächsfertigkeiten werden zunächst von den Trainern vorgestellt. Dann werden sie unter ihrer Anleitung spielerisch bzw. in Rollenspielen anhand vorgegebener Themen eingeübt. Schließlich werden sie von den Paaren bei Gesprächen über sie bewegende Fragen oder Konflikte eingesetzt, die separat in einem geschützten Rahmen stattfinden, also unbeobachtet von den anderen Teilnehmer/innen. Hier werden jeweils zwei Paare von einem Trainer formal begleitet, der nur auf die Einhaltung der Gesprächsregeln (und nicht auf die -inhalte) achtet. Lösen die Partner die von ihnen angesprochenen Probleme, können die Erfolgserlebnisse ihr Vertrauen in die eigene Fähigkeit stärken, auch zukünftige größere Schwierigkeiten bewältigen zu können. "In den darauf folgenden Einheiten werden dann die erlernten Fertigkeiten an speziellen Themenkreisen angewandt und eingeübt. Im einzelnen sprechen hier die Paare darüber, was ihnen für ihre Ehe/ Partnerschaft wichtig ist, welche Erwartungen sie an diese haben (4. Einheit), wie sie sich ihre erotische und sexuelle Begegnung vorstellen (5. Einheit) und was für sie christlich gelebte Ehe bedeutet (6. Einheit)" (Thurmaier et al. 1992, S. 120). Dabei werden auch irrationale Einstellungen und Zuschreibungen aufgezeigt. Mancherorts können die EPL-Paare später Auffrischungs- oder Geburtsvorbereitungskurse besuchen.
Sowohl EPL als auch der amerikanische Vorläufer PREP wurden hinsichtlich ihrer Auswirkungen untersucht, und zwar zwei Wochen, ein Jahr und drei Jahre nach Durchführung der Kurse (Hahlweg et al. 1993; Markman et al. 1986; Thurmaier et al. 1992). Nicht überraschend ist das Ergebnis, daß zum ersten Meßzeitpunkt die EPL-Paare gegenüber der Kontrollgruppe ein deutlich verbessertes Kommunikationsverhalten zeigten, während es hinsichtlich Beziehungsqualität und Problembelastung kaum Unterschiede gab. Hingegen überrascht, daß sowohl in den USA als auch in Deutschland die Zufriedenheit mit der Ehebeziehung und die Qualität der Kommunikation bei den Versuchsgruppen zwischen dem ersten und dritten Jahr nach dem Kurs zunahmen, was für die Kontrollgruppen nicht galt. Nur 9,8% der EPL-Paare hatten sich gegenüber 29,2% der Kontrollgruppenpaare getrennt oder scheiden lassen. Selbst drei Jahre nach dem Kurs bestätigten über 98% der Paare, daß sie noch etwas aus dem EPL-Programm anwenden würden. Diese positiven Ergebnisse werden durch eine von Hahlweg und Markman (1988) durchgeführte Metaanalyse zu sieben amerikanischen Untersuchungen über Ehevorbereitungsprogramme bestätigt. Für diese wurde im Durchschnitt eine mittlere Effektstärke von 0,79 ermittelt (kleine Effektstärke: 0,20 - 0,39; mittlere Effektstärke: 0,40 - 0,79; große Effektstärke: > 0,80).
In Deutschland wird EPL überwiegend im Auftrag der Katholischen Kirche angeboten. Bedenkt man die weiter oben gemachten Ausführungen über die Bedeutung der Ehe- und Familienpastoral (siehe Abschnitt 3.6), so überrascht nicht, daß die Katholische Kirche in der Regel allen Paaren vor der Trauung irgendeine Form der Ehevorbereitung anbietet - von einem ausführlichen Gespräch mit dem Priester über Brautleutetage oder -wochenenden, mehrtägige Seminare und Veranstaltungen für Brautleute verschiedener Konfessionen (oft zusammen mit evangelischen Pfarrern) bis hin zu Intensivkursen wie EPL. Diese Angebote verdeutlichen die Sorge der Kirche um das Schicksal von Ehe und Familie; sie gehören zum Dienst am Menschen. Sie dienen der Förderung von Partnerfähigkeiten und der Vermittlung katholischer Grundpositionen, damit die sakrale Wirklichkeit der Ehe gelebt werden kann.
Abgesehen davon, daß nichtkatholische Paare nur selten von Programmen wie EPL erfahren und an diesen teilnehmen können, sind viele junge Paare an einer Ehevorbereitung nicht interessiert. Das überrascht nicht, ist doch diese Phase des Familienzyklus durch intensive positive Gefühle und ein idealisiertes Bild vom Partner gekennzeichnet (vgl. Abschnitt 2.2). Zu wenig bewußt ist, daß die Art und Qualität der Bewältigung der beim Übergang zur Ehe anfallenden Entwicklungsaufgaben, Probleme und Konflikte sozusagen der Präzedenzfall für spätere Transitionen und Phasen des Familienzyklus ist. Hier erfahren die Partner, ob sie gemeinsam, effizient und erfolgreich solche Herausforderungen meistern können oder nicht. Da die Beziehung noch nicht ausgestaltet ist und da die Partner viel offener als später für Veränderungen sind, werden die in Ehevorbereitungsprogrammen vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten gut aufgenommen und umgesetzt. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, daß die "Präzedenzfälle" erfolgreich verlaufen und das Paar einen Weg der positiven Weiterentwicklung einschlägt. Werden die Partner später mit neuen Problemen und Konflikten konfrontiert - was im Leben unvermeidbar ist -, dann besitzen sie genügend Selbstvertrauen und die notwendigen Kompetenzen, um auch diese Herausforderungen bewältigen zu können.
3.7.2 Ehebereicherung
Es ist offensichtlich, daß auch mehr oder weniger lang verheiratete Paare von präventiven Angeboten mit einer ähnlichen Zielsetzung wie bei den vorgenannten Ehevorbereitungsprogramme profitieren würden. Auf diese Weise könnte einer Verschlechterung der Ehequalität vorgebeugt werden. Der Staat muß daran ein großes Interesse haben, da dysfunktionale Ehebeziehungen mit gesellschaftlich sehr ernst zu nehmenden Begleiterscheinungen verbunden sind: psychische und (psycho-) somatische Beschwerden, Gewalt in der Ehe, Alkohol- und Medikamentenmißbrauch, sexuelle Störungen, Ehescheidung usw. Aber auch der Jugendhilfebereich sollte interessiert sein, führen doch Ehekonflikte oft zu kindlichen Verhaltensauffälligkeiten und Kindesmißhandlung. Beispielsweise ergab eine prospektive Längsschnittuntersuchung über 315 Familien, daß Kinder aus disharmonischen Partnerbeziehungen bereits im Alter von zwei Jahren hochsignifikant mehr Symptome aufwiesen als gleichaltrige Kinder aus harmonischen Ehen (Weindrich et al. 1992). Verbesserte sich die Ehequalität zwischen den beiden Meßpunkten (erstgeborenes Kind in Alter von drei Monaten bzw. von zwei Jahren), entwickelten sich ursprünglich auffällige Kinder positiv weiter. So kann man davon ausgehen, daß durch Eheprobleme das Erziehungsverhalten beeinträchtigt wird und die Kinder weniger Zuwendung erfahren. Deshalb ist verwunderlich, wieso in § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII besonders auf die Ehevorbereitung eingegangen wird, nicht aber auf die Ehebereicherung.
Noch gibt es in Deutschland kaum Angebote zur Ehebereicherung. In den USA wurde hingegen eine ganze Reihe von Programmen entwickelt, erprobt und teilweise auch evaluiert. Dazu gehören z.B. das "Couples Communication Program" von Nunnally, Miller und Wackman (Ausrichtung an Rogers Gesprächspsychotherapie), "Marriage Encounter" von Tengbom und Sell (Schwerpunkt auf Wertfindung, Einstellungsänderung, Gefühlsausdruck und Verbesserung der Kommunikation), "Relationship Enhancement" von Guerney u.a. (integrativer Ansatz mit Schwerpunkt auf der Vermittlung von Gesprächs- und Problemlösefertigkeiten, auf Verhaltensänderung und Psychodynamik) sowie "Personal Growth in Marriage Program" von Malcolm (Ausrichtung an Adlers Individualpsychologie). Die Programme unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer Schwerpunktsetzung, sondern auch bezüglich der Zahl und Dauer der Treffen, der Ausbildung der Kursleiter/innen, der Didaktik und Methodik. Kognitives und Erfahrungslernen, Gruppen- und Paargespräche, individuelle und dyadische Weiterentwicklung werden unterschiedlich gewichtet.
Besonders soll noch auf die vom Ehepaar Mace gegründete "Association for Couples in Marriage Enrichment" (ACME) hingewiesen werden (Mace 1987). Dieser aus vielen Ortsgruppen bestehende Verband bietet Paaren eine kostengünstige wechselseitige Unterstützung, die auf Dauer angelegt ist und unter Umständen lebenslang sein kann. Neben Wochenendfreizeiten werden regelmäßig Gruppentreffen durchgeführt, bei denen die Partner offen und ehrlich über ihre Beziehung sprechen. Dies führt die Paare zusammen und motiviert zu gegenseitiger Hilfestellung. Die Leitung der Ortsgruppen wird von Ehepaaren übernommen, die von diesem Programm profitiert haben und später eine besondere Ausbildung mit Erwerb eines Zertifikats durchlaufen haben. Parallelen zur Familienselbsthilfe dürften evident sein.
3.7.3 Eltern- und Familientraining
Zur Elternbildung wurde eine ganze Reihe von Programmen entwickelt. Generell lassen sich vier Schwerpunkte unterscheiden, die je nach Programm unterschiedlich stark ausgeprägt und mit verschiedenen Methoden verknüpft sind: (1) Informationsvermittlung: Hier geht es vor allem um psychologische und pädagogische Kenntnisse, also z.B. um die Entwicklung von Kindern, Erziehungsstile und -techniken, Verhaltenskontrolle und Förderung des Lernens. Die vorgesehenen Informationen werden in (Kurz-) Vorträgen, im Gespräch, durch schriftliche Materialien wie Begleithefte und Bücher oder durch Kassetten vermittelt. (2) Selbsterfahrung: Die Eltern sollen prägende Erfahrungen aus ihrer Kindheit aufarbeiten und sich fragen, inwieweit ihr Erziehungsverhalten durch dasjenige der eigenen Eltern beeinflußt wird. Sie sollen sich ihres eigenen Erziehungsstils und der ihn bestimmenden Faktoren (z.B. Menschenbild, Werte, Sicht des Kindes und seiner Bedürfnisse) bewußt werden. Häufig eingesetzte Methoden sind Gruppendiskussion, Einzel- oder Paaraktivitäten, Fragebögen und Hausaufgaben wie das Führen eines Tagesbuches. (3) Aneignen von Fertigkeiten: Neben der Verbesserung der Kommunikation in der Familie geht es hier vor allem um die Vermittlung von Erziehungstechniken wie Lob und Strafe bzw. positive und negative Verstärkung, um Modellernen und das Setzen von Regeln bzw. Grenzen, um das Lösen von Konflikten mit Kindern und das Aushandeln von Vereinbarungen. Häufig eingesetzte Methoden sind das Vormachen und Einüben von Fertigkeiten, Rollenspiele und Hausaufgaben - die Verwendung gelernter Techniken in der Familie. (4) Problemlösetraining: Die Eltern lernen, Probleme zu definieren, in leichter lösbare Teilprobleme zu zerlegen, alternative Lösungswege und mögliche Konsequenzen zu überlegen, eine Option auszuwählen und umzusetzen sowie die Effektivität ihres Handelns zu überprüfen. Oft werden neben Gruppendiskussionen schriftliche Materialien, Paarübungen und Hausaufgaben eingesetzt. Deutlich wird, daß bei diesen Programmen die Teilnehmer/innen immer nur in ihrer Rolle als Eltern angesprochen werden; andere Lebensbereiche werden weitgehend ausgeklammert.
Eines der bekanntesten amerikanischen Elterntrainingsprogramme ist das "Parent Effectiveness Training" (PET) von Gordon (1972), das auch in Deutschland viele Anhänger hat. Es basiert auf Rogers Gesprächspsychotherapie. So sollen Eltern in ihrer Familie eine entwicklungsfördernde Atmosphäre schaffen, indem sie ihren Kindern gegenüber ein Höchstmaß an emotionaler Wärme, unbedingter positiver Wertschätzung, Akzeptanz, Echtheit und Empathie zeigen. Im Gegensatz zu anderen Programmen werden Eltern beim PET angehalten, auf Belohnungen und Strafen weitgehend zu verzichten und statt dessen nichtkontrollierende Methoden wie konfrontative Ich-Botschaften, "Tauschhandel" oder Veränderung des Kontextes einzusetzen. Anordnungen, Drohungen, moralisierende Äußerungen, Kritik, Spott u.ä. sollen durch offene Fragen, aktives Zuhören und Ich-Botschaften ersetzt werden. Ferner werden Problem- und Konfliktlösetechniken vermittelt. Viel Wert wird auf Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte der Kinder ("Familienkonferenz") sowie auf die Selbständigkeitserziehung gelegt.
Andere Elterntrainingsprogramme (siehe Fine 1989) beruhen auf lerntheoretischen bzw. verhaltenstherapeutischen Ansätzen (z.B. Patterson) oder auf Adlers Individualpsychologie (Dreikurs, Dinkmeyer). Das "Active Parenting Program" von Popkin zeichnet sich durch einen intensiven Medieneinsatz aus. Es umfaßt neben einem Handbuch für den Kursleiter 45 lehrreiche Szenen auf Video, ein Begleitheft und Fragebögen. Praktische Übungen und Rollenspiele in der Gruppe werden zum Teil gefilmt; die Aufnahmen werden anschließend besprochen. Besonderer Wert wird auf den Einsatz erlernter Gesprächs- und Erziehungstechniken in der Familie gelegt ("Hausaufgaben"). Ein Kurs erstreckt sich über sechs Abende.
Zu den in Deutschland entwickelten Programmen gehört z.B. das "Präventive Elterntraining" von Müller und Moskau (1983). Hier lernen die Eltern, den Zusammenhang zwischen ihrem eigenen Verhalten und den in ihren Herkunftsfamilien gemachten Erfahrungen auf der einen und dem Verhalten ihrer Kinder auf der anderen Seite zu verstehen. Ferner wird die konstruktive Bewältigung von Konflikten, Kommunikationsstörungen und Erziehungsschwierigkeiten gefördert. Die Stärken der Eltern werden herausgearbeitet und genutzt. Der Kurs wird mit maximal sechs Paaren durchgeführt und dauert zwei Wochenenden bzw. sechs bis acht Abende im Verlauf von drei Monaten. Nach mehreren Monaten folgt eine Auffrischungsveranstaltung. In der Form des "Präventiven Familientrainings" erlaubt dieses Programm die Einbeziehung von Kindern im Alter von sechs bis 16 Jahren.
Das neuste deutsche Elterntrainingsprogramm wird derzeit von Fthenakis im Auftrag des Deutschen Familienverbandes entwickelt (Wenn aus Partnern Eltern werden 1995). Es konzentriert sich auf den Zeitraum von der Schwangerschaft bis hin zum vierten Lebensjahr des erstgeborenen Kindes. Entsprechend viele Themen werden für Gruppentreffen in der Handreichung zu diesem Programm aufbereitet. Fthenakis geht davon aus, daß Ehepaare während des Übergangs zur Elternschaft (siehe Abschnitt 2.2) einer besonderen Unterstützung bedürfen. Vor allem ihre Beziehung muß stabilisiert werden: "Die Arbeit mit den Paaren will ihnen ihre eigenen Veränderungen bewußt machen. Sie will ihnen helfen, daß sie lernen, Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten zu akzeptieren, und ein neues Konfliktverständnis zu entwickeln in dem Sinne, daß Konflikte notwendig sind, aber konstruktiv einer Lösung zugeführt werden müssen. Weiter geht es darum, eine Art Krisenmanagement zu erlernen und typische Reaktionsmuster in der Paarbeziehung zu erkennen" (a.a.O., S. 27). Ein anderes zentrales Ziel ist zu verdeutlichen, daß Väter genauso wichtig wie Mütter für die Entwicklung eines Kindes sind und sich deshalb intensiv an der Pflege und Erziehung ihrer Kinder beteiligen sollten. Ansonsten werden alle in diesem Abschnitt des Familienzyklus relevanten Themen angesprochen, wobei sich die Gruppenarbeit entweder eher auf den Wissenserwerb oder auf die Selbsterfahrung (Paardynamik, Überdenken der Elternrolle) konzentrieren kann. Welche Möglichkeit gewählt wird, hängt neben den Teilnehmerwünschen vor allem von den Kursleitern (Paare) ab.
In den letzten Jahren wurden auch Programme für bestimmte Familienformen entwickelt. Dazu gehören die bereits vorgestellten Pflegeelternschulen und präventiven Trainings (siehe Abschnitt 3.5). Ein anderes Beispiel ist das von Duncan und Brown (1992) entwickelte Programm RENEW. Es richtet sich an Stieffamilien und soll ihnen helfen, die eigenen Stärken und Entwicklungspotentiale zu entdecken - in der (Fach-) Öffentlichkeit würden zu sehr häufige Probleme dieses Familientyps betont. RENEW umfaßt sechs Broschüren, die von den Familien zu Hause durchgearbeitet werden. In ihnen werden mögliche Stärken von Zweitfamilien herausgestellt, die durch jeweils acht bis zehn Übungen gefördert werden können. Zusätzlich können die Familien auf die Unterstützung von ehrenamtlichen oder professionellen Helfern zurückgreifen. Ein Familientrainingsprogramm für Familien mit psychisch kranken Mitgliedern wurde z.B. von Müller, Hahlweg, Feinstein und Dose (1990) entwickelt.
Medway (1989) wertete 27 Untersuchungen über die Wirkungen amerikanischer Elterntrainingsprogramme aus. Neben dem "Parent Effectiveness Training" (Gordon) wurden vor allem verhaltenstherapeutisch und individualpsychologisch orientierte Ansätze evaluiert. Der Überblick zeigte, daß bis auf wenige Ausnahmen alle Effekte positiv waren. Im Vergleich zu den Kontrollgruppen änderten sich sowohl Einstellungen als auch Verhaltensweisen bei Eltern und Kindern in der gewünschten Richtung, wobei die meisten Veränderungen auf Dauer waren. Selbst wenn diese Untersuchungen nicht höchsten wissenschaftlichen Standards entsprachen, so belegten sie doch die Effektivität der Elterntrainingsprogramme. Diese sind somit durchaus einer Förderung durch die öffentliche und freien Jugendhilfe würdig.
3.7.4 Hausbesuchsprogramme
Insbesondere für Familien, die durch üblichere Formen der Familienbildung nicht erreicht werden, wurden mancherorts Hausbesuchsprogramme entwickelt. In den USA richten sie sich vor allem an unterprivilegierte Familien mit Kindern unter drei Jahren. Der Grund für die Entwicklung dieser Programme liegt in der Erkenntnis, daß insbesondere bei ungünstigen Familienverhältnissen Entwicklungsdefizite und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern schon vor deren dritten Lebensjahr entstehen. Erfolgt ihre Diagnose erst nach der Anmeldung in vorschulischen Einrichtungen oder gar erst nach der Einschulung, können sie oft nur noch durch kostspielige heilpädagogische oder therapeutische Maßnahmen gemildert werden. Hausbesuchsprogramme wie "Homestart", "Verbal Interaction Project", "Child and Family Resource Programs", "Parent-Child Development Centers" oder "Brookline Early Education Project" beruhen auf der Überlegung, daß frühzeitige präventive Interventionen in Familien mit entsprechend gefährdeten Kleinstkindern nicht nur kostengünstiger, sondern auch effektiver sind (Vartuli/ Winter 1989).
Das "Parents as Teachers Program" (PAT) beruht auf dem "Parent Education Model" von White und Kollegen. Es ist z.B. in dem amerikanischen Bundesstaat Missouri weit verbreitet, wo 1987/ 88 rund 30% aller Familien einbezogen wurden (a.a.O.). Seit 1991 wird es auch in New South Wales (Australien) eingesetzt (Amm/ Juan 1994). Ehepaare, die ihr erstes Kind erwarten, werden ab dem letzten Trimester der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr des Erstgeborenen begleitet. Während der monatlichen Hausbesuche, die etwa eine Stunde dauern, werden Interaktionen zwischen Eltern und Kind beobachtet und besprochen, Erziehungsfragen geklärt und Erziehungstechniken (z.B. für die Reinlichkeitserziehung) vermittelt. Ferner werden die Kinder regelmäßig getestet; die Ergebnisse werden mit den Eltern diskutiert. Wichtige Bestandteile dieses Programms sind ferner Gruppentreffen mit Kurzreferaten, Filmvorführungen und Erfahrungsaustausch sowie vereinzelt offene Angebote (Kaffeestunde) und Möglichkeiten zum Ausleihen von Spielzeug oder Bilderbüchern. "Die Eltern werden ermutigt, sich selbst (1) als Designer, die eine sichere, die Neugier ihres Kindes stimulierende, Erforschung und Einübung sich entwickelnder Fertigkeiten zulassende Umwelt schaffen, (2) als Berater, die ihrem Kind immer zur Verfügung stehen, unmittelbar und enthusiastisch (sofern angezeigt) reagieren und dabei eine altersgemäße Sprache verwenden, und (3) als Aufsichtspersonen zu sehen, die feste und konsistente Grenzen setzen" (Vartuli/ Winter 1989, S. 105). Begleituntersuchungen in Missouri ergaben, daß die Kinder signifikant bessere Ergebnisse bei Intelligenz-, Leistungs- und Sprachtests erzielten. Die Eltern besaßen mehr pädagogische Kenntnisse. Sie waren mit dem Programm, insbesondere den Hausbesuchen, sehr zufrieden.
Ein weniger kostspieliges Programm ist das "Maternal Infant Health Outreach Worker"-Projekt in den Appalachen und dem Mississippi-Delta, zwei besonders benachteiligten Regionen in den USA (Matthews-Taylor 1995). Hier wurden "erfolgreiche" Mütter aus den jeweiligen Gemeinden als Hausbesucherinnen rekrutiert und ausgebildet, die pro Besuch 20 $ plus Kilometergeld erhalten. Sie suchen bis zu 40 Familien pro Monat auf, um die Mütter hinsichtlich der Pflege eines Neugeborenen bzw. der Kindererziehung zu beraten, wobei sie selbst aktiv werden und dadurch als Vorbild wirken. Auch leihen sie (Bilder-) Bücher und Puzzles aus. Ferner helfen sie bei praktischen Problemen wie der Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer geeigneten Wohnung.
Ähnliche Hausbesuchsprogramme gibt es auch in Europa (siehe Home visiting programmes in Europe 1995). Beispielsweise wurden in Großbritannien von 1980 bis Mitte 1995 rund 25 000 Familien im Rahmen des "Child Development Programme" von Krankenschwestern aufgesucht, die mit den Eltern über die Gesundheit, Entwicklung und Ernährung ihrer Kinder sprachen. Ferner mußten die Eltern bis zum nächsten Hausbesuch bestimmte Aktivitäten durchgeführt haben. In Irland gibt es ein ähnliches Programm, bei dem ausgebildete, erfahrene Mütter unter Anleitung von Familienpflegerinnen Hausbesuche machen. Beide Projekte wurden von der Universität von Bristol wissenschaftlich begleitet. Relevante Forschungsergebnisse waren eine gesündere Ernährung der Kinder, ein besserer Gesundheitszustand, weniger Verhaltensauffälligkeiten und weniger Fälle von Kindesmißhandlung als in der Kontrollgruppe (andere Familien aus benachteiligten Regionen).
In den Niederlanden besuchen im Rahmen des Programms "Moeders informeren moeders" ausgebildete Mütter aus strukturschwachen Gebieten Familien aus derselben Gemeinde und beraten sie nach der Geburt des ersten Kindes. Von größerer Bedeutung sind die von der Averroès Stiftung initiierten und wissenschaftlich begleiteten Programme "Instapje" (null- bis zweijährige Kinder als Zielpersonen), "Opstapje" (zwei- bis vierjährige Kinder), "Opstap Opnieuw" (vier- bis sechsjährige Kinder) und "Overstap" (Schulkinder), durch die 1994 rund 10 000 Mütter mit Kindern erreicht wurden. Sie sollen die Integration von Familien aus Surinam, den Antillen, Aruba und anderen Ländern fördern, die in den Niederlanden leben. So steht das Erlernen der holländischen Sprache im Mittelpunkt. Gleichzeitig wird aber auch die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung verbessert, insbesondere was das Ausmaß an Interaktion, die emotionale Unterstützung, das Respektieren der kindlichen Autonomie und das Ziehen von Grenzen betrifft. Die Hausbesucherinnen - von der Averroès Stiftung ausgebildete und zumeist von der örtlichen Behörde bezahlte Paraprofessionelle, die häufig aus demselben Kulturkreis wie die besuchten Familien stammen - kommen einmal pro Woche für eine Stunde. Sie bringen ein Arbeitsheft für die kommende Woche mit, in dem für jeden Tag bestimmte Aktivitäten mit dem Kind beschrieben sind. Diese Aktivitäten machen sie vor - wenn die Kinder anwesend sind - und lassen dann die Mütter fortfahren oder - wenn die Kinder abwesend sind - sprechen sie mit den Müttern durch, wobei unter Umständen deren Heimatsprache verwendet wird (auch die meisten schriftlichen Materialien liegen in verschiedenen Sprachen vor). Die Mütter werden angehalten, die Entwicklung ihrer Kinder mit Hilfe der ihnen übergebenen Materialien, Spielsachen und Bilderbücher, bestimmter Aktivitäten und einer sinnvollen Nutzung von Alltagssituationen zu fördern. Bei einigen der vier Programme werden zusätzlich Spielkreise und Müttergruppen angeboten. Overstap ist in erster Linie ein Leseprogramm, bei dem Unterrichtsinhalte erneut durchgegangen werden.
In Deutschland wird seit 1991 das in Israel entwickelte Hausbesuchsprogramm "Home Instruction Program for Pre-School Youngsters" (HIPPY) in Bremen und Nürnberg durchgeführt, in erster Linie mit Aussiedlerfamilien. Da es sich hier um den Vorläufer des gerade erwähnten "Opstap Opnieuw" handelt, kann auf eine Beschreibung verzichtet werden. Zu ergänzen ist nur, daß hier zusätzlich die Begegnung mit eingesessenen Familien und die Einbindung in soziale Gruppen wie Kirchengemeinden oder Selbsthilfegruppen angestrebt werden.
Ansonsten sind Hausbesuchsprogramme in Deutschland außerordentlich selten. Vielleicht wird in der Bundesrepublik die Privatsphäre von Familien zu sehr respektiert. Unterprivilegierte Familien, Familien in sozialen Brennpunkten oder andere potentielle Problemfamilien, die von sich aus keine Familienbildungsangebote in Kindertagesstätten, Familien- oder Erwachsenenbildungseinrichtungen, Kirchengemeinden, Jugendämtern usw. nutzen, werden somit durch präventive Maßnahmen nicht erreicht. Da sie z.B. bei Erziehungsproblemen oder Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder in der Regel auch keine Beratungsstellen aufsuchen, erfahren sie unter Umständen erst dann Hilfe durch den Allgemeinen Sozialdienst bzw. das Jugendamt, nachdem es zu Gewalttätigkeiten oder anderen extremen Vorfällen gekommen ist. So soll die Darstellung der ausländischen Hausbesuchsprogramme dazu motivieren, diese präventiven Angebote mehr als bisher zu bedenken und zu praktizieren.
3.8 Ein System der Familienbildung
Beim Lesen der Abschnitte 3.1 bis 3.7 ist sicherlich aufgefallen, wie vielfältig die Möglichkeiten der Familienbildung sind und wie viele Anbieter sich in diesem Bereich betätigen. Außerdem wurde deutlich, daß Zielgruppen wie Väter, unterprivilegierte oder ausländische Familien, Aussiedler, Familien in bevölkerungsarmen Regionen u.a. kaum erreicht werden, daß mancherorts Angebote für seltenere Familienformen wie Alleinerziehende, Pflege- und Adoptivfamilien oder für Familien mit besonderen Belastungen (Arbeitslosigkeit, Behinderung, Krankheit, Drogensucht, Alkoholismus usw.) fehlen. Unter diesen Umständen kommt den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe eine besondere Bedeutung zu, da sie die Gesamtverantwortung für den Bereich der Familienbildung haben und somit im Rahmen der Jugendhilfeplanung den Bedarf ermitteln und sicherstellen sollen, daß die erforderlichen Einrichtungen und Veranstaltungen zur Verfügung stehen (siehe §§ 79, 80 SGB VIII; vgl. Abschnitt 1.).
Auf die Träger der öffentlichen Jugendhilfe kommt damit die Aufgabe zu, in Zusammenarbeit mit den freien Trägern und all den anderen Anbietern das System der Familienbildung weiterzuentwickeln und bedarfsgerecht auszugestalten. Dieses System sollte Angebote (1) für alle Phasen und Übergänge im Familienzyklus, (2) zur besseren Erfüllung aller Familienfunktionen, (3) für alle Familienformen einschließlich nichtehelicher Lebensgemeinschaften sowie (4) für Familien mit besonderen Belastungen umfassen und die Vorbereitung auf Partnerschaft, Ehe und das Zusammenleben mit Kindern angemessen berücksichtigen.
Ein bedarfsgerechtes System der Familienbildung, das institutionelle, informelle und mediale Angebote, Gemeinwesenarbeit und Programme der Ehevorbereitung, der Ehebereicherung und des Elterntrainings umfaßt sowie auch schwer erreichbare Zielgruppen einbezieht, ist natürlich ein Idealbild, dem man sich nur (schrittweise) nähern kann. Schon alleine weil die finanziellen Ressourcen im Jugendhilfebereich so beschränkt sind, sollte man aber die Realität an einem solchen Idealbild überprüfen. Dann können die begrenzten Mittel zielgerichtet bzw. schwerpunktmäßig ausgegeben werden, lassen sich Überschneidungen bei Angeboten vermeiden, wird deutlich, wo ein Ausbau ohne großen materiellen Aufwand möglich wäre (z.B. Familienbildung via Kindertageseinrichtungen und Schulen). Die Vernetzung der Anbieter würde auch eine bessere Öffentlichkeitsarbeit ermöglichen. Familien sollten über das ganze Spektrum von Einrichtungen und Veranstaltungen der Familienbildung in einem Jugendamtsbezirk oder einer Region informiert werden, so daß sie gezielt das ihren Bedürfnissen am besten entsprechende Angebot auswählen können.
4. Funktionale Beratung
Letztlich ist kein Arbeitsfeld im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe denkbar, in dem die Fachkraft nicht auch beraterisch tätig wird. Wie bereits erwähnt, bildet § 16 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII hierfür die Rechtsgrundlage: "Funktionale Beratung bedeutet, im Rahmen seiner jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten im Kontext der Erfüllung der Gesamtaufgabe unter anderem auch zu beraten. Angewendet auf das Aufgabenfeld der Jugendhilfe wird damit den Fachkräften in allgemeinen und spezialisierten sozialen Diensten, in Tageseinrichtungen für Kinder, in Jugendfreizeitstätten und Einrichtungen der erzieherischen Hilfe zur Pflicht gemacht, bei Bedarf durch Beratungsgespräche Mütter, Väter und andere Erziehungsverantwortliche zu befähigen, ihre Erziehungsverantwortung besser wahrzunehmen (...)" (Greese 1992, S. 89). Aber auch junge Menschen sollen - zusammen mit ihren Erziehungsberechtigten oder alleine - in Fragen ihrer Entwicklung und Erziehung beraten werden (vgl. Abschnitt 1.).
Funktionale Beratung erfolgt in eher kurzfristigen Gesprächen oder ist nur ein Teilaspekt der jeweiligen Interaktion mit Eltern, Jugendlichen oder Heranwachsenden. Sie ist somit wenig zeitaufwendig, umfaßt also keineswegs Anamnese, Diagnose oder Therapie (zur Abgrenzung vgl. Textor 1987). Vielmehr wird auf Erziehungsfragen und -schwierigkeiten, die Gestaltung der Eltern-Kind-Beziehung, Entwicklungsaufgaben und -störungen, Verhaltensauffälligkeiten, Behinderungen, Schulprobleme, Fragen der Freizeitgestaltung, den Umgang mit Kindern nach Trennung und Scheidung sowie ähnliche Themen kurzzeitig eingegangen, die von der Fachkraft im Rahmen ihrer anderen (Haupt-) Aufgaben ermittelt oder den Klienten/innen - zumeist im Kontext einer längeren Beziehung zu der Fachkraft - angesprochen wurden. Die Beratung kann somit in Sprechstunden bzw. Einzelgesprächen, bei Hausbesuchen, im Rahmen der Elternarbeit von Kindertageseinrichtungen und Heimen, in sogenannten Tür- und Angel-Gesprächen oder im Kontext der Gruppenarbeit mit Eltern, Jugendlichen und/ oder Heranwachsenden bzw. mit besonderen Gruppierungen (z.B. Alleinerziehenden, Pflege- oder Adoptiveltern, Familien mit behinderten Kindern, Jugendgruppen) erfolgen.
Für die funktionale Beratung gelten ähnliche Grundsätze und Kriterien wie für die institutionelle Beratung (z.B. Erziehungsberatung, § 28 SGB VIII). So sollte eine Vertrauensbeziehung zwischen Klienten/innen und Berater/innen bestehen, die von letzteren z.B. durch das Zeigen von emotionaler Wärme, Echtheit, Empathie und Verständnis gefördert werden kann. Sie akzeptieren in der Regel die Selbständigkeit, Unabhängigkeit, Eigenverantwortung und Individualität der Klienten/innen, halten sich eher zurück und manipulieren nicht. Besonders häufige Verhaltensweisen von ihnen sind Nachfragen, Klären, Bestätigen, Informieren, Interpretieren, Anleiten, Empfehlen, Ermutigen, Verstärken u.ä. Auch bei einer funktionalen Beratung ist von Bedeutung, daß die Fachkräfte für diese Tätigkeit qualifiziert sind. Sie sollten z.B. über psychologische und andere relevante Kenntnisse sowie über personbezogene Kompetenzen wie allgemeine Beziehungsfähigkeiten, grundlegende Beratungsfertigkeiten und Menschenkenntnis verfügen. Insbesondere in der öffentlichen Jugendhilfe sollte darauf geachtet werden, daß die beratende Person keine Kontroll- oder Entscheidungsbefugnisse gegenüber dem jeweiligen Klienten hat. Auch Interessenkollisionen müssen vermieden werden.
Die funktionale Beratung kann sich entweder vorwiegend auf eine Person (z.B. junger Mensch) oder auf die Familie beziehen. Im letztgenannten Fall ist es wichtig, daß der Familientyp und die jeweilige Phase des Familienzyklus berücksichtigt werden. Die Beratung beschränkt sich in der Regel auf die Klärung der vorgebrachten Frage, des Problems oder der Auffälligkeit. Oft reicht es dann aus, wenn die Klienten/innen relevante Informationen und handlungsorientierte Ratschläge erhalten. Jedoch sollte darauf geachtet werden, ob Veränderungsimpulse im Alltag umgesetzt werden. In anderen Fällen müssen die Klienten/innen durch die verschiedenen Phasen des Problemlösungsprozesses hindurch begleitet werden: Definition des Problems, Ermittlung der Ursachen, Suche nach verschiedenen Lösungsmöglichkeiten (Brainstorming), Auswahl einer Alternative, Umsetzung (eventuell nach einem vorher entwickelten Handlungsplan) und Erfolgskontrolle. In vielen Fällen stellt sich auch während der funktionalen Beratung heraus, daß diese nicht ausreicht, um den Klienten/innen die Bewältigung der jeweiligen Problemlage zu ermöglichen. Dann müssen relevante Hilfsangebote vermittelt werden. Dies gilt natürlich auch für den Fall, daß die Fachkräfte nicht über die benötigten Kenntnisse und Kompetenzen verfügen.
Eltern, anderen Erziehungsberechtigten und jungen Menschen fällt es in der Regel schwer, eigene Unzulänglichkeiten, Erziehungsschwierigkeiten und ähnliche Probleme unbekannten Dritten gegenüber einzugestehen. So warten sie oft, bis die Probleme verfestigt, viel größer geworden und kaum noch erträglich sind, bevor sie z.B. eine Beratungsstelle oder das Jugendamt aufsuchen. Viel leichter fällt es ihnen aber, sich an sozialpädagogische Fachkräfte zu wenden, die sie bereits seit längerem kennen und wo somit schon eine Vertrauensbasis gegeben ist. Im Jugendhilfebereich dürfte dies vor allem auf Eltern zutreffen, deren Kinder in Tageseinrichtungen betreut werden (und auf junge Menschen, die seit langem Angebote der Jugendarbeit nutzen). So überrascht nicht, daß nach Umfragen Eltern in Erzieher/innen Ansprechpartner bei Erziehungs- und Familienproblemen sehen - und daß sie von diesen auch, überwiegend zu ihrer Zufriedenheit, beraten werden (vgl. Textor 1992 a, 1994). Dies geschieht zu vereinbarten Terminen, in Elterngruppen oder Tür- und Angel-Gesprächen. Auch als Vermittlungsinstanz kommt Kindertageseinrichtungen eine große Bedeutung zu. Vielerorts werden Eltern nicht nur im Gespräch auf relevante Beratungsstellen und psychosoziale Dienste verwiesen, sondern auch indirekt durch das Auslegen von Beratungsführern und anderen Materialien oder durch einen entsprechenden Aushang am "schwarzen Brett".
Erzieher/innen beklagen allerdings immer wieder die fehlende Ausbildung im Bereich der Gesprächsführung und Elternberatung. Auch gibt es nur wenig Fortbildungsangebote, die einen Erwerb von Beratungskompetenzen ermöglichen. Schließlich sind sie in der Regel nur über einen kleinen Teil der Jugendhilfemaßnahmen und -einrichtungen informiert. So ist es dringend angezeigt, daß öffentliche und freie Jugendhilfe die Bedeutung der Kindertagesstätten im Bereich der funktionalen Beratung und Vermittlung von Hilfsangeboten würdigen und den Erwerb entsprechender Kenntnisse und Fertigkeiten fördern. Ferner sollte die Vernetzung mit anderen Jugendhilfeeinrichtungen vorangetrieben werden. Erste Ansätze zeigen, daß alle Seiten - vor allem aber Eltern und Kinder - davon profitieren. Mancherorts resultieren z.B. aus der Zusammenarbeit von Kindergarten und Erziehungsberatungsstelle Angebote wie Einzel-, Gruppen- und Fallsupervision für Erzieher/innen bezüglich des Umgangs mit "schwierigen" Kindern und Eltern, Sprechstunden von Psychologen/innen für Eltern im Kindergarten oder Gesprächskreise bzw. Elternabende mit der Erziehungsberaterin (Textor in Druck a). Denkbar ist natürlich auch eine ähnliche Vernetzung zwischen Jugendhilfe und Schule, zumal letztere laut vielen Ländergesetzen ebenfalls eine Beratungspflicht gegenüber Eltern hat.
5. Familienfreizeit
Unter dem Begriff "Freizeit" versteht man die von Berufs- und Hausarbeit "freie" Zeit, die der einzelne nach freiem Ermessen ausfüllen kann. Ihr wird eine besondere Bedeutung für die Selbstverwirklichung und Individuation des einzelnen zugesprochen. Wird sie auf sinnvolle Weise (zum Teil) mit anderen Familienmitgliedern verbracht, so führt dies in der Regel zu positiven Folgen wie die Stabilisierung des Familiensystems, die Intensivierung der Familienkommunikation und die Verbesserung der Ehe-, Eltern-Kind- und Geschwisterbeziehungen. Die gemeinsamen Aktivitäten und Interaktionen fördern zugleich die Entwicklung der Kinder. Zudem führen die mit einer guten Freizeitgestaltung verbundene Regeneration und Erholung zu einem entspannteren Erziehungsverhalten.
Gemeinsame Freizeitaktivitäten im Familienkreis werden aufgrund vieler Entwicklungen in unserer Gesellschaft immer seltener. Bei Vollerwerbstätigkeit beider Eltern, Nebentätigkeiten, Schichtarbeit, häufigen Dienstreisen oder weit entfernten Arbeitsplätzen (Pendler, "Wochenendehen") ist die Freizeit oftmals knapp. Ähnliches gilt für besondere Familienformen (z.B. kinderreiche Familien, vollerwerbstätige Alleinerziehende) und Lebenslagen (z.B. bei Versorgung eines schwerbehinderten Kindes oder pflegebedürftigen Großelternteils). Außerdem konkurriert "Familienfreizeit" mit anderen Aktivitäten wie Fernsehen, Lesen, Musikhören, Video- und Computerspielen, die wohl in Anwesenheit anderer Familienmitglieder erfolgen (können), aber kaum mit Interaktionen verbunden sind. Viele andere Freizeitaktivitäten wie Unternehmungen mit Gleichaltrigen, Sport, ehrenamtliche Tätigkeiten, Mitgliedschaft in einem Verein oder Besuch eines Stammtisches betreffen nur einzelne Familienmitglieder. Aufgrund der skizzierten gesellschaftlichen Entwicklungen und der Bedeutung von gemeinsamen Freizeitaktivitäten für die Erziehung und Entwicklung von Kindern ist es nicht verwunderlich, daß in § 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII auch Angebote der Familienfreizeit gefordert werden.
5.1 Wochen(end)freizeiten
Familienfreizeiten, die von Trägern der Jugendhilfe oder anderen Veranstaltern angeboten werden, dauern in der Regel ein Wochenende, oft aber auch eine Woche. Ein Teil von ihnen wird als Zeit der Entspannung und Muße innerhalb einer Gruppe von Familien geplant. Aber auch hier wird meistens einkalkuliert, daß zumindest am Rande über Erziehungsfragen und andere familienrelevante Themen gesprochen wird. "Hier werden Wissen und Erfahrungen 'nebenbei' ausgetauscht, lernt man 'spielend' neue Ansichten und Verhaltensweisen. Hier sehen die Kinder ihre Eltern manchmal in völlig neuen Rollen - und umgekehrt. Gemeinsame Freizeit mit Singen, Schwimmen, Tennis, Wandern, Schachspielen, Malerei usw. hat oftmals gerade deshalb, weil hier der erhobene pädagogische Zeigefinger fehlt, einen großen erzieherischen Wert" (Senat von Berlin 1995, S. 63).
Derartige Familienfreizeiten können beispielsweise von Kindergärten angeboten werden (Becker-Textor 1990, 1994). Hier werden Familien in derselben Phase des Familienzyklus erreicht, also mit ähnlichen Erziehungsfragen und Problemen. Die Familienfreizeiten werden in der Regel von Erzieher/innen und Eltern gemeinsam vorbereitet. Sie werden zumeist im ländlichen Raum durchgeführt, wobei preiswerte Unterkünfte wie in Familienerholungsstätten, Landvolkshochschulen oder Familienferiendörfern angemietet werden. Selbstverpflegung ist nicht von Nachteil, da gerade das gemeinsame Kochen, Tischdecken und Abwaschen viele Gelegenheiten für informelle Gespräche schaffen. Das Tagesprogramm kann eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Freizeitaktivitäten umfassen: Spaziergänge, Spiele, Erzählen von Märchen und Geschichten, Basteln, Tanz, Singen usw. Oft bereiten Eltern und Kinder getrennt voneinander etwas für die jeweils andere Gruppe vor (z.B. ein Puppenspiel oder ein Theaterstück). In der Regel ist das Tagesprogramm nicht vorab im Detail planbar, da Faktoren wie Räumlichkeiten, Wetter oder Offenheit der Teilnehmer/innen für bestimmte Vorschläge erst vor Ort berücksichtigt werden können. So wird den Anbietern viel Flexibilität abverlangt.
Schon eine einzige Wochenendfreizeit kann große, manchmal sogar "therapeutische" Auswirkungen für eine Familie haben, wie Becker-Textor (1990) anhand mehrerer Fallbeispiele verdeutlicht. Sie schreibt: "Ganz besonders bedeutsam ist die von den Freizeiten ausgehende Wirkung auf die Erziehung der Kinder. Ohne daß Verhaltensweisen reflektiert oder diskutiert werden, kommt es durch das enge Zusammenleben mit anderen Familien und deren Vorbildwirkung zu Einsichten, Verhaltensänderungen und einem Umdenken hinsichtlich von Erziehungszielen und -stilen" (S. 417). Ähnliche Folgen können sich auch aus Beobachtungen ergeben, wie die Erzieher/innen mit den Kindern umgehen, wie sich das eigene Kind anderen Erwachsenen gegenüber verhält und wie es auf andere Kinder (z.B. ihm fremde, ältere oder jüngere Geschwister der übrigen Kindergartenkinder) reagiert. Ferner kann die Einbindung der Väter in die Aktivitäten zu einer Intensivierung der Vater-Kind-Beziehung führen. Selbst die Ehe erhält manchmal neue Impulse, wenn die Partner einander z.B. in neuen Rollen oder andersartigen Situationen erleben und dann das Bild vom jeweils anderen revidieren müssen. Schließlich führen die intensiveren Kontakte zwischen Familien zu Freundschaften und eventuell sogar zu Nachbarschaftshilfe (z.B. wechselseitige Kinderbetreuung).
Die Kindergartenkinder machen bei Wochen(end)freizeiten viele Lernerfahrungen, insbesondere durch die unterschiedlichen Aktivitäten und Spiele. Sie erwerben neue soziale Kompetenzen durch den Kontakt zu ihnen fremden Erwachsenen und unterschiedlich alten Kindern. Ferner werden ihre Ablösung und Selbständigkeit gefördert; vor allem auf ihre Eltern fixierte oder überbehütete (Einzel-) Kinder gewinnen Freiräume und können sich altersgemäß verhalten.
Die Erzieher/innen lernen im Rahmen der Wochen(end)freizeiten die Familien, den Erziehungsstil der Eltern und die Beziehung zwischen Geschwistern besser kennen. Die Beobachtungen und Erkenntnisse können zu Veränderungen in der pädagogischen Arbeit führen. Der intensivere Kontakt zu den Eltern hat auch positive Folgen für die Elternarbeit: Die Kommunikation zwischen Erzieher/innen und Eltern wird offener und vertrauensvoller, Probleme werden leichter angesprochen, Ängste voreinander werden abgebaut. Es fällt leichter, Eltern zum Besuch von Veranstaltungen oder zur Mitarbeit in der Kindertageseinrichtung zu motivieren. Auch können "Problemfamilien" oder "schwierige" Eltern gezielt zu Freizeiten eingeladen und dort nach einem zuvor besprochenen Plan beeinflußt werden.
Die skizzierten positiven Folgen lassen den mit Wochenendveranstaltungen verbundenen hohen persönlichen Einsatz und den bis spät in den Abend hineinreichenden "Dienst" der Erzieher/innen als sinnvoll erscheinen. Da solche Familienfreizeiten nur schwer finanzierbar sind - zumeist müssen verschiedene "Quellen" ausfindig gemacht und "angezapft" werden -, bleibt für die Fachkräfte oft kein Honorar übrig. Außerdem ist es dem Träger der Kindertageseinrichtung in der Regel nicht möglich, den Erzieher/innen Zeitausgleich für die (unbezahlten) Überstunden zu gewähren. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es natürlich nicht verwunderlich, daß nur wenige Kindergärten und -horte derartige Familienfreizeiten durchführen. Um so wichtiger ist es, daß die Träger der Jugendhilfe mehr als bisher die wenigen in diesem Bereich aktiven Erzieher/innen unterstützen. Wenn diese schon ihre Freizeit "opfern", sollten sie zumindest ein "Anerkennungshonorar" erhalten.
Wochenendfreizeiten können auch von Familienbildungsstätten angeboten werden, beispielsweise im Kontext eines Kurses bzw. Gesprächskreises für Adoptiveltern (Textor 1992 b). Da an Abendveranstaltungen immer nur ein Elternteil teilnehmen kann (zumeist jedes Mal derselbe), aber die Adoptivkinder im Mittelpunkt der Gespräche stehen, bieten Wochenendfreizeiten eine gute Gelegenheit, alle anderen Familienmitglieder kennenzulernen. Das Programm umfaßt gemeinsame Spielen und Basteln, Stegreifheater, Singen, Spaziergänge, Besuche auf dem Spielplatz u.v.a.m. Insbesondere am Abend, wenn die Kinder bereits schlafen, kommt es zu Gesprächen über adoptionsrelevante Themen oder "normale" Erziehungsfragen und Familienprobleme. Zwischen den Familien entstehen Freundschaftsbeziehungen oder werden verstärkt, die zu privaten Kontakten und gemeinsamen Aktivitäten führen können. Die Adoptivkinder erleben sich während der Freizeit nicht mehr als "Sonderfälle", was positive Konsequenzen hinsichtlich der emotionalen Akzeptanz ihres Adoptivstatus haben kann. Leider lassen sich auch solche Familienfreizeiten nur schwer finanzieren. Inzwischen führen die Adoptivfamilien aus der gerade erwähnten Gruppe diese Veranstaltungen ohne Unterstützung durch die Familienbildungsstätte und ohne sozialpädagogische Fachkräfte durch - ein gutes Beispiel für die zu fördernde Familienselbsthilfe (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII).
Familienfreizeiten, bei denen entspannende Aktivitäten im Mittelpunkt stehen, werden aber nicht nur von freien oder öffentlichen Trägern der Jugendhilfe bzw. Wohlfahrtspflege angeboten, sondern auch von anderen Vereinen und Verbänden. Beispielsweise führt der Arbeitskreis Musik in der Jugend preisgünstige Familienmusikwochen(enden) durch, die teilweise für Personen zwischen drei und 90 Jahren ausgeschrieben werden - an denen also auch die Großeltern teilnehmen können. Hier stehen Chorsingen, Instrumentalmusik, Tanz, Kinderorchester, Orff-Musik, Jazz-Workshop, Blockflötenmusik u.a. im Mittelpunkt, ergänzt durch Basteln, Spiele, Wanderungen, Besichtigungen usw. Das Können und die Fertigkeiten der Kinder bestimmen das Programm.
Selbst wenn hier eine sozialpädagogische Begleitung fehlt, können solche Wochen(end)freizeiten viele positive Auswirkungen wie die Stabilisierung der Familien, die Stärkung ihrer Erziehungskraft und die Förderung der kindlichen Entwicklung haben (vgl. Abschnitt 5.). Dasselbe gilt z.B. auch für die Familienfreizeiten und Familiensportwochen des Bayerischen Landessportverbandes, die neben sportlichen Aktivitäten auch Kennenlernspiele, Aufgabenrallyes, Körperwahrnehmungsspiele, Wanderungen, Bergsteigen, Malstunden, Saalspiele und Ausflüge zu kulturellen Sehenswürdigkeiten umfassen. Mitarbeiter/innen im Bereich der Jugendhilfe sollten über derartige Angebote informiert sein bzw. werden, damit sie in Frage kommende Eltern darauf hinweisen können (vgl. Abschnitt 5.2).
Ein anderer Teil der Wochen(end)freizeiten ist stärker sozialpädagogisch geprägt: Hier sollen den Eltern im Rahmen von Kurseinheiten Kenntnisse, Verhaltensmaßstäbe und Fertigkeiten für die Erziehung ihrer Kinder und für die bessere Gestaltung ihres Zusammenlebens vermittelt werden. Bei den Wochenendseminaren für Adoptivfamilien vom Diakonischen Werk Bayerns (Jänsch-Kraus 1993) sind z.B. drei Arbeitsgruppentreffen zu je drei Stunden vorgesehen, in deren Rahmen adoptionsspezifische und allgemeine Erziehungsfragen besprochen werden. Dabei werden Methoden wie Themenzentrierte Interaktion, Psychodrama, Skulpturarbeit oder Funktionelle Entspannung eingesetzt. Kleinere Kinder werden während dieser Zeit betreut, für ältere gibt es oft eigene Arbeitsgruppen. Der Rest des Wochenendes ist durch Freizeitaktivitäten mit den Kindern geprägt, die von den Eltern selbst vorbereitet und gestaltet werden. Auch das gesellige Beisammensein der Erwachsenen untereinander kommt nicht zu kurz.
Die Wochenendseminare werden einmal pro Jahr für immer dieselbe Gruppe von bis zu zehn Adoptivfamilien durchgeführt. Deren Zusammensetzung erfolgt sowohl nach inhaltlichen (z.B. Adoptiveltern mit ausländischen Kindern) als auch nach regionalen Gesichtspunkten. Die Themen für die Arbeitsgruppen werden von den Eltern selbst bestimmt. Positive Folgen dieser Wochenendseminare sind neben der Verbesserung der Kindererziehung die Auseinandersetzung mit dem Sonderstatus als Adoptivfamilie (verhindert Verdrängung bzw. Tabuisierung der Adoption), die Förderung des Vertrauensverhältnisses zu den Fachkräften des Pflegekinderdienstes sowie die frühzeitige Entdeckung von drohenden Behinderungen, Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsstörungen. Manche Probleme können bereits während der Veranstaltung gelöst werden; sind größere vorhanden, wird zu einer Einzelberatung motiviert.
Ähnlich positive Erfahrungen wurden vom inzwischen aufgelösten Stadtjugendamt Saarbrücken mit Freizeitseminaren für Pflegefamilien gemacht (Büch 1995). Sie dauerten eine Woche und wurden für jeweils zehn Familien in einem Feriendorf durchgeführt. Am Vormittag diskutierten die Eltern in von zwei Psychologen geleiteten Arbeitsgruppen über Themen wie die Pflegefamilie als Ergänzungs- oder Ersatzfamilie, die Beziehung zu der Herkunftsfamilie oder der Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten, während die Kinder in altersdifferenzierten Spielgruppen betreut wurden. Die Nachmittage konnten zum Teil von den Familien selbst gestaltet werden, zum Teil wurden Angebote wie Abenteuerspiele oder ein Abschlußfest gemacht. "Die Balance zwischen verschiedenen Programmelementen und unterschiedlichen Settings vermittelt Abwechslung und vermeidet Monotonie. So erleben sich Kinder und Eltern abwechselnd unter sich oder in Familiensituationen, wechseln strukturierte Gespräche in der Kleingruppe mit unstrukturiertem Austausch beim Mittagessen, beim Familienprogramm oder beim abendlichen Stammtisch" (a.a.O., S. 188). Auch blieb genügend Zeit zur Entspannung und Erholung, zu ehrlichen Rückmeldungen seitens der Betreuer/innen über das Verhalten der Kinder und für Beratungsgespräche. Die Fachkräfte des Pflegekinderdienstes konnten überprüfen, ob sie die Pflegeeltern bei der Vermittlung richtig wahrgenommen hatten und ob sich das Pflegekind positiv weiterentwickelt.
Die verschiedenen Beispiele in diesem Abschnitt verdeutlichen, daß Wochen(end)freizeiten für Familien in unterschiedlichen Phasen des Familienzyklus, für besondere Familienformen und für Familien mit bestimmten Interessen sinnvoll sind. Leider sind solche Angebote sehr selten. Dies liegt nicht nur an Finanzierungsschwierigkeiten und an dem geringen Interesse der Jugendhilfeträger, sondern auf daran, daß viele sozialpädagogische Fachkräfte nicht am Wochenende arbeiten möchten, ein Zuschlag für Wochenendarbeit in der Regel nicht gezahlt wird und der Zeitausgleich z.B. die am Abend mit den Klienten verbrachten Stunden nicht berücksichtigt. Aufgrund der positiven Auswirkungen solcher Familienfreizeiten kann den Trägern der Jugendhilfe aber nur empfohlen werden, vermehrt derartige Angebote zu machen. Oft ließen sich sicherlich auch Mitarbeiter/innen im Erziehungsurlaub bzw. in der "Familienphase" finden, die durchaus ein- oder zweimal im Jahr eine Wochenendveranstaltung für das übliche Honorar durchführen würden, so daß die gerade genannten Probleme mit dem festangestellten Personal nicht auftreten. Empfehlenswert ist auch, daß Träger der öffentlichen Jugendhilfe Mittel für Wochen(end)freizeiten in ihre Haushalte einstellen, die dann z.B. von Kindertageseinrichtungen oder Familienbildungsstätten abgerufen werden können. Selbst bei einer Beschränkung der Zielgruppe auf Familien "in belastenden Familiensituationen" (§ 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) wäre dies eine große Verbesserung gegenüber der derzeitigen Lage.
5.2 Freizeitangebote für Familien
Auch Freizeitangebote von Vereinen und Verbänden, die sich an die ganze Familie wenden, entwicklungsfördernd und entspannend sind, die Selbstverwirklichung ermöglichen und nichtkommerzieller Art sind, sollten aufgrund ihrer Bedeutung für die Familien (siehe Abschnitt 5.) seitens der Jugendhilfe unterstützt werden - selbst wenn sie nicht unter § 16 SGB VIII fallen. Ein Beispiel hierfür ist die Familiengruppenarbeit des Verbandes Deutscher Gebirgs- und Wandervereine, der Deutschen Wanderjugend und des Deutschen Alpenvereins.
Durch das Wandern und Bergsteigen in Familiengruppen wird Kindern und Jugendlichen ein neuer Erlebnis- und Erfahrungsraum eröffnet. Bei entsprechenden Freiräumen können sie hier ihren Tatendrang, ihre Unternehmungslust, ihren Spieltrieb und ihren Bewegungsdrang voll ausleben, ihre Kräfte, ihre Ausdauer und Geschicklichkeit aneinander messen sowie Befriedigung durch körperliche Leistung erfahren. Wandern, Geländespiele, Schnitzeljagd, Fahrrad- oder Bootswanderungen, Naturerlebnisspiele und Nachtwanderungen fördern die motorische und kognitive Entwicklung der Kinder. Die Kinder lernen sich selbst besser kennen - ihre Stärken und Schwächen, ihre Kräfte, ihre Leistungsfähigkeit und ihr Durchhaltevermögen. Aber auch die Phantasie wird durch die Landschaft angeregt, wozu Märchen oder Geschichten noch beitragen können.
Zugleich machen die Kinder neue Naturerfahrungen und -beobachtungen. Insbesondere bei naturkundlichen Wanderungen, bei Vogelstimmenwanderungen, Bestimmungsspielen oder angeleiteten Aktivitäten wie z.B. der Untersuchung der Humusschicht lernen sie viel über Pflanzen und Tiere. Aber auch bei "ganz normalen" Wanderungen und Bergtouren entdecken Kinder neue Pflanzen und Blumen, beobachten Tiere und Vögel, erkunden Seen, Tümpel, Moore und Bäche. Sie entwickeln Liebe zur Heimat und Natur, erkennen die Notwendigkeit einer ganzheitlichen, naturnahen und gesunden Lebensweise und setzen sich für den Umweltschutz ein.
Für die soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ist förderlich, wenn Wanderungen und Bergtouren zusammen mit anderen Familien erfolgen. Kontakte mit Gleichaltrigen, jüngeren und älteren Kindern vermitteln neue Erfahrungen, erweitern das Spektrum sozialer Fertigkeiten und führen manchmal zu neuen Freundschaften. Zugleich lernen Kinder, auf kleinere oder schwächere Personen Rücksicht zu nehmen. Die anderen Erwachsenen wirken als Vorbilder, Rollenmodelle und gelegentlich auch als ausgleichendes Element in der Beziehung zu den Eltern. Das Zusammenleben mit anderen Familien bei Familienfreizeiten in Wanderheimen, Jugendherbergen, Zeltlagern oder Berghütten, das Grillen oder gemeinsame Singen am Lagerfeuer sind für Kinder nicht nur Abenteuer, sondern führen auch zu neuen zwischenmenschlichen Erfahrungen, einer Reduzierung des Anspruchsdenkens und größerer Hilfsbereitschaft.
Vom Wandern und Bergsteigen in einer Familiengruppe profitieren jedoch nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen. Die Familienmitglieder sind stunden- bzw. tagelang zusammen in Situationen, wo sie sich nicht zurückziehen und eigenen Interessen nachgehen können. Vielmehr unternehmen sie gemeinsam etwas, können sie sich in Ruhe miteinander unterhalten und anstehende Fragen klären. Die gemeinsamen Erlebnisse, die aus der körperlichen Aktivität resultierenden Befriedigungen und die intensive Kommunikation lassen die Familienmitglieder zusammenwachsen und stärken die Familienbande. Insbesondere Väter werden stärker in die Familie und Kindererziehung eingebunden - wozu Angebote wie Vater-Kind-Wanderungen besonders beitragen können. Ihre Wirkung als Rollenmodell wird größer.
Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, daß sich beim Wandern, Bergsteigen oder anderen Aktivitäten (Basteln, Musizieren, Theaterspielen, Kochen, Feiern) im Rahmen der Familiengruppenarbeit Familien kennenlernen und unter Umständen sogar freundschaftliche Beziehungen aufbauen. Ganz unterschiedliche Eltern und Kinder kommen in Kontakt miteinander, diskutieren gemeinsam die sie betreffenden Fragen, lernen voneinander im Gespräch und durch Vorbildwirkung. Familien mit etwas älteren Kindern dienen vielfach Familien mit jüngeren Kindern zur Orientierung. Oft ergibt sich die Möglichkeit, auch persönliche Probleme oder Erziehungsfragen zu besprechen. So werden Familien sozial integriert, kommt es manchmal sogar zur Nachbarschaftshilfe. Gemeinschaftsgefühl, Kommunikationsfähigkeit und Selbstwertgefühl werden gefördert.
Inzwischen gibt es auch bei vielen Sportvereinen Eltern-Kind-Turnen oder Familiensport - letzteres entweder als wöchentliches Regelangebot, als einmal pro Monat stattfindender Sporttreff, als Kurs oder Schnupperangebot. Aktivitäten, an denen Familienmitglieder unterschiedlichen Alters teilnehmen können, sind z.B. Ball-, Mannschafts-, Tanz-, Tauch- und Fangspiele, Bewegungsparcour, Zirkusturnen, Wasserstaffeln, Entspannungsübungen und Orientierungsfahrten mit Fahrrädern. Familiensport bietet aber nicht nur gemeinsame Aktionsmöglichkeiten und neue Erlebnisfelder, sondern dient auch der Befriedigung des Bewegungsdrangs, der Förderung der motorischen Entwicklung sowie der Erhaltung und Verbesserung des körperlichen Gesundheitszustandes und Wohlbefindens. Die Gemeinschaftserlebnisse sind eine Bereicherung für das Familienleben und stärken die Familienbande.
Diese und andere Freizeitangebote für Familien, die von Vereinen, Verbänden oder Kirchengemeinden durchgeführt werden, können von der Jugendhilfe vor allem ideell unterstützt werden. Zum einen können sie in Reden, Publikationen und Pressemitteilungen als Beiträge zur Schaffung einer kinder- und familienfreundlichen Umwelt im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII gewürdigt werden. Dies kann mit dem Aufruf an andere Vereine und Verbände verknüpft werden, ebenfalls die Familie als Zielgruppe für Freizeitangebote zu entdecken. Zum anderen können die Jugendämter oder die Wohlfahrtsverbände die Angebote und Adressen von örtlichen, regionalen und nationalen Anbietern zusammenstellen. Dies erleichtert interessierten Familien nicht nur die Orientierung, sondern schafft auch Nachfrage, durch die weniger bekannte Freizeitangebote aus ihrem Schattendasein herausgeholt werden.
6. Familienerholung
In Deutschland wird dem Urlaub ein sehr viel höherer Stellenwert zugesprochen als in anderen Ländern. Dies zeigt sich nicht nur im vergleichsweise außerordentlich hohen Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer/innen, sondern auch in häufigen (Auslands-) Reisen. Selbst in Zeiten der Rezession konnten Reiseveranstalter noch Umsatzzuwächse verzeichnen. Der Urlaub wird als ein Freiraum gesehen, in dem ein Höchstmaß an neuen Erfahrungen und Eindrücken, an andersartigen Erlebnissen und Lebensfreude, an Entspannung und Erholung möglich ist. Damit ist die Bereitschaft verbunden, für Urlaubsreisen viel Geld auszugeben - zumal insbesondere Fernreisen auch ein Statussymbol sind.
Den Familien stehen aufgrund der hohen Kinderkosten sehr viel weniger Mittel für Urlaubsreisen zur Verfügung als Singles oder Ehepaaren ohne Kinder bzw. mit erwachsenen Kindern. Dies gilt verstärkt für bestimmte Teilgruppen wie beispielsweise Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Familien mit behinderten Kindern oder Familien von Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Viele dieser Familien können sich kommerzielle Urlaubsangebote nicht leisten - eine zusätzliche Benachteiligung neben all den anderen Belastungen. Insbesondere für solche Fälle sieht § 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII Angebote der Familienerholung vor, "die bei Bedarf die erzieherische Betreuung der Kinder einschließen". Die Bundesländer haben hierzu Förderrichtlinien entwickelt, auf die bereits eingegangen wurde (siehe Abschnitt 1.).
Von besonderer Bedeutung für Maßnahmen der Familienerholung sind die circa 200 Familienferienstätten und -dörfer. Sie sind über ganz Deutschland verteilt in landschaftlich reizvollen Regionen. Die Außenbereiche und die unmittelbare Umgebung sind zumeist ungefährlich, so daß sich Kinder draußen unbeaufsichtigt aufhalten können. Die Unterbringung erfolgt entweder in Ferienhäusern, Appartements oder einer Kombination von Doppel- und Einzelzimmern, wobei von der Einrichtung her große Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Familienferienstätten bestehen. Die Ausstattung der Räume ist kindgerecht (z.B. Kinderbett, Kinderstühlchen, Spiel- und Lesematerial). Auch gibt es viele Gemeinschaftsräume, die entsprechend den Bedürfnissen verschiedener Altersgruppen eingerichtet sind. Hinzu kommen z.B. Wickelräume, Waschküchen und Kochgelegenheiten. Viele Familienferienstätten bieten Voll- oder Halbpension, andere sehen Selbstverpflegung vor. Dementsprechend unterscheiden sich die Übernachtungskosten, die außerdem für Kinder in der Regel nach deren Alter gestaffelt sind. Eine Unterscheidung nach Haupt-, Vor- oder Nachsaison erfolgt nicht. Anfang der 90er Jahre kostete ein 21tägiger Aufenthalt mit Vollpension einer fünfköpfigen Familie rund 4 200 DM - ein immer noch sehr hoher Betrag. Durch Individualzuschüsse der Bundesländer u.ä. (siehe Abschnitt 1.) kann er jedoch zum Teil reduziert werden.
Während der Ferienzeit nehmen Familienferienstätten und -dörfer bevorzugt Familien mit schulpflichtigen Kindern auf. Während der übrigen Zeit stehen sie für Familien mit Kleinkindern und generationenübergreifende Angebote offen, bei freien Kapazitäten auch für Ehepaare, Wochenendfreizeiten oder Familienbildungsmaßnahmen. Der Urlaub in Familienferienstätten soll vor allem der Erholung und Entspannung dienen. Durch die vielerorts gemachten Kinderbetreuungsangebote wird sichergestellt, daß Eltern und Alleinerziehende Zeit für sich zur Regeneration haben. Im erstgenannten Fall trägt dies zu einer Stärkung der Partnerbeziehung bei. Zumeist gibt es auch Freizeitangebote, die auf eine körperliche oder kreative Betätigung abzielen.
Insbesondere Stadtkindern ermöglicht der Aufenthalt in einer Familienferienstätte elementare Naturerfahrungen. Durch den Kontakt zu anderen Kindern und Erwachsenen wird ihre Sozialentwicklung gefördert. Jugendlichen werden Gelegenheiten geboten, sich ungestört mit Gleichaltrigen zu treffen und mit ihnen etwas zu unternehmen. Die Eltern begegnen anderen Eltern, tauschen sich mit ihnen über Erziehungsfragen und andere Themen aus und lernen von ihnen. So wird ihre Erziehungsfähigkeit gestärkt. Insbesondere kirchennahe Träger bzw. Veranstalter streben auch ihre geistig-seelische Erneuerung an, z.B. durch seelsorgerische Gespräche, Familiengottesdienste, Besinnungen oder Meditationen. Durch Angebote für die ganze Familie wie Diskussionsrunden, Spiele, Ausflüge und Wanderungen sollen die innerfamiliale Kommunikation, das gegenseitige Verständnis und der Zusammenhalt der Familiengemeinschaft gefördert werden.
Manche Träger bzw. Veranstalter von Familienferienmaßnahmen kombinieren diese mit einem Bildungsprogramm. Individuell zu gestaltende Freizeit und Freizeitangebote für alle Teilnehmer werden mit Seminaren, Vortragsveranstaltungen, Gesprächskreisen und Kleingruppenarbeit kombiniert (zumeist mit paralleler Kinderbetreuung). Oftmals werden auch Familienferienmaßnahmen für besondere Zielgruppen wie Alleinerziehende, Aussiedler- und Ausländerfamilien oder für interkulturelle Begegnungen durchgeführt. Manche Träger wie das Deutsche Familienferienwerk oder das Deutsch-französische Jugendwerk vermitteln außerdem Auslandsaufenthalte, für die aber oft keine Individualzuschüsse von den Bundesländern gezahlt werden. Inzwischen gibt es auch einige europäische Familienferienstätten.
Die circa 200 Familienferienstätten und -dörfer werden von mehr als 100 gemeinnützigen Trägern der freien Wohlfahrtspflege unterhalten. Diese kooperieren im:
- Arbeitskreis Evangelische Familienerholung
- im Katholischen Arbeitskreis für Familien-Erholung
- Paritätischen Arbeitskreis für Familienerholung
Die Arbeitskreise haben gemeinsam eine Arbeitsgemeinschaft gebildet. Sie bieten ihren Mitgliedern Beratung, Fortbildungen, Fachtagungen, Hilfe bei Baumaßnahmen, Unterstützung bei der Konzeptionsentwicklung, Interessenvertretung und Öffentlichkeitsarbeit. Ferner geben sie in unregelmäßigen Abständen den Sonderkatalog "Urlaub mit der Familie" heraus. Die einzelnen Arbeitskreise erstellen außerdem Informationsmaterial über ihnen angeschlossene Familienferienstätten und vermitteln teilweise Buchungen. Interessierte Familien können sich aber auch direkt an die Ferienstätten wenden, deren Hausprospekt anfordern und dann einen Aufenthalt buchen. Ferner ist eine Buchung über deren Träger (z.B. Kolping-Familienwerk, Diözesan-Caritasverband oder DRK) möglich. Schließlich bieten noch Veranstalter Familienerholungsmaßnahmen an, die nicht über eigene Familienferienstätten verfügen, sondern dort bzw. in anderen geeigneten Einrichtungen (wie Klöster oder Landvolkshochschulen) Räume anmieten.
Hier wird wieder ein bereits in anderen Zusammenhängen erwähntes Problem der Jugendhilfe deutlich: die Zersplitterung in eine Vielzahl von Trägern und Anbietern ein und derselben Maßnahme, verbunden mit weitgehender politischer Machtlosigkeit und geringem Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung. Für Familien resultieren aus dieser Situation große Orientierungsschwierigkeiten - insbesondere für sozial schwache und solche in Belastungssituationen, deren Lage generell durch Informationsdefizite gekennzeichnet ist. Hinzu kommt, daß letztlich nur Insider die verschiedenen Fördermöglichkeiten und -modalitäten kennen (siehe Abschnitt 1.). Oftmals können noch nicht einmal die Jugendämter umfassend Auskunft geben - insbesondere in Bundesländern, in denen sie selbst mit der Förderung nicht befaßt sind. So ist es nicht verwunderlich, daß viele Familienferienstätten eine mangelnde Auslastung beklagen. Hierfür können neben der schlechten Öffentlichkeitsarbeit aber auch das fehlende zentrale Buchungssystem, der schlechte Zustand mancher Einrichtungen (ausgebliebene Modernisierung) sowie das Fehlen von Kinderbetreuung und attraktiven Freizeitangeboten verantwortlich sein.
Neben Familienferienstätten und außerhalb derselben stattfindenden Maßnahmen der Familienerholung gibt es noch weitere familienfreundliche und preisgünstige Urlaubsangebote. Einen guten Überblick bietet der jährlich erscheinende Katalog "Familien-Ferien", der kostenlos bei den ADAC-Geschäftsstellen erhältlich ist. Aber auch Ferien auf Bauern- und Winzerhöfen kommen in Frage und werden zudem in manchen Bundesländern (wie z.B. Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz) bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bezuschußt (vgl. Abschnitt 1.). Über sie informieren beispielsweise die Kataloge "Urlaub auf dem Bauernhof" (herausgegeben von den Sparkassen- und Giroverbänden einzelner Bundesländer), "Agratour" (Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft) und "Ferien auf dem Lande" (Landschriftenverlag Bonn). Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe, insbesondere Jugendämter, sollten zumindest die genannten Kataloge und Verzeichnisse vorhalten, so daß sie Familien über Angebote der Familienerholung umfassend informieren können. Dies gilt um so mehr, wenn sie selbst keine entsprechenden Maßnahmen durchführen.
7. Schlußwort
Bereits mehrfach wurde darauf verwiesen, daß Maßnahmen nach § 16 SGB VIII dazu beitragen können, im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII "positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen". Mit dieser allgemeinen Vorschrift wird die Jugendhilfe letztlich zu einer Lobby für Familien gemacht. Zugleich wird der enge Bezug zur Familienpolitik deutlich.
Familienpolitik läßt sich definieren als das bewußte, zielgerichtete und planvolle Einwirken öffentlicher und freier Träger auf die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Lage von Familien (Textor 1991 b). Sie richtet sich entweder auf die Familie als Ganzes, auf einzelne Mitglieder oder auf die Umwelt (familienfreundliche Gesellschaft). Man darf also Familienpolitik nicht auf den Familienlastenausgleich verkürzen, also auf Kindergeld, Erziehungsgeld und einige Steuerfreibeträge. Vielmehr umfaßt sie eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Leistungen materieller Art sowie von familienentlastenden und familienunterstützenden Angeboten (z.B. solche nach dem SGB VIII). Auch setzt sich Familienpolitik für die zeitgemäße Gestaltung des Ehe- und Familienrechts, die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Erleichterung des Wiedereintritts in das Erwerbsleben, den familiengerechten Wohnungsbau, die Stärkung des Ansehens von Ehe und Familie u.v.a.m. ein. Neben Bund, Ländern und Kommunen sind Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Selbsthilfegruppen u.a. wichtige Träger der Familienpolitik.
Dieser Bezug der Kinder- und Jugendhilfe zur Familienpolitik läßt auch den § 16 SGB VIII in einem erweiterten Kontext erscheinen: Zum einen sind die der allgemeinen Förderung der Familienerziehung zugesprochene Bedeutung und die für die im vorliegenden Buch genannten Maßnahmen zur Verfügung gestellten Mittel von familienpolitischen Entscheidungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie seitens der Kirchen, Wohlfahrtsverbände und anderer relevanter Träger abhängig. Zum anderen ergänzen rein familienpolitische Maßnahmen die Leistungen nach § 16 SGB VIII. Beispielsweise werden Familienfreizeit und -erholung auch durch Familienermäßigungen beim Besuch kommunaler Einrichtungen gefördert. Laut einer von mir durchgeführten Umfrage in Bayern gab es Ende 1992 Familientarife beim Besuch von Freibädern bei 6% der Landkreise und 72% der kreisfreien Städte, beim Besuch von Hallenbädern bei 20 bzw. 56% (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit 1994, S. 92 ff.). Ferner wurden vereinzelt Familienermäßigungen für den Besuch von Eisstadien, Museen, Musikschulen, Sport- und kulturellen Veranstaltungen gewährt. Sie waren je nach Kommune unterschiedlich hoch und variierten hinsichtlich der Berechtigungskriterien. Nur in vier kreisfreien und zwei kreisangehörigen Städten gab es Familienpässe, allerdings in 42% der Landkreise und 72% der kreisfreien Städte sowie in einzelnen Gemeinden Ferienpässe - ebenfalls mit ganz verschiedenen Angeboten und Regelungen.
Der unterschiedliche Verbreitungsgrad und die stark variierenden Regelungen kommunaler familienpolitischer Leistungen verweisen erneut auf ungleiche Lebensverhältnisse von Familien (vgl. Abschnitt 1.). Nimmt man die Kritik am Familienlastenausgleich, die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den familienfeindlichen Wohnungs- und Städtebaus sowie die unzureichende Förderung von Jugendhilfeleistungen hinzu, wird deutlich, daß Familienpolitik nur einen geringen Stellenwert hat. Unabhängig davon, ob man die Bundes-, Länder- oder kommunale Ebene betrachtet, immer spielt die Familienförderung eine Nebenrolle. Die Sachverständigenkommission für den Fünften Familienbericht schien die letzte Chance, die skizzierte Machtlosigkeit der Familienpolitik zu überwinden, nur noch in der ökonomischen Betrachtungsweise zu sehen: Sie schrieb, "das sich bei sehr zurückhaltend angesetzten Bewertungen die Leistungen der Familie beim Aufbau des volkswirtschaftlichen Humanvermögens für die alte Bundesrepublik (Bezugsjahr 1990) auf 15,286 Billionen DM beziffern lassen. Diesem Humanvermögenswert stand (ebenfalls 1990) 'nur' ein Volumen an reproduzierbarem Sachvermögen in Höhe von 6,9 Billionen DM gegenüber" (Fünfter Familienbericht, S. 26). Im Kontext der fortschreitenden Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse trägt vielleicht eine solche Sichtweise - neben den immer deutlicher werdenden negativen Folgen der niedrigen Geburtenrate (Textor in Druck b) - dazu bei, daß der Familienpolitik mehr Bedeutung beigemessen wird und für sie mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden - und damit auch für Leistungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) wie für die allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie.
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