Der ASD – zwischen Einzelhilfe und politischer Arbeit
Martin R. Textor
Der ASD verbindet wie kaum eine andere psychosoziale Institution Prinzipien klassischer mit Maximen moderner Sozialarbeit. Während im Beratungswesen, in Psychotherapie und Psychiatrie erst in den 1970-er Jahren – mit der Entwicklung familientherapeutischer bzw. systemorientierter Ansätze – das Umfeld der Patienten mehr und mehr Beachtung fand (Textor 1985), wurde der in den 1920-er Jahren für das gerade erst gegründete Arbeitsfeld der Familienfürsorge geschaffene ganzheitliche Ansatz auch in den Folgejahren mehr oder minder durchgehalten. So schrieb Salomon schon 1926 in ihrem Buch „Soziale Diagnose“: „Es gibt keine isolierten Menschen. Es gibt kein Ich, das nur in Gestalt des Menschen gedacht werden kann. Das wirkliche Ich ist der Mensch mit dem ganzen Netz seiner Beziehungen...“ (zitiert nach Oswald 1988, S. 117). Dementsprechend ist es notwendig, „die Beziehungen des Menschen zur Umwelt zu studieren, nicht nur, um den Menschen zu verstehen, sondern auch um Heilmittel für die Schäden und Schwierigkeiten zu finden, die in Zukunft die einzelnen Menschen befallen können“. Somit gehört zur „sozialen Diagnose“ die Ermittlung aller Tatsachen „aus dem Leben des Bedürftigen und seiner Familie, die dazu helfen können, die besondere Not oder das soziale Bedürfnis der Betreffenden zu erklären und die Mittel zur Lösung der Schwierigkeit aufzuzeigen“ (a.a.O.).
Das Prinzip der Ganzheitlichkeit bedeutet also, dass die Mitarbeiter des ASD die ganze komplexe Realität ihrer Klienten berücksichtigen, also die Gesamtsituation, die Vielschichtigkeit der Problemursachen und die vielfältigen Möglichkeiten der Hilfegewährung. Dies können sie am ehesten sicherstellen, wenn sie systemische oder ökologische Ansätze verwenden, da hier alle Systemebenen und Teilsysteme, alle individuellen und strukturellen Aspekte, alle Dimensionen der Problematik und alle Lösungsmöglichkeiten in das Blickfeld rücken. Mit der Maxime der Ganzheitlichkeit ist aber auch gemeint, dass die Klienten nur einen Ansprechpartner haben, der für alle ihre Schwierigkeiten zuständig ist, sie umfassend berät, betreut und unterstützt sowie Hilfsangebote Dritter vermittelt und koordiniert. Spezialdienste folgen dem genannten Prinzip nicht, so dass Feldmann (1988) etwas überspitzt meint: „Soziale Arbeit nur mit Sonderdiensten, verbunden mit einem Auseinandernehmen der Familien und des Menschen nach einzelnen Bedarfen und Symptomen geht völlig am notwendigen ganzheitlichen Ansatz vorbei und ist letztlich auf Dauer gesehen keine soziale Arbeit mehr“ (S. 335).
Ein anderes zentrales Prinzip für Mitarbeiter des ASD ist die Alltags- und Lebensweltorientierung. Es verlangt von ihnen, sich auf den Familienalltag, die Arbeitssituation, die Wohnbedingungen, den Lebensstil und das Freizeitverhalten ihrer Klienten einzustellen und die Qualität der Bewältigung täglich sich stellender Aufgaben zu erfassen. Die Befolgung dieser Maxime macht es notwendig, sich von den eigenen Normalitätskonzepten zu distanzieren, also anders gestaltete Alltagswelten und Lebensentwürfe zu akzeptieren, andere Vorstellungs-, Deutungs-, Orientierungs- und Handlungsmuster zu respektieren. Die in der jeweiligen Lebenswelt liegenden Ressourcen und biographischen Möglichkeiten müssen ausfindig gemacht werden. Die Klienten sollen mit Hilfe der Mitarbeiter des ASD ihre Schwierigkeiten innerhalb ihrer Alltagswelt bewältigen, wobei die Problemlösungen dort tragbar sein müssen. Soll die Lebenswelt verbessert werden, darf es nicht zu ihrer Entwertung oder „Kolonialisierung“ (Überstülpen eigener Vorstellungen, eigener „Normalitätskonzepte“ usw.) durch die Fachkräfte kommen. Vielmehr müssen die in ihr gegebenen positiven Entwicklungsmöglichkeiten genutzt werden.
Andere Prinzipien der Arbeit im ASD sind:
- Prävention: Die Verhütung individueller, zwischenmenschlicher und gesellschaftlicher Probleme ist menschlicher, effektiver und kostengünstiger als deren Behebung.
- Hilfe zur Selbsthilfe: Die Eigenkräfte der Klienten sollen so gestärkt werden, dass sie sich selbst aus den jetzigen und zukünftigen Problemlagen befreien können.
- Partizipation: Die Rechtspositionen der Klienten sollen gesichert, ihr Mitbestimmungsrecht und die Freiwilligkeit ihrer Mitwirkung gewährleistet werden.
- Integration: Eine Ausgrenzung der Klienten aus der Gesellschaft soll verhindert oder rückgängig gemacht werden.
- Bürgernähe: Die Hilfen des ASD sollen für alle Bürger zugänglich sein. Dies setzt seine Verortung in den Bezirken voraus (Regionalisierung), die möglichst klein sein sollten (bessere Orts- und Personenkenntnisse der Fachkräfte, geringerer Zeitaufwand bei Hausbesuchen, kürzere Wege für die Klienten, geringere Schwellenangst bei kleineren Dienststellen).
- Keine Trennung von Innen- und Außendienst: Die (räumlich) enge, arbeitsteilige Kooperation zwischen Sozialarbeitern und Verwaltungsfachkräften muß gesichert werden, da auf diese Weise die für Klienten unnatürliche Aufspaltung zwischen persönlichen und wirtschaftlichen Hilfen verhindert und eine kürzere Bearbeitungszeit ermöglicht wird.
Es ist offensichtlich, dass die Befolgung der genannten Maximen ein hohes Maß an Professionalität und Flexibilität voraussetzt. Sie erfordert unterschiedliche Arbeitsformen, die nun oder in den folgenden Kapiteln dargestellt werden.
Einzelfallarbeit
Noch immer bildet die Einzelhilfe den Schwerpunkt der Arbeit im ASD: Die Fachkräfte betreuen Einzelpersonen, Ehepaare und Familien. Ein großer Teil der Klienten geht von sich aus zum ASD; viele andere kommen aber aus den verschiedensten Gründen nicht von selbst (z.B. Schwellenangst, zu wenig Leidensdruck, Scham, mangelnde Kenntnis von Rechtsansprüchen, ausgeprägte Hilflosigkeit). So spielt die aufsuchende Sozialarbeit eine große Rolle: Hilfsbedürftige Personen werden – beispielsweise aufgrund der Hinweise von Nachbarn oder anderen Behörden – von den Fachkräften direkt angesprochen, die zur Erörterung der Problemlage auch Hausbesuche machen. Hier ist wichtig, die Klienten „dort abzuholen, wo sie stehen“: Häufig müssen sie erst motiviert werden, das Beratungs- und Betreuungsangebot anzunehmen, müssen sie mit Hilfe der Sozialarbeiter zur Einsicht in ihre Notlage kommen und die Bereitschaft zur Verbesserung ihrer Situation entwickeln.
Für die Fachkräfte ist dies ein oft frustrierender Aspekt ihrer Tätigkeit. Sie erleben einen Teil ihrer Klienten als „negative Auslese“, als Personen, mit denen sich andere psychosoziale Dienste nicht abgeben würden oder an denen diese schon gescheitert sind. Sie machen mehr als Fachkräfte aus anderen Einrichtungen des Sozialsystems die Erfahrung, dass Menschen sich nicht helfen lassen wollen, dass sie durch alle Maschen des sozialen Netzes fallen. So erleben sie häufig das unaufhaltsame Fortschreiten leidvoller Biographien. Zugleich liegt hier aber auch eine große Herausforderung, geht es um „klassische“ Sozialarbeit. Viele dieser Klienten können mit ASD-Methoden durchaus erreicht werden. Bei einem Teil können die Fachkräfte sogar größere Erfolge erzielen als die Mitarbeiter von Spezialdiensten, da sie eher der ganzen Komplexität der Notlage gerecht werden.
Hier wirkt sich die Verwendung eines ganzheitlichen, systemischen, integrativen Arbeitsansatzes positiv aus: Die Probleme werden in ihrem Zusammenhang gesehen und nach Priorität (nicht nach spezieller Zuständigkeit) bearbeitet. Dies setzt voraus, dass sich die Fachkräfte innerhalb kurzer Zeit ein umfassendes Bild von den Klienten und ihrer Lebenssituation machen. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass übersehen wird, dass beispielsweise das sichtbare bzw. benannte Problem nicht das einzige oder eigentliche ist, dass der Symptomträger für gestörte Familienstrukturen und -prozesse steht, dass das Verhalten der Klienten im Beratungsgespräch nicht ihrem Verhalten in der Familie oder anderen Kontexten entspricht.
Es wird deutlich, dass ohne eine umfassende psychosoziale Diagnose ein erfolgversprechender Handlungsplan nicht entwickelt werden kann. Ansonsten besteht die Gefahr, dass beispielsweise nur der Symptomträger behandelt wird oder dass Primärklient (z.B. die Mutter) und Problemträger (ihr Kind) getrennt werden und nur letzterer betreut wird, damit ersterer seine Schwächen und Fehler nicht eingestehen muss und ein positives „Image“ behält. Auch wird eher erkannt, ob nur mit dem Primärklienten gearbeitet werden muss oder ob seine Familie, andere Personen oder sein Netzwerk einzubeziehen sind. Obwohl Zweiergespräche vielen Sozialpädagogen leichter erscheinen, sind oft bessere und schnellere Fortschritte bei der Arbeit mit größeren Gruppen zu verzeichnen.
Um die Klienten zur Mitwirkung zu motivieren, ist es bei den ersten Kontakten wichtig, Respekt, Wärme, Verständnis und Empathie zu zeigen. So kann auch am ehesten eine vertrauensvolle und effektiv wirkende Beziehung zu ihnen aufgebaut werden. Dies setzt voraus, dass die Fachkräfte an den Erfahrungen, Problemen und Einstellungen ihrer Klienten, an deren Lebenssituation anknüpfen. Sie müssen mit verschiedenen Kliententypen umgehen können, sich auf deren Sprach- und Umgangsstil einlassen und akzeptieren, dass z.B. viele Personen aus unteren sozialen Schichten eine direkte, oft sehr plastische Sprache verwenden, ihre Situation verbal nicht gut beschreiben können und nicht für lange Beratungsgespräche über ihre Probleme, Gefühle und Gedanken zu gewinnen sind. Sie müssen die Perspektive ihrer Klienten erfassen, sich in sie einfühlen, zu einem echten Fremdverstehen kommen und die jeweilige Lebenswelt von deren Standpunkt aus betrachten. Gelingt ihnen dies, können sie das den Klienten deutlich machen und können sie sich als Personen darstellen, die engagiert sind und wirklich helfen werden, dann sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit geschaffen.
Allerdings muss auch gesehen werden, dass zu einem Großteil der Klienten keine intensive Beratungs- oder gar therapeutische Beziehung aufgebaut werden kann (wie dies z.B. in einer Erziehungs- oder Familienberatungsstelle möglich ist). Das liegt nicht nur an der oft unmotivierten, an längeren Beratungsgesprächen nicht interessierten oder wenig zu Introspektion und Selbsterfahrung geneigten Klientel, sondern auch an den Rahmenbedingungen der Arbeit im ASD: wenig Zeit für lange Gespräche, Termindruck und hohe Arbeitsbelastung durch große Fallzahlen und viele Verwaltungstätigkeiten.
Besonders problematisch ist hier das Spannungsverhältnis zwischen Beratung und Kontrolle, zwischen Vertraulichkeit und Amtlichkeit: Während das Gespräch in einer Beratungsstelle freiwillig ist und ganz offen sein kann, weil die Gesprächsinhalte ohne amtliche Konsequenzen sind, haben die Klienten des ASD vielfach nicht um die Beratung nachgesucht (insbesondere Jugendliche erleben sich häufig von ihren Eltern oder den Fachkräften gezwungen, an den Gesprächen teilzunehmen). Auch müssen sie sich oft „taktisch“ verhalten, weil ihre Aussagen zu behördlichen Interventionen und Sanktionen führen könnten oder weil sie besondere (oft auch materielle) Leistungen erhalten wollen. Während also einerseits viele Klienten eine Fassade aufbauen oder im Gespräch eine bestimmte Strategie verfolgen, müssen andererseits die Sozialarbeiter versuchen, diese Fassade zu durchbrechen und die für Maßnahmeentscheidungen relevanten Fakten zu sammeln. Dazu bewerten sie die erhaltenen Informationen.
Es findet also im größeren Maße als z.B. in einer Beratungsstelle eine „Imagemanipulation“ statt: Die Klienten stellen sich als unfähig, hilfsbedürftig und scheiternd dar, um bestimmte Ziele zu erreichen. Dem entspricht die Fremdwahrnehmung durch die Sozialarbeiter, die ihre Klienten als „defizitär“ und hilflos sehen. „Beides nun, Selbst- und Fremdzuschreibung von Unfähigkeit und Hilfebedürftigkeit, ist auch heute noch das zentrale Legitimationsmuster sozialer Arbeit: Sie begründen die Notwendigkeit des helfenden Eingreifens und legitimieren zugleich die Zuständigkeit administrativer Fürsorglichkeit“ (Herriger 1991, S. 223). So werden im ASD die Gesprächsinhalte in Form von Aktennotizen festgehalten. Diese werden zur Begründung von Maßnahmen herangezogen und sind somit – unter Wahrung des Datenschutzes – Dritten zugänglich. Bei längeren Kontakten oder bei Wechsel des zuständigen Sozialarbeiters besitzt die Fachkraft Aktenwissen und kann auf dieses zurückgreifen, während sich die Klienten auf ihr Gedächtnis verlassen müssen bzw. nicht wissen, was dem neuen Ansprechpartner bereits über sie bekannt ist.
Viele Klienten fühlen sich auch im Gespräch mit den Sozialpädagogen unsicher. Sie wissen nicht, welches Verhalten erwartet wird oder angemessen ist, wie sie ihre Bedürfnisse und Interessen einbringen können, welche Konsequenzen Offenheit haben könnte. So halten sie sich zurück, „mauern“, haben wenig Vertrauen. Hinzu kommt, dass sie nicht wissen, ob die Sozialarbeiter übermittelte Informationen in ihrem Sinne verwenden werden. Die Klienten haben keine Kenntnis davon, was in Anschluss an das Gespräch passiert, haben kaum Einfluß auf das darauffolgende Verwaltungshandeln.
Hier wird die Bedeutung institutioneller Strukturen und Rahmenbedingungen deutlich. Dazu gehören: Gesetzlichkeit, Regelhaftigkeit, Berechenbarkeit, Sachlichkeit, Effizienz, Kontrolle, Arbeitsteilung, Hierarchie usw. Die Behörde, das Amt, prägt Erwartungshaltungen, Denkformen, Orientierungsraster, Überzeugungen, Routinen und Gesprächsregeln. Sie vermittelt, was von der Gesellschaft als „problematisch“ oder „abweichend“ definiert wird, und verleiht somit Definitions- und Sanktionsmacht, selbst wenn letztere oft nur in Kooperation mit mächtigeren Instanzen (z.B. Vormundschaftsgericht oder Polizei) ausgeübt werden kann. In Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien, Empfehlungen und Anweisungen wird festgelegt, welche Maßnahmen und Leistungen für welche Fälle vorgesehen sind.
In diesen institutionellen Strukturen und Arbeitsverhältnissen liegen Grenzen beratender und unterstützender Beziehungen, von Empathie, Verständnis, Anteilnahme und Anwaltschaft, von Individualisierung und Lebensweltorientierung. Als Repräsentant von Staat und Gesellschaft „muss der Sozialarbeiter die von der Institution gesetzten Rahmenbedingungen gegenüber dem Klienten vertreten. Diese institutionellen Rahmenbedingungen zeigen sich insbesondere in der rechtlichen Stellung des Sozialarbeiters (z.B. Treuepflicht, fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht, Ausführung der Weisungen seiner Vorgesetzten), in den rechtlichen Grundlagen, nach denen Leistungen gewährt und Eingriffe begründet werden, sowie im finanziellen Spielraum“ (von der Haar 1984, S. 141). Die Fachkraft muss im amtlichen Auftrag Daten sammeln, die Leistungsverwendung kontrollieren, Rechenschaft ablegen. Das Leben der Klienten wird „gemäß den Regeln des institutionellen Systems strategisch einvernommen“ (Kasakos 1980, S. 40).
Somit besteht die Gefahr, dass an die Stelle einer persönlichen Vertrauens- oder Beratungsbeziehung ein Gewaltverhältnis tritt. Die Fachkräfte definieren auf der Grundlage institutioneller und gesellschaftlicher Vorgaben sowie eigener Voreinstellungen die Probleme ihrer Klienten, legen die Lösungsmöglichkeiten fest und verlangen, dass entsprechend gehandelt wird. Den Klienten wird eine untergeordnete Position zugewiesen; sie werden zu Objekten der Betreuung, Bevormundung und Kontrolle, müssen sich unterwerfen und anpassen. Dieses Gewaltverhältnis wird aber oft verschleiert, indem z.B. an das Gewissen, das Verantwortungsgefühl oder die Selbsthilfefähigkeit der Klienten appelliert und auf die Freiwilligkeit der Nutzung der Hilfeangebote verwiesen wird. Es wird verneint, dass Sanktionsmacht ausgeübt oder angedroht wird oder dass es für manche Klienten keine Alternative zu den Hilfen des ASD gibt.
Selbst wenn aufgrund der skizzierten Rahmenbedingungen oft keine Beratungsbeziehung zu den Klienten aufgebaut werden kann (und dies für ein erfolgreiches Arbeiten häufig auch nicht nötig ist), entspricht ein derartiges Gewaltverhältnis nicht den Kriterien moderner Sozialarbeit. Es verhindert Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Aktivierung und Individualisierung, Gleichberechtigung und Solidarisierung, Offenheit und Transparenz. So ist es wichtig, ein Klientenbild zu entwickeln, das den Subjektcharakter, die Stärken der Klienten, ihr Recht auf Selbstbestimmung über das eigene Leben, auf Autonomie und aktive Gestaltung des Alltags betont. Durch „Empowerment“ sollen ihnen Auswege aus der erlernten Hilflosigkeit eröffnet werden (Herriger 1991).
Insbesondere im SGB VIII sind Regelungen enthalten, durch die die Mitbestimmung der Klienten über Form und Inhalt der Leistungen und ihre Einbeziehung in Entscheidungsstrukturen gewährleistet werden. So lautet § 36 Abs. 1, 2 SGB VIII:
(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen hinzuweisen. Vor und während einer langfristig zu leistenden Hilfe außerhalb der eigenen Familie ist zu prüfen, ob die Annahme als Kind in Betracht kommt. Ist Hilfe außerhalb der eigenen Familie erforderlich, so sind die in Satz 1 genannten Personen bei der Auswahl der Einrichtung oder der Pflegestelle zu beteiligen. Der Wahl und den Wünschen ist zu entsprechen, sofern sie nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sind. ...
(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen. Erscheinen Maßnahmen der beruflichen Eingliederung erforderlich, so sollen auch die für die Eingliederung zuständigen Stellen beteiligt werden.
Die hier geforderte Mitwirkung und Einbindung der Klienten sowie die Entwicklung von Hilfeplänen bei längerfristigen Maßnahmen oder im Fall einer notwendigen Zusammenarbeit mit anderen psychosozialen Diensten sollten im ASD zur Regel werden – auch bei Fällen, auf die das SGB VIII nicht angewendet werden kann.
So ist generell sinnvoll, nach der ersten psychosozialen Diagnose, die dennoch umfassend sein sollte, das ganze Spektrum geeigneter Hilfemöglichkeiten mit den Klienten zu besprechen und gemeinsam mit ihnen – und unter Umständen unter Einbeziehung anderer Fachkräfte oder wichtiger anderer Personen aus dem Netzwerk bzw. der Lebenswelt der Klienten (z.B. Lehrer, Pfarrer, Nachbarn) – einen Hilfeplan zu erstellen. Dieser kann auch im ASD-Team oder in einem speziellen Entscheidungsteam (Helferkonferenz) erstellt werden, wobei die Mitwirkung der Betroffenen sicherzustellen ist. Die Hilfeplanung umfasst:
- Analyse der Lebenssituation der Klienten (Persönlichkeit, Verhalten, Lebensgeschichte, Familienverhältnisse, Berufs- und Einkommenssituation, soziales Umfeld usw.);
- Untersuchung der Problematik (einschließlich der Vorgeschichte und bisheriger Lösungsversuche) und der Bedürfnisse der Klienten;
- Festlegung der Ziele der Hilfe (Hierarchie der Ziele, Prioritäten);
- Auswahl der voraussichtlich am besten geeigneten Hilfsmaßnahme (Diskussion in Frage kommender Hilfen; mögliche quantitative und qualitative Folgen, Dauer und Kosten der jeweiligen Maßnahme) unter Beachtung von Grundsätzen wie den von der Verhältnismäßigkeit der Mittel und des geringstmöglichen Eingriffs in das Leben der Klienten; sowie
- Planung und Umsetzung (Arbeitsschritte, zeitliche Perspektive, Finanzierung usw.).
Hier tritt das Problem der Vereinbarkeit von Prozessorientierung einerseits und der Notwendigkeit der Festlegung von Maßnahmen andererseits auf. So sollten bei der Hilfeplanung Kontrollmechanismen eingebaut werden: In regelmäßigen Zeitabständen ist bei langfristigen Maßnahmen der Fortschritt zu überprüfen sowie – falls notwendig – der Hilfeplan zu aktualisieren und fortzuschreiben. Auch hier müssen wieder die Betroffenen und Vertreter der an der Umsetzung des Hilfeplans beteiligten Institutionen einbezogen werden.
Mit den Hilfsangeboten des ASD werden vor allem Ziele wie Überwindung von Hilf- und Hoffnungslosigkeit, Motivierung zur Übernahme von persönlicher und sozialer Verantwortung, Befreiung von Ängsten und psychischen Problemen, Entwicklung von Problem- und Konfliktlösefertigkeiten, Stärkung der Eigenkräfte, Hilfe zur Selbsthilfe, Befähigung zur eigenverantwortlichen Meisterung und aktiven Gestaltung des eigenen Lebens, gesellschaftliche Integration und Erschließung von Hilfsquellen verfolgt. Zum Erreichen derartiger Ziele steht den Mitarbeitern des ASD ein großes Repertoire von Methoden zur Verfügung. Den Schwerpunkt bilden die persönliche Beratung und formlose Betreuung. Die Fachkräfte informieren über Rechtsansprüche (nach dem SGB VIII, BSHG, Wohngeldgesetz usw.) oder Fördermöglichkeiten (für Kuren, Kinder- und Jugenderholung, Urlaub auf dem Bauernhof usw.), erschließen soziale Ressourcen, vermitteln lebenspraktische Fertigkeiten, erziehen, leisten Krisenintervention, behandeln, bieten Integrationshilfe und unterstützen bei Problemen mit Behörden, Schulen, Ärzten u.a. Wichtig ist in der Regel die Verzahnung persönlicher und materieller Hilfe. Dies setzt eine gute Kooperation mit der Verwaltung voraus, die als Bundesgenosse und nicht als Rivale behandelt werden sollte.
In vielen Fällen stoßen die Mitarbeiter des ASD aber bald auf Grenzen: Oft mangelt es ihnen an Zeit für die notwendige langfristige Beratung und Betreuung, fehlen ihnen die zur Lösung eines bestimmten Problems notwendigen besonderen Fertigkeiten oder ist das Problem so speziell, dass nur ein Sonderdienst die benötigte Hilfeleistung bieten kann. Deshalb ist es wichtig, dass die Fachkräfte ihre Grenzen sehen und akzeptieren: Sie müssen nicht alles beherrschen und selbst machen, sondern in den skizzierten Fällen erkennen, dass ein Spezialdienst benötigt wird, und dann ihre Klienten auch „loslassen“ können.
So ist eine wichtige und zentrale Aufgabe der Mitarbeiter des ASD die Vermittlung von Klienten an psychosoziale Dienste, Behörden oder andere Institutionen – an Beratungsstellen, Einrichtungen der Wohlfahrts- und Behindertenverbände, Sozialstationen, Sozialpsychiatrische Dienste, Sozial-, Wohnungs- oder Arbeitsamt, Kindertagesstätten, Krankenhäuser oder Gerichte. Auch können über das Jugendamt Hilfen wie Tages- oder Vollzeitpflege, Erziehungsbeistandschaft, Heimunterbringung, sozialpädagogische Familienhilfe usw. für die Klienten erschlossen werden. So müssen die Mitarbeiter des ASD den Überblick über das ganze Sozialsystem mit seinen vielen Einrichtungen haben und das weite Spektrum psychosozialer und materieller Hilfen kennen. Als „Spezialisten für den Zusammenhang“ müssen sie die für den jeweiligen Einzelfall geeigneten Hilfsangebote finden, die Klienten über diese informieren und zu ihrer Nutzung motivieren. Sie erschließen ihnen damit das für den einzelnen Bürger nicht mehr überschaubare Sozialsystem mit seiner Unmenge von Hilfsangeboten.
In vielen Fällen endet die Arbeit des ASD aber nicht mit der Vermittlung an einen Spezialdienst oder eine Behörde. Die Fachkräfte bleiben weiter Ansprechpartner der Klienten, übernehmen eine koordinierende Funktion, halten den Hilfeprozess zusammen. Sie integrieren die verschiedenen Teilaspekte und gewährleisten die problemgerechte Umsetzung der ausgewählten Maßnahme. Dies bedeutet, dass sie intensiv mit den Mitarbeitern anderer psychosozialer Dienste und von Behörden kooperieren müssen. Die Folge ist, dass kaum eine andere öffentliche Dienststelle so vielfältige und unbürokratische Formen der Zusammenarbeit mit so vielen anderen Institutionen entwickelt hat wie der der ASD. Zugleich wird deutlich, weshalb im Achten Jugendbericht von 1990 die formlose Betreuung durch den ASD als „Koordinationszentrum für unterschiedliche Hilfemöglichkeiten“ (S. 134) bezeichnet wird, dass sie „für das Verbundsystem von Hilfen in Erziehungs- und Lebensschwierigkeiten geradezu zentral“ ist (a.a.O.) und deshalb ihre Aufwertung gefordert wird.
Gruppen- und Netzwerkarbeit
Noch relativ selten wird von den Fachkräften des ASD Gruppenarbeit praktiziert. Nur mancherorts betreuen sie zumeist von ihnen auch gegründete Gruppen von jungen Müttern, Alleinerziehenden, Jugendlichen, arbeitslosen Heranwachsenden, Ausländern oder anderen Zielpersonen. Sie versuchen, die Klienten zu Selbsterfahrung und Introspektion zu führen, ihr Erziehungs- und Freizeitverhalten zu verbessern, ihnen bei der Bewältigung von Alltagsproblemen oder Partnerkonflikten zu helfen, ihre kommunikativen Fertigkeiten zu fördern, ihr Selbstbewusstsein zu stärken oder sie bei der Überwindung sozialer Isolation zu unterstützen. Oft entwickeln sich diese Gruppen zu Selbsthilfegruppen weiter, die ohne professionelle Leitung fortbestehen können. Vereinzelt versuchen Mitarbeiter des ASD auch, bestimmte Zielgruppen wie Drogenabhängige, Obdachlose oder Jugendbanden durch Streetwork oder mobile Kinder- und Jugendarbeit zu erreichen.
Bei der fallorientierten Netzwerkarbeit wird sozial isolierten Klienten geholfen, ein Netzwerk aus Verwandten, Freunden, Bekannten, Nachbarn und Arbeitskollegen aufzubauen oder das bereits bestehende, aber zu kleine Netzwerk zu erweitern. In anderen Fällen müssen auseinander gerissene oder miteinander verfeindete Netzwerkteile verknüpft bzw. versöhnt werden. Vielfach müssen Klienten auch befähigt werden, die in ihrem Netzwerk liegenden Ressourcen (emotionale Unterstützung, materielle Hilfe, Kinderbetreuungsmöglichkeiten, praktische Hilfe usw.) zu erkennen und zu nutzen.
Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit
Da die Mitarbeiter des ASD für einen bestimmten Bezirk zuständig und dort auch präsent sind – weil sie in ihm ihr Büro haben, regelmäßig Sprechstunden abhalten, Hausbesuche machen und mit in ihm angesiedelten psychosozialen Diensten, Behörden und anderen Institutionen kooperieren -, kennen sie die sozialen Probleme vor Ort. Sie beobachten negative Entwicklungen (z.B. zunehmende Arbeitslosigkeit oder wachsender Anteil hilfs- bzw. pflegebedürftiger alter Menschen im Bezirk), Defizite im Ausmaß privater Hilfe und Mängel in der örtlichen sozialen Infrastruktur. Da diese Rahmenbedingungen die Probleme vieler Klienten verursachen oder deren Bewältigung behindern, müssen sie verändert werden. Dazu ist es notwendig, von der Fall- zur Feldorientierung zu wechseln, die im Bezirk gegebenen Strukturen und Lebenswelten zu analysieren und nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. So kommt der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit eine große Bedeutung zu, die mancherorts vom ASD noch nicht wahrgenommen wird. Oft blieb die Einsicht auch nahezu ohne Konsequenzen, da die Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist und die erforderlichen Kompetenzen erst noch erworben werden müssen.
Ziele der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit sind beispielsweise, den Menschen im Bezirk zu einer Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und damit der Lebensqualität zu verhelfen, Selbsthilfeaktivitäten und Nachbarschaftshilfe zu fördern und Mängel in der sozialen Infrastruktur auszugleichen. Soziale Probleme sollen dort bearbeitet werden, wo sie entstehen. Dazu ist es vielfach notwendig, mit Behörden, politischen Gremien, Trägern der freien Wohlfahrtspflege, Schulen, Kirchengemeinden, Initiativen und anderen Institutionen oder Organisationen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen die örtlichen Probleme, Lebensbedingungen und Entwicklungstendenzen zu analysieren, gemeinsam nach Verbesserungsvorschlägen zu suchen und diese kooperativ umzusetzen. Hierzu ist es oft sinnvoll, Arbeitsgruppen zu bilden oder Stadtteilkonferenzen durchzuführen, an denen neben Fachleuten auch interessierte Bürger oder deren Interessenvertreter (z.B. Mitglieder von Bürgervereinen, Mieterverbänden oder Initiativen; eventuell Wahl einer Bewohnervertretung) teilnehmen können. Mancherorts bestehen bereits ähnliche Arbeitsgemeinschaften, in denen Mitarbeiter des ASD mitwirken können.
Im Rahmen der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit werden beispielsweise folgende Aktivitäten von ASD-Mitarbeitern praktiziert:
- Gruppenarbeit,
- Unterstützung von Selbsthilfegruppen (z.B. durch Bereitstellen von Räumen),
- Gründung von Treffpunkten wie Stadtteilläden oder Mütterzentren,
- Schaffung notwendiger Einrichtungen (z.B. Hausaufgabenbetreuung, Nachbarschaftshilfe),
- Ortsbegehung mit Bürgermeister und/oder Stadt- bzw. Gemeinderäten,
- Inszenierung von Netzwerken sowie
- Initiierung von Stadtteilfesten oder kulturellen Aktivitäten.
Es ist offensichtlich, dass derartige Aktivitäten viel Zeit und entsprechende Freiräume voraussetzen, aber auch Mut und Kreativität erfordern. Es muss intensiv mit anderen psychosozialen Diensten, Institutionen und Verbänden kooperiert werden. Eine Erfolgskontrolle bei der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit ist nur schwer möglich.
Politische und Öffentlichkeitsarbeit
Sowohl in der Einzelfall- als auch in der Gemeinwesenarbeit wird immer wieder deutlich, dass viele Probleme mit Mitteln des ASD oder durch Vermittlung an andere psychosoziale Dienste nicht lösbar sind. Geht es beispielsweise um fehlende Arbeitsplätze, Mangel an Wohnraum, hohe Mieten, unzureichende Kinderbetreuungsangebote oder ungenügende Freizeitangebote für Jugendliche, so ist die (Kommunal-) Politik gefragt. Hier dürfen sich die ASD-Mitarbeiter nicht zurückziehen und resignieren, sondern müssen politisch aktiv werden. So fordert der Achte Jugendbericht (1990) die „Einmischung“ der Jugendhilfe in die Politik: Sie soll regionale Probleme öffentlich machen, politische Auseinandersetzungen provozieren und darauf hinwirken, dass Veränderungen gewollt und gefördert werden. Dieses gilt erst recht für den ASD, der für alle Generationen und Bevölkerungsgruppen zuständig ist, so gut wie kein anderer die Lebensverhältnisse in den Bezirken kennt und diese Informationen bündeln und in die öffentliche Diskussion einbringen kann.
Dementsprechend ist es eine wichtige Aufgabe des ASD, Strukturdefizite und soziale Probleme vor Ort zu erkennen und zu dokumentieren, den Handlungsbedarf aufzuzeigen und entsprechende kommunal-, sozial-, wohnungs-, familien- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zu fordern: „Einmischung geschieht durch offensive Präsenz in bereichsübergreifenden Arbeitsgruppen, politischen Ausschüssen und informellen Gruppen, insbesondere außerhalb des sozialen Bereichs, bei Lokalredaktionen und Fachzeitschriften, bei Honoratiorentreffen und festlichen Anlässen sowie auf Podien und in öffentlichen Diskussionsforen“ (Hinte 1993, S. 17). Der ASD muss kontinuierliche Pressearbeit leisten, politische Einflusskanäle aufbauen und nach Macht streben – Aktivitäten, die Sozialarbeitern fremd sind und von ihnen eher abgelehnt werden. Umso wichtiger ist es, dass sie deren Notwendigkeit erkennen und sie als Teil ihres Berufsbildes akzeptieren. Dann werden sie sich die Kenntnisse, Kompetenzen und Verhaltensweisen aneignen, die es ihnen erlauben, sich in die Jugendhilfe-, Verkehrs-, Stadt- und Sozialplanung einzumischen, ihre Vorstellungen offensiv und beharrlich gegenüber Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung einzubringen, öffentlich als Anwalt von Randgruppen aufzutreten oder Gruppen zu mobilisieren und zu organisieren, die sinnvolle politische Anliegen durchsetzen wollen.
Die Öffentlichkeitsarbeit des ASD muss aber auch zum Ziel haben, die Aufgaben und Leistungen des ASD gegenüber Politik und Verwaltung, Wohlfahrtsverbänden und Spezialdiensten sowie vor allem gegenüber den Bürgern in den Bezirken deutlich zu machen. Nur so kann dem eher negativ getönten Bild vom ASD oder seinem relativ geringen Bekanntheitsgrad entgegengewirkt werden. Die ganze Komplexität der sozialen Probleme, mit denen die Fachkräfte konfrontiert werden, der ganzheitliche Arbeitsansatz, die Fachlichkeit und die Leistungen des ASD müssen in der Öffentlichkeit deutlich werden. Neben einer intensiven Pressearbeit kann die Selbstdarstellung auch durch qualitative Sozialberichterstattung oder Statistiken, durch Aktivitäten im Bezirk (z.B. Stadtteilkonferenz, Fest) oder bei sozialpolitischen Veranstaltungen erfolgen. Öffentlichkeitsarbeit kann nicht nebenbei gemacht werden, sondern verlangt viel Zeit und bestimmte Kompetenzen, die Sozialarbeiter sich erst aneignen müssen.
Personal und Ausstattung
Dieser Beitrag macht deutlich, dass hohe Anforderungen an die Fachkräfte im ASD gestellt werden, die über grundlegende zwischenmenschliche und professionelle Kompetenzen verfügen sollten: Sie müssen z.B. in der Lage sein, helfende Beziehungen zu höchst unterschiedlichen Kliententypen aufzubauen, deren Bedürfnisse und Interessen zu erfassen, komplexe Problemlagen auf individueller und örtlicher Ebene zu analysieren, sich im Laufe des Tages auf ganz verschiedene Situationen und Aufgaben einzustellen, zusammen mit anderen Personen Ziele zur Verbesserung von Lebenslagen zu entwickeln und die entsprechenden Maßnahmen auszuwählen und durchzuführen. Das setzt ein hohes Maß an Sensibilität, Flexibilität, Kreativität, Entscheidungskraft und Kooperationsfähigkeit, die Bereitschaft zur Einmischung und die Beherrschung einer Vielzahl von Methoden der Sozialarbeit voraus. Auch ist ein umfassendes Wissen über den Lebensstil und die Subkultur der im Bezirk lebenden Bevölkerungsgruppen nötig. Um wirklich helfen zu können, „brauchen sie fachlich-instrumentelle Kompetenzen, vor allem Kenntnisse der relevanten Gesetze, Verwaltungs- und Förderrichtlinien und die Souveränität, sie aus ihrer Sicht zu definieren; sie müssen sich in den Organisationsstrukturen und Ressourcen ihrer Einrichtung auskennen, die Infrastruktur des Feldes und die Netzwerke ihrer Klienten überblicken, informelle und formelle Wege wissen und Kontakte nutzen können“ (Achter Jugendbericht 1990, S. 168).
So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Mitarbeiter des ASD oft überfordert fühlen. Auch sind die Fallzahlen und damit die Arbeitsbelastungen sehr hoch. Dementsprechend groß ist die Personalfluktuation im ASD, zumal das Ansehen der Fachkräfte innerhalb des Sozialsystems und ihre tarifliche Einstufung verhältnismäßig niedrig sind. Hinzu kommt, dass überwiegend Frauen in diesem Bereich tätig sind, die häufig auch kündigen, um sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen, oder die Mutterschafts- bzw. Erziehungsurlaub nehmen.
Dieser Situation muss zum einen mit der Verbesserung des Personalschlüssels begegnet werden. Es ist nicht sinnvoll, Empfehlungen über die Zahl der Einwohner je ASD-Fachkraft auszusprechen – der Personalschlüssel sollte von den höchst unterschiedlichen und verschieden stark ausgeprägten Problemlagen in dem jeweiligen Bezirk abhängig sein. Zum anderen sind hohe Anforderungen an die Einarbeitung und Fortbildung der Mitarbeiter zu stellen. Da es sich bei Neueinstellungen in der Regel um Berufsanfänger handelt, benötigen diese eine konkrete Anleitung durch erfahrene Kollegen und eine umfassende Einweisung in ihr Arbeitsfeld. Sie müssen sich die notwendigen Fach-, Rechts- und Verwaltungskenntnisse so schnell wie möglich aneignen und in Begleitung von Kollegen ihren Bezirk und damit die Lebenswelt der Klientel und das örtliche Hilfesystem kennenlernen. Auch benötigen sie eine praktische Einführung in die Methodik der Einzelfall-, Gruppen-, Gemeinwesen- und Öffentlichkeitsarbeit.
Aber auch die berufserfahrenen Fachkräfte dürfen nicht alleine gelassen werden. Sie sollten regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen besuchen können, so dass sie ihre Kenntnisse und ihr Methodenrepertoire erweitern und den theoretischen Bezugsrahmen der Sozialarbeit besser kennenlernen können. Auch benötigen sie Supervision – je nach Bedarf durch entsprechend ausgebildete Kollegen oder externe Supervisoren. Mit deren Hilfe können sie als problematisch erlebte Situationen, emotionale Reaktionen und bestimmte Verhaltensweisen analysieren, ihre Handlungsansätze überprüfen und Arbeitsprobleme oder persönliche Schwierigkeiten bewältigen.
Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im ASD trägt auch die Teamarbeit bei. So ist zumeist für den jeweiligen Bezirk ein Team zuständig, das in der Regel auch Entscheidungskompetenzen besitzt. Es erleichtert die Einarbeitung und Integration von Berufsanfängern, verhindert Vereinzelung und Isolation, ermöglicht eine unproblematische Regelung von Vertretungen. Vor allem aber eignet es sich für die Besprechung schwieriger Fälle: Im Team können die Kompetenzen, das Wissen und der Ideenreichtum aller Mitglieder genutzt, kollegiale Beratung und Stützung erfahren sowie gemeinsam Entscheidungen über langfristige Maßnahmen mit Eingriffscharakter gefällt und verantwortet werden. Auch können grundsätzliche Angelegenheiten (gesetzliche Veränderungen, Entwicklungen im Bezirk, Kooperation mit Verbänden usw.) diskutiert werden. Zudem kann entschieden werden, wer das Team z.B. in psychosozialen Arbeitsgemeinschaften oder Stadtteilkonferenzen vertreten wird. Schließlich ermöglicht das Team seinen Mitgliedern, sich zu spezialisieren, in sogenannten Vertiefungsgebieten besondere Kenntnisse und Kompetenzen zu erlangen und diese den Kollegen zur Verfügung zu stellen. Dies trägt zur weiteren Qualifizierung der Arbeit im ASD bei.
Abschließend soll noch angemerkt werden, dass auch die Ausstattung der Arbeitsplätze und die Atmosphäre im ASD von großer Bedeutung sind. So können Arbeitszufriedenheit und der Verbleib der Fachkräfte dadurch gefördert werden, dass ihre Arbeitsräume hell und freundlich ausgestattet werden, dass sie die Möglichkeit zum ungestörten Gespräch mit mehreren Klienten haben, dass flexible Arbeitszeitregelungen getroffen werden und die Mitarbeiter über Handgelder für kleine Einzelausgaben verfügen können.
Unter diesen Bedingungen kann der ASD seiner Funktion im Sozialsystem gerecht werden, können Fachkräfte die Vielzahl ihrer Aufgaben zufriedenstellend erfüllen.
Quelle
Aus: Martin R. Textor (Hrsg.): Allgemeiner Sozialdienst. Ein Handbuch für soziale Berufe. Weinheim, Basel: Beltz 1994, S. 52-66 - Online-Buch, Teil 1 und Teil 2