Erziehungspartnerschaft zwischen Lehrer/innen und Eltern

Martin R. Textor

 

Wenn Kinder ko-konstruktiv lernen, also in der Interaktion mit Erwachsenen und anderen Kindern, sind Eltern und Lehrer/innen Ko-Konstrukteure der kindlichen Entwicklung - neben dem Kind selbst. Was läge also näher, als dass sich diese Erwachsenen über das jeweilige Kind, über seine Erziehung und Bildung austauschen? Was läge näher, als dass sie sich bei ihren Bemühungen wechselseitig unterstützen?

Gerade vor dem Hintergrund, dass der erzieherische und bildende Einfluss von Eltern und Lehrer/innen mit zunehmendem Alter der Kinder schwindet, scheint eine Kooperation zwischen den Erwachsenen unverzichtbar zu sein: Gemeinsam ist man stärker! Für diese Art der Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren immer mehr der Begriff der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft durchgesetzt. Lehrer/innen und Eltern sind als Ko-Konstrukteure der kindlichen Entwicklung sozusagen "natürliche" Partner.

Der Begriff "Partner" bzw. der Terminus "Partnerschaft" beinhaltet in erster Linie Positives. Allerdings haben wir es hier mit einem Ideal zu tun, dass in der Praxis nur ansatzweise umgesetzt wird. Ein wichtiger Grund hierfür ist der häufig anzutreffende Fokus auf dem Negativen: Spricht man bei Fortbildungen von Lehrer/innen das Thema "Elternkontakte" an, wird nahezu ausschließlich von "Problemfamilien" berichtet - z.B. von Eltern, die erziehungsunfähig sind, von Eltern, deren Kinder in der Schule versagen, oder von Eltern, deren Kinder verhaltensauffällig sind. Und viele Eltern klagen über "desinteressierte" und "schreckliche" Lehrer/innen oder haben Angst vor ihnen.

Deswegen ist es wichtig, dass sich Lehrer/innen und Eltern zunächst einmal von solchen Voreinstellungen und Vorurteilen distanzieren. Dann sollten sie zu der Haltung finden, dass in der Regel beide Seiten dem jeweiligen Kind gegenüber positiv eingestellt sind und im Grunde das Beste für es wollen. Auch sollten sie anerkennen, dass sie auf die eine oder andere Weise Ko-Konstrukteure der Entwicklung des ihnen anvertrauten Kindes sind. Wenn alle miteinander kooperieren, können sie die kindliche Entwicklung am besten beeinflussen.

Was macht nun eine gute Bildungs- und Erziehungspartnerschaft aus? Im Mittelpunkt der Beziehung sollte das jeweilige Kind, seine Entwicklung, Erziehung und Bildung stehen. Die Erziehungspartner achten, respektieren und vertrauen einander. Sie schätzen einander, sind gleichberechtigt und haben in etwa denselben Einfluss in der Beziehung. Die Erziehungspartner befinden sich im Dialog miteinander. Ihre Aussagen sind klar, eindeutig und gut verständlich. Verbale und nonverbale Botschaften stimmen überein. Die Partner können gut zuhören, sind sensibel, empathisch und verständnisvoll. Sie geben Feedback und bitten bei Unklarheiten um Klarifizierung. Konflikte werden ausdiskutiert und Kompromisse eingegangen. Die Partner ermutigen und unterstützen einander.

So schön der Begriff "Bildungs- und Erziehungspartnerschaft" auch klingen mag - es handelt sich selbst im Idealfall um eine eher lockere und schwache Beziehung. Lehrer/innen mit ihren großen Klassen und Eltern, die als Paar gesehen tendenziell immer mehr Stunden pro Woche erwerbstätig sind, haben nicht die Zeit für häufige und längerfristige Kontakte miteinander. Selbst wenn die Freistunden an Schulen von den zuständigen Ministerien bzw. Landtagen ausgeweitet werden sollten, wird es unmöglich sein, dass Lehrer/innen einmal in Monat oder alle zwei, drei Monate ein längeres Gespräch mit allen Eltern führen.

Elternkontakte und -gespräche

Eine partnerschaftliche Beziehung setzt voraus, dass die jeweiligen Personen einander gut kennen und viel miteinander kommunizieren. In Schulen sind solche Voraussetzungen für das Entstehen von Beziehungen zwischen Lehrer/innen und Eltern nicht gegeben. Zumeist werden nur ein Elternabend und eine kurze Elternsprechstunde pro Schul(halb)jahr angeboten, bei denen Schulisches bzw. die Leistungen des jeweiligen Kindes im Mittelpunkt stehen. Die bestehenden Freiräume und die eventuell irgendwann einmal gewährten zusätzlichen Freistunden sollten deshalb genutzt werden, um Veranstaltungen anzubieten, die ein eher informelles Kennenlernen von Lehrer/innen bzw. Eltern ermöglichen. Mit relativ wenig Aufwand könnten z.B. folgende Angebote gemacht werden:

  1. Zu Wandertagen, eintägigen Ausflügen und Exkursionen könnten auch die Eltern eingeladen werden. Beim Wandern, bei der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten oder Ausstellungen, beim Picknick oder beim Essen in einer Gaststätte würden sich viele Gelegenheiten für kurze Gespräche zwischen Lehrer/innen und Eltern ergeben.
  2. Die in vielen Bundesländern gegebenen Möglichkeiten zur Hospitation oder zur Mitwirkung von Eltern im Unterricht sollten von den Lehrer/innen auch genutzt werden. Auch die Projektarbeit bietet viele Möglichkeiten zur Einbindung von Eltern.
  3. Verschönerungsaktionen: Wenn Klassenzimmer heruntergekommen wirken und der Schulträger keine Mittel für die Renovierung durch Fachleute aufbringen kann, könnten Klassenlehrer/in und Eltern den Raum streichen. Andernorts könnte z.B. der Pausenhof schöner gestaltet oder ein Schulgarten angelegt bzw. gepflegt werden.
  4. Klassen- bzw. Fachlehrer/innen könnten mit den Schüler/innen ein Fest, ein Konzert, eine Ausstellung mit selbst gemalten Bildern, einen Liedernachmittag, einer Theateraufführung oder eine ähnliche Veranstaltung vorbereiten und dazu die Eltern einladen. Dabei sollte auch Zeit für informelle Gespräche - z.B. bei einem Stehkaffee - eingeplant werden.
  5. Grundschullehrer/innen könnten es Eltern erlauben, ihre Kinder beim Bringen oder Abholen bis zu deren Schulklasse zu begleiten. Wenn sie 15 Minuten früher zum Unterricht kommen bzw. eine Viertelstunde länger bleiben, würden sich wie an Kindertageseinrichtungen viele Tür- und Angel-Gespräche ergeben.

Auf diese Weise könnten Lehrer/innen die Eltern ihrer Schüler/innen besser kennen lernen und so den Grundstein für eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft legen - und das mit einem relativ geringen Aufwand. Die weitere Ausgestaltung derselben würde sich aber nicht ohne mindestens eine weitere Freistunde verwirklichen lassen. Das Kernstück der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft ist nämlich das individuelle Elterngespräch, das möglichst zweimal im Jahr stattfinden und mindestens eine halbe Stunde dauern sollte. Nur hier können sich Lehrer/innen und Eltern ausführlich über die Entwicklung, Erziehung und Bildung des jeweiligen Kindes austauschen. Eltern wollen wissen, wie sich ihr Kind in der Klasse verhält, ob es gut lernt, ob es Freund/innen hat, ob es glücklich ist und wie seine Gesamtentwicklung beurteilt wird. Lehrer/innen können nur davon profitieren, wenn sie beim Erstgespräch von den Eltern erfahren, wie sich das jeweilige Kind bisher entwickelt hat, über welche Stärken es verfügt und wo Schwächen auszugleichen sind. Und bei späteren Gesprächen wollen sie wissen, wie sich das Kind in seiner Familie und in seiner Peergroup entwickelt, wie es seine Freizeit verbringt und ob es irgendwelche Ereignisse in der Familie gab, die das Kind belasten (z.B. einen Todesfall oder die Trennung der Eltern).

Gute Elterngespräche gehen aber noch über den Austausch von Informationen über das Kind hinaus: Eltern möchten nämlich auch wissen, welche Erziehungs- und Bildungsziele die Lehrer/innen haben, nach welchen Vorgaben sie handeln (z.B. Lehrplan für die jeweilige Klassenstufe), wie der Unterricht gestaltet wird, nach welchen Kriterien die Kinder beurteilt werden u.v.a.m. Für Lehrer/innen ist es sinnvoll zu wissen, welche Erziehungsziele Eltern haben, wie sie diese umsetzen (Erziehungsstil), inwieweit sie eine für die Bildung des Kindes förderliche Atmosphäre in der Familie geschaffen haben und ob sie besondere Wünsche hinsichtlich der Erziehung ihres Kindes in der Schule haben, die z.B. auf religiösen oder kulturellen Traditionen beruhen.

Eine echte Erziehungs- und Bildungspartnerschaft entsteht aber erst dann, wenn bei Elterngesprächen auch darüber diskutiert wird, wie Lehrer/innen und Eltern gemeinsam die kindliche Entwicklung fördern können. Beispielsweise können beide Seiten vereinbaren, wie sie besondere Begabungen des jeweiligen Kindes entfalten wollen, auf welche Weise sie Schwächen kompensieren können oder wie sie das Kind bei der Entwicklung eines positiven Selbstbildes, von Selbstvertrauen oder interpersonalen Kompetenzen unterstützen möchten. Auch können Lehrer/innen mit den Eltern abklären, wie Hausaufgaben so betreut werden und Prüfungen so vorbereitet werden können, dass der größtmögliche Nutzen für das Kind entsteht.

Natürlich kann es in Elterngesprächen auch um Verhaltensauffälligkeiten, schlechte Schulleistungen oder die Gefahr des Sitzenbleibens gehen, können Lehrer/innen und Eltern gemeinsam nach den Ursachen suchen und besprechen, wie sie dem jeweiligen Kind helfen können. Die meisten Eltern haben jedoch den Eindruck, dass sie nur bei solchen Problemen in die Schule "einbestellt" werden - und so ist es dringend nötig, dass sich Lehrer/innen vom Fokus auf dem Negativen und Pathologischen lösen! Bei der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft geht es nämlich vor allem darum, Informationen über das Kind, über seine Erziehung in Familie und Schule sowie über seine Bildung auszutauschen und zu einer Zusammenarbeit zu finden, die alle Facetten der kindlichen Entwicklung berücksichtigt. Es geht also um das ganze Kind!

Gerade wenn es um den Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten, Erziehungsschwierigkeiten, Entwicklungsverzögerungen oder schlechten Schulleistungen geht, kann in der Regel nur zu einer guten Zusammenarbeit gefunden werden, wenn bereits eine Vertrauensbasis besteht - und wenn die Eltern das Gefühl haben, dass die Lehrer/innen das jeweilige Kind mögen und es im Großen und Ganzen positiv sehen. Deshalb sollte zunächst immer über die Stärken eines Kindes gesprochen werden, bevor auf seine Schwächen und Probleme eingegangen wird. Im Rahmen einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft haben auch Schuldzuweisungen keinen Platz. Vielmehr muss es immer darum gehen, wie man gemeinsam dem Kind helfen kann.

Da das Kind sich selbst erzieht und sich selbst bildet, also der wichtigste Ko-Konstrukteur seiner eigenen Entwicklung ist, sollten bzw. können ältere Schüler/innen auch in Elterngespräche einbezogen werden. Sie können Fragen der Erwachsenen beantworten (nach ihrem Befinden, ihrer sozialen Integration, ihren Interessen, ihren Lebenszielen usw.), an der Suche nach den Ursachen ihrer Verhaltensauffälligkeiten oder Lernschwierigkeiten beteiligt werden und in die Bewältigungsversuche eingebunden werden. Selbstverständlich nehmen Schüler/innen nur so lange an Elterngesprächen teil, wie dies für sinnvoll erachtet wird.

Weitere Formen der Kooperation mit Eltern

Die Hospitation ist die intensivste Form der Öffnung von der Schule zur Familie hin. Können Eltern mehrere Stunden oder gar einen ganzen Tag in der Klasse verbringen, erleben sie den Unterricht hautnah mit. Sie können beobachten, wie Lehrer/innen mit den Kindern umgehen, wie sie Lerninhalte vermitteln und wie sie das Verhalten der Kinder beeinflussen. So erfahren sie, wie Lehrpläne in die Praxis umgesetzt werden, wie Erziehungs- und Bildungsziele in entsprechende Aktivitäten münden und welcher Erziehungs- bzw. Unterrichtsstil praktiziert wird. Zudem erleben die Eltern bei der Hospitation, wie sich ihr eigenes Kind in der Klasse verhält, ob es aktiv mitarbeitet und wie es mit anderen Kindern interagiert. Durch den Vergleich mit Gleichaltrigen können sie sich einen besseren Eindruck von seinem Entwicklungsstand verschaffen. Außerdem erleben Eltern, wie anspruchsvoll die Arbeit der Lehrer/innen ist. Die Wertschätzung und Achtung für die Pädagog/innen werden größer.

Die Hospitation ist zugleich die intensivste Form der Elternbildung, über die Lehrer/innen verfügen: Sie werden zu Verhaltensmodellen, ihre pädagogische Arbeit wird zum Vorbild für die Eltern. Diese lernen am Beispiel der Lehrer/innen, wie man Kindern auf altersgemäße Weise Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, wie man eine Lernmotivation aufbaut und erhält, wie man mit Störungen, Aggressivität oder anderen Verhaltensauffälligkeiten umgeht, wie man Konflikte löst usw. Dieses Lernen am Modell gilt als eine der effektivsten Form des Lernens.

Für die meisten Lehrer/innen ist der Gedanke an hospitierende Eltern noch sehr ungewohnt, und so wird ein solches Angebot nur extrem selten gemacht - selbst wenn diese Form der Elternarbeit explizit in Verordnungen, Grundsatzerlassen oder Empfehlungen des jeweiligen Kultusministeriums genannt ist. Zu groß ist die Angst davor, von den Eltern beobachtet, kontrolliert oder gar kritisiert zu werden.

Damit werden allerdings auch die Chancen vertan, die in der Mitarbeit von Eltern im Unterricht liegen. Dabei geht es selbstverständlich nicht um eine kontinuierliche Mitwirkung von Eltern oder gar darum, Personal(stunden) zu ersetzen. Die weitaus meisten Eltern sind heute erwerbstätig, und selbst Hausfrauen und arbeitslose Eltern sind in der Regel nicht bereit, regelmäßig in der Schule mitzuwirken. Gemeint ist in erster Linie der sporadische Einsatz von Eltern entsprechend aktueller Bildungsziele der Lehrer/innen. Einige Beispiele:

  • Im Rahmen des Musikunterrichts stellen Eltern die von ihnen beherrschten Musikinstrumente vor.
  • Ein Vater, der Förster oder Biologe ist, begleitet die Grundschulklasse bei einem Ausflug in den Wald.
  • Ein Elternteil mit einer medizinischen Ausbildung wird in eine Unterrichtsstunde mit einem Thema aus dem Bereich der Gesundheitsbildung eingebunden.
  • Eine Mutter, die in einem Trachtenverein aktiv ist, bereichert den Unterricht mit ihren volkskundlichen Kenntnissen.
  • Im Rahmen der Berufsvorbereitung an einer Hauptschule stellen Eltern ihre Berufe und den jeweiligen Ausbildungsgang vor.
  • Ein Naturwissenschaftler berichtet in einem Leistungskurs am Gymnasium von seiner Forschungsarbeit.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Mitarbeit von Eltern zu neuen Bildungserfahrungen auf Seiten der Schüler/innen führen. Der Unterricht wird abwechslungsreicher und lebensnäher. Zudem entwickeln insbesondere jüngere Kinder neue soziale und kommunikative Kompetenzen im Umgang mit den zumeist unbekannten Erwachsenen.

Offensichtlich ist, dass Elternmitarbeit auch außerhalb der Schule sinnvoll sein kann - wenn also Eltern an ihrem Arbeitsplatz besucht werden oder wenn sie der Klasse neue Erfahrungen ermöglichen. Sind Eltern z.B. im Stadtrat tätig, können sie einen Besuch im Rathaus mit Teilnahme an einer Stadtratssitzung in die Wege leiten. Kennen sie beispielsweise leitende Mitarbeiter/innen eines Theaters, eines Museums, eines Verlages oder einer anderen Institution, können sie eine Besichtigung mit kompetenter Führung organisieren. Ja, Eltern können sogar in die Vorbereitung und Durchführung eines Projekts eingebunden werden, wenn sie besondere Kenntnisse und Fertigkeiten hinsichtlich des jeweiligen Projektthemas aufweisen.

Arbeiten Eltern in der Schule mit, erweitert sich die Erziehungs- zur Bildungspartnerschaft: Die Eltern nehmen direkt Einfluss auf die Bildung der Kinder in der Klasse. Lehrer/innen können hingegen nur indirekt Bildungsprozesse in Familien beeinflussen. Zum einen können sie - wie bereits erwähnt - in längeren Elterngesprächen Hinweise geben, wie Eltern bestmöglich das kindliche Lernen unterstützen, Kompetenzen fördern, Hausaufgaben betreuen und bei der Prüfungsvorbereitung helfen können. Zum anderen können sie Bildungsprozesse in die Familien hineintragen. So können z.B. Schüler/innen mit dem Auftrag nach Hause geschickt werden, ihre Eltern zu einem bestimmten Thema zu interviewen. Manchmal lassen sich auch Hausaufgaben so formulieren, dass die Kinder sie nur in der Interaktion mit ihren Eltern erledigen können.

Elternbildende, beratende und kompensatorische Angebote

Im Rahmen einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft - bei der es sich ja nur um eine recht lockere Beziehung handelt - können Informationsdefizite von Eltern, Beratungsbedarfe oder die Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen bzw. "bildungsarmen" Familien nicht ausgeglichen werden. In diesen Fällen können Lehrer/innen die betroffenen Eltern und Kinder an psychosoziale Dienste weitervermitteln, wo ihnen dann geholfen wird (z.B. Schulpsychologischer Dienst, Erziehungsberatungsstelle, Jugendamt, Allgemeiner Sozialer Dienst).

Schulen können aber auch diese Familien unterstützen, indem sie elternbildende, beratende und kompensatorische Angebote in die eigene Institution hinein holen. Hier ist beispielsweise an Folgendes zu denken:

  1. Familienbildung: In Einzelveranstaltungen, Kursen, Workshops oder Gesprächskreisen werden für Eltern relevante Themen behandelt - von der kindlichen Entwicklung über Erziehungsfragen, den Umgang mit Medien, die Förderung kognitiver, sprachlicher, lernmethodischer und sonstiger Kompetenzen und die Stärkung der Lernmotivation bis hin zu den schulischen Anforderungen (Lehrplan) und der richtigen Hausaufgabenbetreuung.
  2. Elternberatung: Im Rahmen von Einzel- und Gruppenangeboten können Erziehungsschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten, psychische Störungen, Komasaufen, Drogenmissbrauch, familiale Belastungen, die Auswirkungen von Trennung und Scheidung, der Umgang mit Behinderungen oder andere Probleme von Eltern und Kindern thematisiert werden. Neben professionell geleiteten Gruppen könnten auch Selbsthilfegruppen eingerichtet werden.
  3. Kompensatorische Angebote: Neben Sprachkursen für Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen bzw. Sprachverzögerung ist hier z.B. an Hausaufgabenbetreuung und kostenlose Nachhilfe an Schulen, Vorlesenachmittage, Kurse für Kinder mit besonderen Begabungen (z.B. im musisch-kreativen oder technischen Bereich) und Selbstbehauptungstrainings zu denken.

Solche Angebote können natürlich nur vereinzelt von Lehrer/innen im Rahmen ihrer Dienstzeit durchgeführt werden - falls diese überhaupt über die benötigten erwachsenenbildnerischen, beraterischen oder heilpädagogischen Kompetenzen verfügen. Auch die Möglichkeiten von Beratungslehrer/innen und Schulsozialarbeiter/innen sind begrenzt. So geht es vielmehr um die Organisation und Finanzierung von Angeboten durch Dritte. Lehrer/innen, insbesondere Rektor/innen und Direktor/innen, können Kontakt zu Familienbildungsstätten, zu Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen, zu Jugendämtern und Wohlfahrtsverbänden aufnehmen und mit den dort Verantwortlichen abklären, inwieweit Mitarbeiter/innen die vorgenannten Angebote übernehmen können. Oft ist dies sogar im Rahmen von deren Dienstzeit möglich, sodass den Schulen keine Kosten entstehen. In anderen Fällen können Familienbildungsstätten und Volkshochschulen Referent/innen, Kursleiter/innen und Elterntrainer/innen vermitteln und die Veranstaltungen nach dem Erwachsenenbildungsgesetz des jeweiligen Bundeslandes (mit)finanzieren. In den übrigen Fällen müssen die Kosten von der Schule übernommen werden. Einige Bundesländer stellen hierfür Mittel zur Verfügung.

Anmerkung

Eine umfassendere Darstellung der Thematik finden Sie in meinem Buch "Elternarbeit in der Schule" (Books on Demand, 3. Aufl. 2021), das im Buchhandel und z.B. bei Amazon erhältlich ist.