Familienbildung: Ziele, Formen, Anbieter, Herausforderungen

Martin R. Textor

 

Das Zusammenleben mit einem Partner und die Familienerziehung gehören zu den wenigen Lebensbereichen, für die eine Vorbereitung oder gar Qualifikation weder als notwendig noch als erforderlich angesehen wird. Jedoch erschweren die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen zunehmend das Zusammenleben von Paaren, scheitern viele Ehen und nichteheliche Lebensgemeinschaften. Viele Partner bringen aus ihren Herkunftsfamilien nicht mehr die für eine erfolgreiche Ehe notwendigen Kommunikations- und Konfliktlösungsfertigkeiten, Persönlichkeitscharakteristika und Rollenkompetenzen mit - dafür aber problemerzeugende unbewusste Motivationen, unrealistische Einstellungen, zu hohe Erwartungen und Befürchtungen, die z.B. aus dem Erleben des Scheiterns der Ehe der eigenen Eltern (oder naher Verwandter und Freunde) resultieren. Oft besitzen Partner auch ungenutzte, verdeckte Stärken, die ein reicheres und erfüllteres Zusammenleben ermöglichen würden.

In den letzten Jahrzehnten sind die Erwartungen an die Familienerziehung stark gestiegen: Zum einen nehmen die Anforderungen seitens des Bildungssystems, der Arbeitswelt und der Gesellschaft immer mehr zu, die den Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden Leistungen und Kompetenzen abverlangen, die zum Teil in der Familie oder nur mit deren Unterstützung erworben werden können. Dazu gehören u.a. Lern- und Leistungsmotivation, Anspruchsniveau, soziale und Kooperationsfähigkeiten, Sprachfertigkeiten, Selbstkontrolle und Anpassungsbereitschaft. (Schul-) Wissen und formale Qualifikationen (Zeugnisse) verlieren demgegenüber an Bedeutung, da Kenntnisse aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts immer schneller veralten. Zum anderen stellen die Eltern selbst höhere Erwartungen an die Erziehung, da die Kinder eine größere Rolle in ihrem emotionalen Leben als früher spielen. Sie sind bereit, sehr viel Zeit und Energie in ihre Kinder zu investieren und die hohen finanziellen Kosten zu tragen, die durch die verlängerten Schul- und Ausbildungszeiten mitbedingt werden. Sie möchten ihre Kinder zu eigenständigen, lebensfrohen und leistungsfähigen Persönlichkeiten erziehen.

Jedoch fällt es Eltern immer schwerer, in der Familienerziehung die eigenen sowie die von Schule und Gesellschaft an sie herangetragenen Erwartungen zu erfüllen. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass sie als Jugendliche, Heranwachsende bzw. junge Erwachsene immer seltener Erfahrungen mit (Klein-) Kindern sammeln konnten. Aufgrund des Vorherrschens der Kleinfamilie hatten die meisten daheim keine sehr viel kleineren Geschwister, die sie betreuen und beaufsichtigen mussten. Aber auch im weiteren Verwandten- und Freundeskreis gab es oft keine Gelegenheit, sich länger mit Kindern zu beschäftigen und den Umgang mit ihnen zu erlernen. Zu der mangelnden Erfahrung und dem aus zu hohen Erwartungen häufig resultierenden Gefühl der Überforderung kommt die Verunsicherung durch die Vielzahl widersprüchlicher Erziehungsziele und -theorien, die durch Medien, Freunde, Verwandte und Fachleute wie Erzieher/innen oder Psycholog/innen an Eltern herangetragen werden. Außerdem fällt die früher vorhandene erzieherische Umwelt weitgehend aus: Beeinflussung der Kinder und Verhaltenskontrolle durch Nachbarn, Lehrer/innen und andere Personen, zumeist entsprechend allgemein akzeptierter Normen und damit im Sinne der Eltern. Heutige "Miterzieher" wie Medien und Gleichaltrigengruppen wirken eher als Konkurrenten der Eltern, vermitteln andere Leitbilder, Verhaltensmodelle und Werte. Auch verbringen Kinder immer mehr Zeit in Institutionen wie Krippen, Kindergärten, Horte, Schulen, Sportvereinen, Musikschulen usw., von denen ebenfalls starke und oftmals im Widerspruch zur Familienerziehung stehende Sozialisationswirkungen ausgehen.

Die Erziehung ist also zu einem "schwierigen Geschäft" geworden, an dem viele Eltern scheitern. Sie haben problematische Erziehungsstile entwickelt, verwenden keine wirksamen Erziehungspraktiken und wissen nicht, wie sie eine entwicklungsfördernde Umwelt für ihre Kinder gestalten oder deren emotionalen und psychischen Bedürfnisse befriedigen können. Anstatt problematische Verhaltensweisen ihrer Kinder effektiv anzugehen, reagieren sie mit Vermeidung, Resignation, Rückzug oder negativen Emotionen. So kommt es oft zur Herausbildung von Verhaltensauffälligkeiten, Erziehungsschwierigkeiten und mangelnder Leistungsbereitschaft.

Familienerziehung gelingt besonders häufig dann nicht, wenn zusätzlich starke bzw. lang andauernde Belastungen dazu kommen. Hierzu können z.B. mangelnde Zeit für Kinder aufgrund der (Voll-) Erwerbstätigkeit und des Selbstverwirklichungsstrebens beider Eltern gehören, aber auch Ehekonflikte, Trennung und Scheidung, Alleinerzieherschaft, Arbeitslosigkeit, Armut, Suchtmittelmissbrauch, psychische Erkrankung, Pflegebedürftigkeit, Integrationsprobleme aufgrund ausländischer Herkunft oder das Vorhandensein von Stiefkindern, von Pflegekindern oder von behinderten Kindern bzw. Erwachsenen. Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass insbesondere in Verbindung mit solchen Belastungen die Erziehung in vielen Familien misslingt und ein beachtlicher Prozentsatz der Kinder verhaltensauffällig wird. Die Erziehungsfähigkeit von Eltern hängt also zu einem großen Teil von der Gesamtsituation der Familie ab. Eine besondere Rolle spielt hier die Qualität der Ehebeziehung; die Ehepartner sind die "Architekten der Familie" (Virginia Satir).

Schon vor Jahrzehnten - obwohl früher die gerade skizzierten Probleme bei weitem noch nicht so brisant wie heute waren - führten vergleichbare Situationsanalysen zur Forderung nach Maßnahmen zur Ehevorbereitung, Ehe- und Familienbildung. Es wurde immer deutlicher, wie anspruchsvoll die Rollen des (Ehe-) Partners oder Elternteils sind, dass die Gestaltung der Paarbeziehung und die Familienerziehung nicht dem Lernen durch Versuch und Irrtum überlassen bleiben dürfen. In den letzten Jahrzehnten entstand deshalb eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen mit dem Ziel, jungen Paaren und Eltern relevante Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, um Partnerschafts-, Familien- und Erziehungsproblemen vorzubeugen. Diese Angebote, die sich entweder mehr der Sozialpädagogik, der Erwachsenenbildung oder der Psychologie zurechnen lassen, wurden erstmals im SGB VIII rechtlich geregelt. Damit wurde der präventive Anspruch der Kinder- und Jugendhilfe deutlich unterstrichen.

1. Rechtliche Grundlage

Zentrale Rechtsgrundlage für Familienbildung ist § 16 SGB VIII mit folgendem Wortlaut:

§ 16 Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie

(1) Müttern, Vätern, anderen Erziehungsberechtigten und jungen Menschen sollen Leistungen der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie angeboten werden. Sie sollen dazu beitragen, dass Mütter, Väter und andere Erziehungsberechtigte ihre Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen können. Sie sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können.

(2) Leistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie sind insbesondere

1. Angebote der Familienbildung, die auf Bedürfnisse und Interessen sowie auf Erfahrungen von Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen eingehen, die Familie zur Mitarbeit in Erziehungseinrichtungen und in Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe besser befähigen sowie junge Menschen auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern vorbereiten,

2. ...

(4) Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben regelt das Landesrecht.

Für die Familienbildung sind außerdem die Erwachsenenbildungsgesetze der Bundesländer relevant - hier wird die große Bedeutung von Volkshochschulen, Bildungswerken und anderen Erwachsenenbildungseinrichtungen als Anbieter entsprechender Veranstaltungen deutlich. Angebote der Ehe- und Familienbildung werden an keinerlei Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft und richten sich prinzipiell an alle Familien, an Erwachsene und junge Menschen - und zwar unabhängig von der Familienform, der Schichtzugehörigkeit, dem Vorhandensein einer Problemlage usw.

Ziele und Formen der Familienbildung

Als allgemeines Ziel der Familienbildung kann die Unterstützung von Familien durch überwiegend bildende Angebote bezeichnet werden, die ein erfolgreiches Durchlaufen des Familienzyklus mit stressarmer Bewältigung der Übergänge ermöglichen sollen. Die Familien sollen zur aktiven Gestaltung neuartiger Situationen motiviert sowie zur Nutzung von Chancen für die gemeinsame positive Weiterentwicklung und ein partnerschaftliches Miteinander angehalten werden. Außerdem will Familienbildung Orientierung in einer komplexen und sich rasch wandelnden Gesellschaft bieten sowie bei der Bewältigung von aus der Pluralisierung der Familienformen und aus der Individualisierung von Lebensläufen resultierenden Herausforderungen helfen. Da die Vielfalt heutiger Familienrealitäten und individueller Biografien nicht mehr fassbar ist, muss jede Familie bzw. jedes Familienmitglied ihren bzw. seinen eigenen Weg, eigene Lebensziele und Wertorientierungen finden. Bei diesen schwierigen Aufgaben, für deren Lösung es keine "Rezepte" gibt, können Reflexionshilfen, Begleitung und Beratung im Rahmen der Familienbildung genutzt werden.

Wie im gesamten Bildungsbereich gilt auch in der Familienbildung das Prinzip des lebenslangen Lernens. Sie muss sich am Alltag, an den Erwartungen und Bedürfnissen, den Fragen und Problemen der Teilnehmer/innen ausrichten. Kommen individuelle oder familiale Schwierigkeiten und Belastungen zum Ausdruck, werden einerseits die Fachkräfte beraterisch tätig, während sich andererseits die Teilnehmer/innen wechselseitig beraten. So bereichern sich Fachwissen und Lebenswissen gegenseitig. Das bedeutet auch, dass heute Vorträge nur noch im Ausnahmefall als eine angemessene Form der Familienbildung angesehen werden: Wichtiger ist der Gesprächsaustausch bzw. Dialog, in dem Fachkraft und Teilnehmer/innen ihre Kenntnisse, Ideen, Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse einbringen können. Das Gesprächsergebnis ist dann das gemeinsame Produkt beider Seiten. Lebenshilfe und Beratung im Rahmen der Familienbildung haben aber eher einen allgemeinen prophylaktischen Charakter; individuellen Problemen und Familienbelastungen können in der Regel nur wenige Minuten gewidmet werden. Bei größeren Schwierigkeiten sollten die Teilnehmer/innen motiviert werden, professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen. Hierdurch gewinnt Familienbildung eine hilfevermittelnde Funktion, ergibt sich ihre große Bedeutung als Teil des Netzwerkes von Jugendhilfeeinrichtungen und psychosozialen Diensten.

Werden in der Familienbildung z.B. der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel, die von außen kommenden Familienbelastungen (z.B. die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf) und die mangelnde Unterstützung von Familien durch den Staat diskutiert, wird deren politischer Aspekt deutlich. Familienbildung kann den Zusammenschluss von Familien (z.B. im Rahmen von lokalen Initiativen) und deren (kommunal-) politische Aktivität fördern. Auch die Stimulierung der Gründung von Familienselbsthilfegruppen hat politische Implikationen (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Schließlich hat Familienbildung eine soziale Funktion, indem sie Familienmitgliedern Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten bietet.

Generell lassen sich verschiedene Arten von Familienbildung unterscheiden:

  1. Ehevorbereitung: Jugendliche und Heranwachsende, junge Erwachsene mit (festem) Partner sowie Paare mit konkreter Heiratsabsicht sollen auf Partnerschaft und Ehe vorbereitet werden. Sie werden bei der Entwicklung tragfähiger Lebenskonzepte, von Kommunikations-, Problem- und Konfliktlösungskompetenzen unterstützt.
  2. Ehebildung: Ehebildung umfasst die Begleitung von (Ehe-) Partnern durch die verschiedenen Phasen ihres Zusammenlebens. Es werden z.B. unterschiedliche Leitbilder von Ehe und Familie diskutiert, "männliche" und "weibliche" Rollen hinterfragt, über die Bedeutung der Sexualität gesprochen, wechselseitige Erwartungen abgeklärt und Kompetenzen für einen partnerschaftlichen Umgang miteinander vermittelt.
  3. Elternbildung: Durch sie soll die Familie als Erziehungsinstanz gestärkt werden, indem Eltern geholfen wird, für ihre Kinder ein entwicklungsförderndes Sozialisationsfeld zu schaffen. Beispielsweise wird die in der eigenen Kindheit erfahrene Erziehung der Erwachsenen reflektiert, wird die kritische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Erziehungskonzepten gefördert, werden pädagogische und entwicklungspsychologische Kenntnisse vermittelt, Erziehungsziele und -praktiken zwischen den Partnern abgestimmt und neue Wege zur Lösung von Konflikten mit Kindern vorgeschlagen.
  4. Familienbildung i.e.S.: Familienbildung im engeren Sinne richtet sich auf die Familie als ein Ganzes, als ein System. Durch gemeinsame Angebote für Eltern und Kinder sollen die Kooperation und der Zusammenhalt zwischen den Familienmitgliedern gestärkt, neue Gesprächsinhalte eingeführt sowie Konflikte zwischen den Generationen angesprochen und gelöst werden.

Ferner lassen sich verschiedene Formen der Familienbildung unterscheiden:

  1. institutionelle Familienbildung: Sie erfolgt überwiegend in Familienbildungsstätten und Einrichtungen der allgemeinen Erwachsenenbildung, in Kindertagesstätten, Jugendämtern und kirchlichen Einrichtungen. Die Angebote werden zumeist explizit der Ehe- und Familienbildung zugeordnet und finden vor allem in der Form von Vorträgen, Kursen/ Seminaren und Gesprächskreisen statt.
  2. informelle Familienbildung: Damit ist der Erfahrungsaustausch von Eltern ohne professionelle Anleitung gemeint, z.B. im Rahmen der Familienselbsthilfe.
  3. mediale Familienbildung: Websites, Zeitschriften, Bücher, Fernsehen, Rundfunk usw. vermitteln viele Informationen, die explizit der Ehe- und Familienbildung dienen.

Außerdem kann zwischen verschiedenen Ansatzpunkten der Familienbildung differenziert werden:

  1. Familienzyklus: Familien durchlaufen einzelne Phasen (z.B. erste Ehejahre, Familie mit Kleinkindern, Familie mit Schulkindern, Familie mit Jugendlichen im Prozess der Ablösung, "empty nest" usw.), die durch Veränderungen in der Rollenstruktur und die besonderen Anforderungen durch unterschiedlich alte Kinder geprägt werden. Sie werden durch Übergangsphasen voneinander getrennt (z.B. Geburt des ersten Kindes, Aufnahme in eine Kindertageseinrichtung, Einschulung usw.), in denen große Umstellungen mit den entsprechenden Verhaltensunsicherheiten, Krisen und Konflikten anstehen. Die jeweiligen Angebote der Ehe- und Familienbildung dienen der Vorbereitung auf solche Transitionen, indem die dann anstehenden Aufgaben deutlich gemacht und die zu ihrer Bewältigung benötigten Kompetenzen vermittelt werden. Dies kann zu einer großen Entlastung führen, da sonst die auftretenden Probleme von den Erwachsenen sehr leicht als persönliche Defizite erlebt werden.
  2. Familienfunktionen: Diese Angebote der Ehe- und Familienbildung sollen den Teilnehmer/innen beim Erfüllen von Familienfunktionen wie z.B. Haushaltsführung (Hausarbeit, Ernährung, Wohnen, Arbeitsteilung, Geldverwendung usw.), Reproduktion (Geburtsvorbereitung, Säuglingspflege etc.), Erziehung (Ziele und Methoden der Familienerziehung, frühkindliche Bildung, Hausaufgabenbetreuung usw.), Beziehungsarbeit (Förderung der Kommunikation, Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse, Konfliktlösungsfähigkeiten etc.) und Freizeitgestaltung (Aktivitäten in der Familie bzw. mit Kindern, Umgang mit Medien usw.) helfen.
  3. besondere Lebenssituationen: Diese Angebote der Ehe- und Familienbildung sollen z.B. Alleinerziehenden, Stiefeltern oder Mitgliedern von Familien, in denen drei oder vier Generationen zusammenleben, helfen, die spezifischen Herausforderungen der jeweiligen Familienform zu bewältigen.
  4. besondere Familienbelastungen: Viele Angebote sollen Familien unterstützen beim Umgang mit nicht-normativen Krisen und Belastungen wie z.B. Arbeitslosigkeit, schwere Erkrankung, Versorgung einer pflegebedürftigen Person, Geburt eines behinderten Kindes, Migration, Armut oder Überschuldung.

Außerdem kann noch unterschieden werden, ob das jeweilige Angebot der Ehe- und Familienbildung überwiegend auf Einstellungen, Haltungen und Werte, auf Kognitionen und Bewusstseinsänderung oder auf das Verhalten der Teilnehmer/innen abzielt.

Anbieter von Familienbildung

Familienbildungsstätten

Ein wichtiger Träger der Familienbildung sind die Familienbildungsstätten. Diese Einrichtungen befinden sich überwiegend in größeren Städten; der ländliche Raum wird hingegen vernachlässigt. Ihre Angebote decken in der Regel alle zentralen Themenbereiche der Familienbildung ab und richten sich an alle Bürger. Im Idealfall beruhen sie auf einer Analyse der Lebenssituation von im Einzugsbereich der Einrichtung lebenden Personen bzw. besonderer Zielgruppen, verbunden mit der Erfassung ihrer Bedürfnisse und Probleme. Hierzu werden vereinzelt Gespräche mit Familien und Fachleuten (z.B. Mitarbeiter/innen von Jugendämtern, Beratungsstellen, Kindertageseinrichtungen oder des Allgemeinen Sozialdienstes) geführt. Aus dieser Analyse familialer Lebenslagen heraus wird bestimmt, was an kognitivem, sozialem und emotionalem Lernen und an Verhaltensänderungen nötig ist. Dann werden entsprechende Angebote gemacht.

In der Regel kommt das Veranstaltungsprogramm der Familienbildungsstätten weniger geplant zustande: Nachdem es zum weitaus größten Teil von Honorarkräften getragen wird, spielen deren Vorschläge eine große Rolle. Da die Teilnahme an den Veranstaltungen freiwillig ist, zeigt sich in der Praxis schnell, welche Angebote dem Bedarf entsprechen. Nur im Ausnahmefall kann der Bedarf für ein bestimmtes Angebot erst seitens der Familienbildungsstätte durch besondere Maßnahmen geweckt werden. In der Regel werden diejenigen Veranstaltungen am besten angenommen, die am ehesten der alltäglichen Realität der Teilnehmer/innen entsprechen und ihnen viel Raum zur Mitbestimmung der Gesprächsinhalte bzw. zum Einbringen eigener Gedanken, Fragen und Probleme lassen. Da bei den meisten Themen alle Anwesenden ihre Erfahrungen, Meinungen und Kenntnisse vortragen können, erleben sie sich gleichzeitig als "Experten" und als Lernende.

Im Zentrum des Veranstaltungsprogramms von Familienbildungsstätten stehen zumeist Angebote für werdende und junge Eltern, also zur Geburtsvorbereitung, über Säuglingspflege und -ernährung sowie über Kleinkinderziehung. Auch Rückbildungsgymnastik, Stillgruppen, Babytreffs, Miniclubs und Eltern-Kind-Gruppen werden gut angenommen. Bei den letztgenannten Angeboten kommen in der Regel rund 10 Mütter (vereinzelt auch Väter) mit ihren Kleinkindern einmal pro Woche für circa zwei Stunden zusammen, um sich unter Anleitung über die Entwicklung ihrer Kinder und die eigene Lebenssituation auszutauschen, gemeinsam zu spielen, Kontakte zu pflegen und ihren (Einzel-) Kindern Begegnungsmöglichkeiten mit Gleichaltrigen zu bieten. Häufig werden zusätzlich themenspezifische Elternabende durchgeführt. Für Eltern mit Kindern im Kindergarten- und insbesondere (Grund-) Schulalter gibt es hingegen solche Angebote nicht mehr. Nur vereinzelt werden noch Familienseminare durchgeführt, an denen Eltern mit älteren Kindern bzw. Jugendlichen teilnehmen können. Die einzelnen Einheiten werden von Eltern und Kindern gemeinsam oder getrennt absolviert. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen Familienerfahrungen. Jedoch ist insbesondere bei Jugendlichen die Bereitschaft, an solchen Familienseminaren teilzunehmen, sehr gering. Deren Attraktivität könnte jedoch durch die Koppelung mit Freizeit- und erlebnispädagogischen Angeboten gesteigert werden.

Für Eltern (älterer Kinder) gibt es an Familienbildungsstätten noch ein großes Angebot an Einzelveranstaltungen, Kursen und Gesprächsforen zu Erziehungsfragen. Hier - wie auch bei anderen Veranstaltungen - ist die Teilnahme von (beiden) Eltern oder von Alleinerziehenden oft nur zu erreichen, wenn parallel eine Kinderbetreuung angeboten wird. Ferner müssen zunehmend die beschränkten zeitlichen Möglichkeiten erwerbstätiger Mütter berücksichtigt werden (z.B. durch mehr Abend- und Wochenendveranstaltungen).

Im Vergleich zu Angeboten der Elternbildung werden solche der Ehevorbereitung bzw. -bildung in sehr viel geringerem Maße angenommen. Insbesondere bei konkreten Partnerschaftsproblemen fällt der Schritt oft schwer, eine Familienbildungsstätte aufzusuchen. Gerade Gruppenangebote machen Angst davor, dass sich die Partner offenbaren müssen oder bloßgestellt werden könnten. Vor allem hier, aber auch generell im Bereich der Familienbildung zeigt sich, dass Männer nur schwer zu erreichen sind - noch immer werden Beziehungspflege und Kindererziehung der Domäne der Frauen zugerechnet.

Vereinzelt gibt es an Familienbildungsstätten jedoch schon Männer- bzw. Vätergruppen. Die Teilnehmer wollen ihre Familien- und Berufsrollen reflektieren, andere Seiten des Mann-Seins suchen, neue Zugänge zu sich selbst und zur Familie finden, über ihre Beziehung zu Frau und Kindern nachdenken. Genauso selten sind Vater-Kind-Gruppen oder Männergruppen, die sich mit handwerklichen Tätigkeiten, Basteln von Spielzeug, Kochen, Entspannungsübungen u.Ä. befassen. Auch bei diesen Männergruppen ist das Gespräch über sich selbst bzw. die Geschlechts- und Vaterrolle von großer Bedeutung. Offensichtlich ist, dass aufgrund der Vollerwerbstätigkeit der meisten Männer derartige Angebote nur am Abend oder am Wochenende erfolgen können.

Frauenspezifische Themen in der Familienbildung werden hingegen gut angenommen. Bei diesen Veranstaltungen geht es z.B. um die Frauenrolle, um Selbsterfahrung oder Selbstsicherheitstraining. Auch die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird häufig thematisiert. Es geht hier vor allem um die Vergrößerung von Handlungsspielräumen, mehr Rollenflexibilität und mehr Selbstbestimmung. "Klassische" und noch immer gut besuchte Angebote von Familienbildungsstätten dienen der Vermittlung der zur Führung eines Haushalts notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten. Dazu gehören z.B. Back- und Kochkurse, Nähen, Häkeln, Sticken, Basteln, Werken und Krankenpflege, aber auch Veranstaltungen über gesunde Ernährung oder Umweltschutz. Gut angenommen werden ferner Kurse, die der Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Entspannung oder der Förderung psychischen Ausgeglichenseins dienen (Gymnastik, Sport, Tanz, Yoga, autogenes Training usw.).

In den letzten Jahren ist bei Familienbildungsstätten eine zunehmende Zielgruppenorientierung festzustellen. Die wenn auch noch eher seltenen Angebote leisten einen Beitrag zur Unterstützung von Familien, die sich besonderen, das Zusammenleben und den Einzelnen tief berührenden Problemen und Herausforderungen gegenüber sehen. Dabei werden oftmals die Grenzen zur Sozialarbeit und professionellen Beratung hin überschritten. Am häufigsten sind hier Angebote für Alleinerziehende. Bei diesen Veranstaltungen geht es z.B. um die Auseinandersetzung mit den eigenen Anteilen an der Auflösung der (Ehe-) Beziehung und mit den Auswirkungen auf die Kinder. Die Alleinerziehenden erfahren in der Trennungssituation Unterstützung beim Umgang mit psychischen Problemen und praktischen Schwierigkeiten. Treten in dieser Phase oder nach der Scheidung Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsstörungen bei ihren Kindern auf, werden diese in der Gruppe besprochen. Gemeinsam wird dann nach geeigneten Erziehungsmaßnahmen gesucht. Weitere Themen in Alleinerziehendengruppen sind die Beziehung zum früheren Partner, Sorge- und Umgangsrechtsregelungen und neue Partnerschaften. Wurden die Kinder nichtehelich geboren oder ist der Ehegatte verstorben, stehen natürlich zum Teil andere Themen im Vordergrund. Vereinzelt gibt es ferner Angebote für nichtsorgeberechtigte Elternteile oder Zweitfamilien.

Manche Familienbildungsstätten bieten Veranstaltungen speziell für Familien mit Migrationshintergrund an. Oft dienen sie dem Erlernen der deutschen Sprache, da dies eine entscheidende Voraussetzung für das Leben in unserer Gesellschaft ist. Zweckmäßigerweise wird der Sprachunterricht auf alltägliche Situationen wie Einkauf, Arztbesuch oder Gespräch mit dem Lehrer der eigenen Kinder bezogen. Auch werden Kenntnisse über die deutsche Kultur, das Bildungswesen, das politische System usw. vermittelt. Insbesondere wenn längere Pausen bzw. Kaffeerunden eingeplant werden, kommt es zum Austausch über die persönliche und familiäre Situation. Werden Probleme angesprochen, können häufig Kursleiter/ -in und andere Teilnehmer/innen weiterhelfen (Rechtsfragen, Umgang mit Behörden, Ausfüllen von Formularen, Hinweis auf Ausländerberatungsstellen usw.). Bei Seminaren oder Wochenendveranstaltungen für Eltern mit Migrationshintergrund, die eine bestimmte Thematik wie "Kindererziehung" oder "Leben in einem fremden Land" haben, ist oftmals die Gewinnung und Qualifizierung von Honorarkräften aus dem Herkunftsland der Teilnehmer/innen sinnvoll. Generell müssen kulturelle Eigenarten respektiert werden (z.B. nur weibliche Kursleiter und Teilnehmer bei einer Veranstaltung für Muslimas).

Vereinzelt bieten Familienbildungsstätten Seminare für chronisch Kranke (auch Suchtkranke) und/oder deren Familien an. Diese dienen der Information und Aufklärung über die jeweilige Erkrankung, der Unterstützung beim Verarbeiten des Krankheitserlebens und anderer Probleme (z.B. existenzielle Ängste, Aufgabe der Erwerbstätigkeit, Isolation, Depressivität, Angst vor Verlust des Partners), der Besprechung der Situation pflegender Angehöriger, der Suche nach Entlastungsmöglichkeiten und der Klärung der Folgen dieser Situation für das gesamte Familiensystem. Der Kontakt zu anderen Betroffenen ermöglicht den Austausch von Erfahrungen und Ratschlägen, führt aus der Abkapselung und Einsamkeit heraus. Die Familie wird stabilisiert, die Alltagsbewältigung erleichtert. Angebotsformen für diese Zielgruppe sind Kurse für Erkrankte, Paarseminare, Angehörigenkurse und Familienwochenenden.

Nur wenigen Familienbildungsstätten gelingt es, sozial schwache Familien zu erreichen. Die von ihnen durchgeführten Veranstaltungen dienen dem Austausch über Langzeitarbeitslosigkeit bzw. Armut und die damit verbundenen Gefühle (Minderwertigkeit, Langeweile, Angst usw.), die persönliche und familiale Situation sowie die Erfahrungen mit Behörden. Fragen wie rechtliche Ansprüche, Abbau von Schulden und Gestaltung der freien Zeit werden diskutiert. Werden andere Familienmitglieder in (ergänzende) Abend- oder Wochenendveranstaltungen einbezogen, können ihr Erleben der Situation (z.B. materielle Einschränkung, negative Reaktionen von Klassenkameraden oder Nachbarn), ihre Beziehungen und ihre Belastungen thematisiert werden.

Auch Angebote für Pflege- und Adoptivfamilien sind noch sehr selten. Vorherrschende Themen sind hier die mit Pflegekinderdiensten und Adoptionsvermittlungsstellen gesammelten Erfahrungen, die Herkunft der Kinder, die Problematik der doppelten Elternschaft, die Entwicklung der Kinder, die Auswirkungen von Hospitalismus, das Verhältnis von Erbe und Umwelt, Probleme in der Eingewöhnungsphase und der Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten. Zumeist melden sich zu den Kursen nur einzelne Elternteile an. So bietet es sich an, sie z.B. mit Ausflügen oder Wochenendveranstaltungen zu kombinieren, damit die Teilnehmer/innen auch die Partner und Kinder kennenlernen können - über die vorher so viel gesprochen wurde.

Gerade das zuletzt genannte Beispiel macht deutlich, wie wichtig die Kooperation zwischen Familienbildungsstätte und Jugendamt bzw. psychosozialen Diensten ist: Nur durch den Kontakt zu Adoptionsvermittlungsstellen und Pflegekinderdiensten können genügend Teilnehmer/innen für die Veranstaltungen gewonnen werden. Aber auch wenn es um Zielgruppen wie Arbeitslose, Arme, Migrant/innen, Personen mit besonderen Erkrankungen, Behinderte, Alkoholiker, Drogensüchtige und deren Familien geht, muss schon aus "Werbezwecken" der Kontakt zu Behörden, Allgemeinem Sozialdienst, Suchtberatungsstellen, Behinderteneinrichtungen oder Kliniken gesucht werden. Hinzu kommt, dass oft nur auf diesem Wege geeignete Referenten/innen und Kursleiter/innen gefunden werden können, da sie über Spezialkenntnisse verfügen müssen.

Öffentliche und freie Jugendhilfeträger sollten großes Interesse an derartigen zielgruppenspezifischen Veranstaltungen von Familienbildungsstätten zeigen - nicht nur, weil hier die Grenzen zur Sozialarbeit überschritten werden, sondern auch, weil ein kostengünstiges Angebot auf neutralem Boden zustande kommt. So sind die Kosten aufgrund der niedrigen Honorare für Kursleiter/innen (auch weil die Vorbereitungszeit nicht bezahlt wird) sehr viel geringer als wenn Jugendämter, Wohlfahrtsverbände oder Kliniken selbst derartige Kurse anbieten würden. Außerdem sind die Teilnehmer/innen in Familienbildungsstätten freier, ungezwungener und offener, da sie hier z.B. keine Sanktionen befürchten müssen (weniger Schwellenangst). Deshalb sollten insbesondere öffentliche Träger der Jugendhilfe solche zielgruppenspezifische Angebote initiieren und eventuell mitfinanzieren - vor allem falls nur kleine Gruppen zustande kommen und damit ungedeckte Kosten für die Familienbildungsstätten entstehen.

Trotz einzelner Familienseminare, Veranstaltungen für Väter und zielgruppenspezifischer Angebote werden von Familienbildungsstätten in der Regel nur Frauen erreicht, die zudem überwiegend aus der Mittelschicht stammen. So bleibt die Praxis hinter den Zielvorgaben des § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zurück. Die meisten Familienbildungsstätten sind sich dieser Situation durchaus bewusst. So versuchen sie beispielsweise, ihre Angebote direkt in die Lebenswelt von Familien hineinzutragen, also Veranstaltungen dezentralisiert in den verschiedenen Stadtteilen und Dörfern ihres Einzugsgebiets durchzuführen. Auf diese Weise soll der Zugang erleichtert, die Niedrigschwelligkeit der Kurse verstärkt werden. Außerdem werden zunehmend offene Angebote gemacht, für die eine Anmeldung nicht nötig ist. Dazu gehören z.B. Müttertreffs am Vormittag, Stammtische und "Familiensamstage" (mit Bastelangebot, Gesprächseinheiten, gemeinsamer Zubereitung des Mittagessens u.a.). Letztlich wird es aber nur durch die Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und Schulen, insbesondere durch Angebote direkt in diesen Einrichtungen, möglich sein, den Adressatenkreis nennenswert über Mittelschichtsmütter hinaus zu erweitern - ein Weg, der von Familienbildungsstätten eher selten beschritten wird. Die öffentliche Jugendhilfe, zu deren Aufgaben auch die Zusammenarbeit mit Schulen gehört (§ 81 Nr. 3 SGB VIII), könnte hier initiativ tätig werden.

Ein anderes Problem von Familienbildungsstätten ist die personelle Situation. So sind nur wenige Mitarbeiter/innen hauptamtlich beschäftigt. Ansonsten handelt es sich um Honorarkräfte, die nebenberuflich oder während ihrer Familienphase tätig sind. Sie haben überwiegend keine pädagogische Ausbildung und erhalten nur selten die Möglichkeit, an Fortbildungsveranstaltungen (z.B. über Erwachsenenbildung oder Arbeit mit Kleinkindern) teilzunehmen oder gar eine Supervision zu erfahren. Problematisch ist auch die große Fluktuation unter den nebenamtlichen Mitarbeiter/innen, die ein kontinuierliches Angebot erschwert. Außerdem sind die weitaus meisten Mitarbeiter/innen und Honorarkräfte weiblich - vielleicht mit ein Grund, wieso nur so wenige Männer als Teilnehmer gewonnen werden.

Familienbildungsstätten haben ferner finanzielle Probleme, die zum einen durch stagnierende oder zurückgehende Zuschüsse und zum anderen durch deren erst kurzfristig bekannt gegebenen Höhe bedingt werden, da die Förderung zum Teil von den im jeweiligen Jahr verfügbaren Haushaltsmitteln abhängt und insbesondere die Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen großen Ermessensspielraum haben (vgl. § 74 Abs. 3 SGB VIII). Diese Situation erschwert vor allem die Planung und Gestaltung des Veranstaltungsprogramms, aber auch die Entwicklung besonderer (zielgruppenspezifischer oder offener) Angebote, für die eine zusätzliche Förderung notwendig ist. Gerade die finanziellen Probleme verdeutlichen die Randstellung und geringe Anerkennung von Familienbildungsstätten.

Erwachsenenbildungseinrichtungen

Neben Familienbildungsstätten bieten auch andere Träger der Erwachsenenbildung Veranstaltungen zur Familienbildung an. So führen Volkshochschulen Kurse zur Hauswirtschaft (Haushaltsführung, Verbraucherfragen, Ernährungslehre, Nahrungszubereitung, Textilkunde, Nähen usw.), zu Erziehungsfragen, zur Krankenpflege, zur Entspannung u.v.a.m. durch.

Erwachsenenbildungsstätten und -werke in kirchlicher Trägerschaft bieten Kurse zur Ehevorbereitung, Ehe- und Elternbildung an. Die Bildungswerke vermitteln in erster Linie Referent/innen, die dann vor Ort - in der jeweiligen Pfarrei, im Gemeindezentrum usw. - ihre Veranstaltung durchführen. Zumeist werben sie auch für diese Kurse in ihrem Programmheft. In der Regel übernehmen sie die Zuteilung staatlicher und kirchlicher Zuschüsse. Im Vergleich zu Familienbildungsstätten suchen also Bildungswerke stärker den Kontakt zu Institutionen in ihrem Einzugsbereich, die als Anbieter von Kursen der Familienbildung bzw. als Mitveranstalter in Frage kommen. Neben Pfarreien können dies z.B. Familienkreise oder Kindertageseinrichtungen sein.

Diese Zusammenarbeit zwischen Bildungswerken und Kindertagesstätten entspricht nicht nur den Vorgaben des § 16 SGB VIII (Förderung der Familienerziehung, Intensivierung der Eltern[mit]arbeit in Erziehungseinrichtungen, Initiierung von Familienselbsthilfe), sondern auch dem Prinzip der Vernetzung. Umso bedauerlicher ist es, dass es nur selten zu einer Zusammenarbeit zwischen Bildungswerken und Trägern der öffentlichen Jugendhilfe kommt. Das trifft genauso auf die Beziehung zwischen Volkshochschulen und Jugendämtern zu, obwohl beide kommunale Einrichtungen sind. Insbesondere wenn es vor Ort keine Familienbildungsstätte gibt, sollte eine Zusammenarbeit gesucht werden. Dann könnten die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sinnvolle und notwendige Angebote der Familienbildung initiieren. Das setzt aber auch die Bereitschaft voraus, unter Umständen aufwendige zielgruppenspezifische Veranstaltungen (z.B. für Pflegefamilien, Familien aus sozialen Brennpunkten, Eltern behinderter Kinder oder Familien mit suchtkranken Mitgliedern) mitzufinanzieren.

Kindertageseinrichtungen und Schulen

Wie bereits erwähnt, erreichen Familienbildungsstätten nur einen kleinen Teil von Familien, insbesondere Mütter aus der Mittelschicht. Ähnliches gilt für Volkshochschulen und Bildungswerke. Nahezu alle Familien kommen aber in Kontakt mit Kindertageseinrichtungen und Schulen. Familienbildende Maßnahmen, die von diesen Institutionen ausgehen, erreichen potenziell alle Eltern. In der Realität nimmt aber auch hier nur ein Teil der Elternschaft - überwiegend Mütter - an entsprechenden Veranstaltungen teil. Die Zusammensetzung der Teilnehmer/innen ist jedoch viel heterogener als in Erwachsenenbildungsstätten.

Am besten werden Eltern von Kindertageseinrichtungen erreicht. Diese entwickeln sich immer mehr zu familienergänzenden und -unterstützenden Institutionen, die in der Erziehungspartnerschaft mit Eltern und der Beeinflussung der Familienerziehung Schwerpunkte ihrer Arbeit sehen. Damit wird auch den Vorgaben des § 22a Abs. 2 SGB VIII Genüge getan. Zugleich wird den Wünschen vieler Eltern entsprochen, die von Kindertageseinrichtungen - neben Informationen über die Gestaltung des Kita-Alltags - Beratung bei Erziehungsschwierigkeiten, Elternbildung, Gesprächskreise zu bestimmten Themen und Hinweise auf Hilfsangebote für Familien mit verhaltensauffälligen Kindern, Eheproblemen usw. erwarten.

Kindertagesstätten entsprechen heute den Erwartungen der Eltern bzw. den Bedürfnissen von Familien durch ganz verschiedene Formen der Elternarbeit, wobei jede Einrichtung ihr eigenes Angebot aus der Vielzahl von Möglichkeiten zusammenstellt. Neben Elternabenden, Einzelgesprächen über die Entwicklung und Erziehung des jeweiligen Kindes sowie Tür- und Angel-Gesprächen werden z.B. folgende Formen praktiziert: Elterngruppen (mit/ohne Kinderbetreuung), themenspezifische Gesprächskreise, Elternseminare, Elterncafé/ Teestube, Vätergruppen, Elternstammtische, Hospitationen in der Kindergruppe und Einbindung von Eltern in die pädagogische Arbeit. Durch diese Angebote sollen so zentrale Ziele erreicht werden wie die wechselseitige Öffnung von Kindertageseinrichtung und Familien, Abstimmung von öffentlicher und privater Erziehung, Verbesserung der Familienerziehung, Beratung bei Erziehungsschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten, Vermittlung von Hilfsangeboten (auch bei anderen Familienproblemen) sowie Förderung von Kontakten zwischen Familien und Familienselbsthilfe. Die Vielfalt der Angebote stellt sicher, dass Eltern aus ganz unterschiedlichen Schichten oder sogar bestimmte Zielgruppen (Eltern mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende, Väter usw.) erreicht werden.

Elterngruppen in Kindertageseinrichtungen werden entweder von Erzieher/innen oder einem von außen kommenden Referenten (z.B. Erziehungsberaterin, Familienbildner oder Sozialpädagogin) geleitet. Wird parallel eine Kinderbetreuung angeboten, können auch Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern problemlos teilnehmen. Die Eltern können in der Gruppe ihnen wichtige Fragen und Anliegen diskutieren, benötigte Informationen einholen und Lösungsvorschläge für ihre (Erziehungs-) Probleme erbitten. Sie lernen andere Eltern kennen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. So können intensive Kontakte entstehen, die auch zur wechselseitigen Unterstützung (z.B. bei der Kinderbetreuung) führen. Das Thema für das jeweilige Treffen wird entweder beim vorausgegangenen festgelegt oder ergibt sich spontan. Manche Elterngruppen werden aber auch von Anfang an mit einer bestimmten Thematik angekündigt (z.B. "Wie fördern Eltern am besten die Entwicklung ihrer Kinder?", "Religiöse Erziehung in der Familie", "Frauen - Beruf - Familie"). Sie können ferner die Form eines Elternkurses annehmen (s.u.). In diesem Fall bzw. bei themenspezifischen Gesprächskreisen werden besonders oft externe Referenten/innen eingesetzt, da hier der Arbeitsaufwand sehr hoch ist - zu hoch für Erzieher/innen mit ihrer relativ geringen Verfügungszeit.

Auch Elternabende eignen sich für die Familienbildung. Das Interesse an ihnen ist besonders groß, wenn Fragen der Erziehung und Entwicklung von (Klein-) Kindern auf eine nicht angsterzeugende Weise angesprochen werden. Schon bei der Themenformulierung muss beachtet werden, dass nicht der Eindruck entsteht, die Eltern könnten kritisiert oder zum Eingeständnis von Erziehungsfehlern genötigt werden. Vortragsabende mit anschließender Diskussion kommen kaum an; bei Elternabenden muss heute von der Situation der Teilnehmer/innen ausgegangen werden. So stehen das Gespräch mit den Eltern und der Erfahrungsaustausch zwischen ihnen im Mittelpunkt. Auf diese Weise können individuelle Fragestellungen und Bedürfnisse eingebracht und berücksichtigt werden.

Elterncafés, Teestuben, Elternsitzecken, separate Räume für Eltern u.Ä. sind offene Angebote von Kindertageseinrichtungen. Hier treten informelle Formen der Familienbildung auf - durch den Gesprächsaustausch zwischen Eltern und die wechselseitige Beratung. Relativ selten sind noch Hospitationsmöglichkeiten für Eltern in Kindertageseinrichtungen und deren Einbindung in die pädagogische Arbeit, insbesondere in Projekte. Hier erfolgt Elternbildung indirekt - durch die Modellwirkung des Verhaltens der Erzieher/innen bzw. deren Nachahmung. Zugleich werden Erfahrungen im Umgang mit anderen Kindern gesammelt, die im gleichen Alter wie das eigene sind.

Erzieher/innen beklagen immer wieder, dass sie für Elternberatung und Familienbildung nicht ausgebildet wurden. Auch mangele es an Fortbildungs- und Supervisionsangeboten in diesem Bereich. So sollte die Ausbildung entsprechend reformiert werden, sollten Träger (-verbände), Kommunen und Fachverbände geeignete Fortbildungsveranstaltungen anbieten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass zur Förderung von anerkannten Trägern der Jugendhilfe auch gehört, dass Mittel für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter/innen seitens der öffentlichen Träger zur Verfügung gestellt werden (§ 74 Abs. 6 SGB VIII).

Schulen nehmen sich hingegen kaum der Familienbildung an. Dies ist sehr bedauerlich, zumal inzwischen viele wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass der Einfluss der Familie auf die kindliche Entwicklung größer als derjenige der Schule ist. In diesem Zusammenhang sei nur an die Bedeutung der Hausaufgabenbetreuung durch die Eltern erinnert. Auch erwirbt das Kind in der Familie Dispositionen und Fertigkeiten, die das Lernen und gute Schulleistungen begünstigen (oder nicht) - z.B. Anspruchsniveau, Leistungsmotivation, Selbstkontrolle, Kooperationsfähigkeit, Sprachstil, Interessen und Einstellungen. Der starke Einfluss der Familie erklärt nicht nur die großen Unterschiede zwischen Schulanfängern, sondern auch die Tatsache, dass es Lehrer/innen in der Regel nicht gelingt, diese Unterschiede zu verringern - vielmehr wird die "Leistungsschere" zwischen guten und schlechten Schüler/innen mit zunehmender Dauer des Schulbesuchs immer größer.

So sollte eine Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Familie angestrebt werden, sollten Elternarbeit, -beratung und -bildung intensiviert werden - ähnlich wie dies in Kindertageseinrichtungen geschieht. Hier könnten die Obersten Landesjugendbehörden aktiv werden, um die Kultusministerien zur Entwicklung entsprechender Verordnungen, Empfehlungen oder Handreichungen und zu eventuell notwendigen Veränderungen in der Lehreraus- und -fortbildung zu motivieren. Aber auch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe können mit den Schulen vor Ort Kontakt aufnehmen (§ 81 Nr. 3 SGB VIII).

Natürlich sollten Familienbildungsangebote von Schulen nicht auf die Förderung von Schulleistungen durch die Eltern beschränkt sein. Gerade in einer Zeit, in der Lehrer/innen zunehmend mit kindlichen Verhaltensauffälligkeiten, psychischen Problemen, Schulängsten, Lernstörungen, Suchtmittelmissbrauch, Mobbing u.Ä. konfrontiert werden, sollte der gesamte Bereich der Familienerziehung berücksichtigt werden. Insbesondere in der Zeit nach der Einschulung ihres Kindes sind Eltern aufgrund ihrer Unsicherheit (neuartige Situation bzw. Transition), ihren hohen Erwartungen und der zunehmenden Ablösung ihres Kindes zu einer Zusammenarbeit mit Lehrer/innen bereit. Ähnliches gilt für den Zeitraum nach dem Wechsel an eine weiterführende Schule.

Jedoch werden an Schulen nahezu keine Angebote im Bereich der Familienbildung gemacht. Die wenigen Elternabende beschränken sich zumeist auf schulische Anliegen; bei Elterngesprächen stehen (schlechte) Schulleistungen oder Verhaltensauffälligkeiten im Mittelpunkt. Auch werden an Schulen in der Regel keine (Unterrichts-) Veranstaltungen zur Vorbereitung junger Menschen auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern durchgeführt. Sieht man einmal von Sexualkunde, Hauswirtschaft und textilem Gestalten ab, ist der Beitrag der Schule zur Entwicklung eines positiven Kommunikationsverhaltens und zum Erlernen von Problem- bzw. Konfliktlösetechniken gering. Die Schule vermittelt kaum Kenntnisse über die Entwicklung und Erziehung von (Klein-) Kindern und über die partnerschaftliche Gestaltung von Beziehungen. Geschlechtsrollenstereotype werden eher in Kindertageseinrichtungen als in Schulen hinterfragt. Hier sind die Obersten Landesjugendbehörden aufgefordert, auf die Gestaltung von Lehrplänen einzuwirken, damit die Vorbereitung junger Menschen auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) mehr Berücksichtigung findet. Nur am Rande sei erwähnt, dass viele der zu fördernden kommunikativen und sozialen Kompetenzen auch von der Wirtschaft bzw. von Arbeitgebern hoch geschätzt werden.

Familienselbsthilfe

Ein in den letzten Jahren immer wichtiger gewordener Anbieter von formeller und informeller Familienbildung ist die Familienselbsthilfe. Hier haben sich Eltern bzw. Familien von selbst in Eltern-Kind-Gruppen, Elterninitiativen, Mütter-, Familien- und Nachbarschaftszentren, Kontaktkreisen für Alleinerziehende, Selbsthilfegruppen (z.B. nach Geburt eines behinderten Kindes), Stiefelterngruppen oder Familienkreisen zusammengeschlossen. Die Eltern wollen mit Personen in derselben Lebenssituation über Fragen, Probleme und Belastungen diskutieren, die Familien generell oder ihre besondere Familienform betreffen. Sie suchen gemeinsam nach Lösungen und Entlastungsmöglichkeiten, die sich positiv auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirken und die Bewältigung des Familienalltags erleichtern. Werden hierzu besondere Angebote entwickelt, so werden sie in der Regel von einzelnen Eltern selbst durchgeführt. Dies erlaubt das Einbringen, Erproben und Weiterentwickeln eigener Kompetenzen. Zugleich bleiben Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Eltern erhalten. Ihre Tätigkeit wird somit durch das Selbsthilfeprinzip geprägt, aber auch durch den Verzicht auf professionelle (An-) Leitung.

Eine Form der Familienselbsthilfe sind Eltern-Kind-Gruppen, die im Gegensatz zu solchen an Familienbildungsstätten oder ähnlichen Einrichtungen (s.o.) von den Teilnehmer/innen selbst gegründet wurden. Sie treffen sich z.B. in Räumen der Kirchengemeinde, des Mütterzentrums oder des Mehrgenerationenhauses, in angemieteten Räumen oder solchen, die vom Jugendamt kostenlos zur Verfügung gestellt werden. In Eltern-Kind-Gruppen nehmen Krabbelkinder und ihre Mütter Kontakt zu Gleichaltrigen bzw. anderen Frauen auf. Die Ablösung der Kinder von ihren Müttern und ihre Sozialentwicklung werden gefördert; die Kinder machen neue Spielerfahrungen. Zugleich lernen die Mütter voneinander durch Beobachtung und Nachahmung. Im Gespräch miteinander reflektieren sie die Entwicklung ihrer Kinder und ihr Erziehungsverhalten, diskutieren ihre Situation als Mütter und beraten sich wechselseitig bei Fragen und Problemen. Sie erleben ihre Kinder in neuen Situationen und verbessern ihre erzieherische Kompetenz. Väter sind allerdings nur selten Teilnehmer in Eltern-Kind-Gruppen - sie werden vereinzelt durch Abend- oder Wochenendveranstaltungen erreicht.

Im Gegensatz zu Eltern-Kind-Gruppen, die in der Regel nur ein- oder zweimal pro Woche für circa zwei Stunden zusammenkommen, bieten Elterninitiativen, Kinderläden und ähnliche Familienselbsthilfeeinrichtungen eine kontinuierliche mehrstündige oder sogar ganztägige Kinderbetreuung an. Hier können Eltern im Gegensatz zu Kindertageseinrichtungen ihr eigenes Erziehungs- und Bildungskonzept verwirklichen und die Inhalte der pädagogischen Arbeit mitbestimmen. Auch bei diesen Formen der Familienselbsthilfe spielt die informelle Familienbildung eine große Rolle: Wenn die Eltern in der Kindergruppe hospitieren oder gar mitarbeiten, lernen sie durch Beobachtung und erweitern ihre erzieherischen Kompetenzen durch den Umgang mit fremden Kindern und größeren Kindergruppen. Zugleich bringen sie ihre Erfahrungen aus der Familienerziehung ein. Die Eltern treffen sich häufig am Abend, um gemeinsam über Themen wie Kinderalltag, die eigenen Erziehungsziele und -vorstellungen, das pädagogische Konzept der Einrichtung oder das Verhalten in Problemsituationen zu diskutieren.

Ferner gibt es viele Mütterzentren und -initiativen, Familien- und Nachbarschaftszentren. Hierbei handelt es sich um Selbsthilfeeinrichtungen, in denen das Laienprinzip besonders deutlich ausgeprägt ist: Mütter (vereinzelt auch Väter) leiten das Zentrum, übernehmen alle anfallenden Verwaltungsarbeiten, betreuen Kinder und führen Veranstaltungen für andere Frauen bzw. Familien durch. In der Regel arbeiten sie ehrenamtlich; oft wird eine Aufwandsentschädigung oder ein niedriges Honorar gezahlt. Nur vereinzelt werden sie von ABM-Kräften oder fest angestellten Sozialpädagoginnen unterstützt.

In Mütter- und Familienzentren, aber auch in Mehrgenerationenhäusern, finden Interessierte eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Angebote der Kinderbetreuung, Frauen- und Familienbildung vor, die an den Bedürfnissen der Teilnehmer/innen orientiert sind und von diesen mitgestaltet werden. Dazu gehören z.B. Eltern-Kind-Gruppen, Betreuungsangebote mit festen oder offenen Gruppen, Mittagstisch, Babysitting oder Stillgruppen, Vortragsveranstaltungen, themenspezifische Gesprächskreise, Kurse, Bastelnachmittage, kreativ-künstlerische Projekte, Kabarett, Theater, Naturkostladen und Second-Hand-Shop. Besonders häufig sind offene Angebote, die eine niedrige Zugangsschwelle und einen geringen Verpflichtungscharakter haben. Zudem entsprechen sie dem Lebensrhythmus von Eltern mit (Klein-) Kindern, die sich nur schwer auf regelmäßige Termine festlegen können. Mütterzentren sind tagsüber jederzeit zugänglich - auch für eine Beratung durch Mitbetroffene, bei der gemeinsam nach einer Problemdefinition und -lösung gesucht wird.

Frauen (und Männer), die in Mütter- und Familienzentren aktiv werden, Veranstaltungen oder Beratung anbieten und dabei ihre im Familienalltag erworbenen Kompetenzen einsetzen, haben Erfolgserlebnisse und erfahren Anerkennung - was zu mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen führt. Eltern, die Angebote von Mütter- und Nachbarschaftszentren nutzen, kommen mit Eltern unterschiedlichen Alters und aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammen. So werden neue soziale Netze geknüpft und Vorurteile abgebaut, wird Nachbarschaftshilfe gefördert. Der Austausch über das Familienleben und die Kindererziehung wird erleichtert, da alle Anwesenden gleichberechtigt sind und ähnliche Erfahrungen mitbringen. Durch das Gespräch über aktuelle Ereignisse vor Ort wächst das Interesse an der Kommunalpolitik und an einem Engagement für Kinder im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII. Auch setzen sich Mütter- und Familienzentren bewusst für mehr Anerkennung und Unterstützung der Familienarbeit durch Politik und Gesellschaft ein.

Als Beispiel für Familienselbsthilfe bei besonderen Belastungen sollen Gruppen für Eltern mit behinderten Kindern dienen. Die Teilnehmer/innen solidarisieren sich schnell aus dem Gefühl gleicher Betroffenheit heraus, bieten einander Verständnis und emotionale Unterstützung. Sie tauschen sich über das Leben mit einem behinderten Kind und belastende Erlebnisse wie Stigmatisierung und Diskriminierung aus. Kenntnisse, Erfahrungen und Problemlösungen, die sie hinsichtlich der Behinderung gesammelt haben, werden an die anderen Eltern weitergegeben und können von diesen genutzt werden. Zu einzelnen Treffen werden oft auch Experten/innen eingeladen, die z.B. über Therapieformen, die schulische Förderung Behinderter, Hebetechniken, Hilfsmittel, Entspannungsübungen oder familienentlastende Dienste informieren. Ferner kommt es in Elterngruppen häufig zur gemeinsamen Freizeitgestaltung (Ausflüge, Spielnachmittage, Wochenendfreizeiten usw.) und zur Entlastung bei Alltagsproblemen (z.B. wechselseitige Kinderbetreuung).

Selbsthilfegruppen für Familien mit besonderen Belastungen können entweder selbständig sein oder Teil des Angebots eines Verbandes (z.B. Bundesvereinigung Lebenshilfe, Anonyme Alkoholiker, Bundesverband der Pflege- und Adoptiveltern) bzw. einer Einrichtung (Beratungsstelle, Förderschule, Heim usw.) sein. Manche werden von Fachleuten mehr oder weniger locker begleitet. In der Regel beschränken sich die Gruppen auf eine genau spezifizierte Belastung (z.B. eine Behinderungsart) und manchmal zusätzlich auf eine bestimmte Altersgruppe. Angehörigengruppen beziehen die Person, von der die jeweilige Belastung ausgeht, nicht ein.

Nahezu alle Formen der Familienselbsthilfe leiden unter ihrer schlechten finanziellen Absicherung bzw. begrenzten Förderung durch Bund, Länder und Kommunen - entgegen § 4 Abs. 3 SGB VIII ("Die öffentliche Jugendhilfe soll ... die verschiedenen Formen der Selbsthilfe stärken.") und letztlich auch im Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip. Besonders bedauerlich ist dabei, dass Familienbildung im Kontext der Familienselbsthilfe sehr viel kostengünstiger als z.B. in Familienbildungsstätten oder Volkshochschulen ist. Das bedeutet aber nicht, dass hier beide Seiten unter Kostengesichtspunkten gegeneinander ausgespielt werden sollen - die institutionell organisierte und professionell verantwortete Familienbildung hat wie die Familienselbsthilfe ihre Existenzberechtigung. Beide Seiten erreichen unterschiedliche Gruppen von Eltern, haben verschiedene Arbeitsansätze.

In diesem Zusammenhang soll auf die Formulierung in § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII verwiesen werden, dass durch Familienbildung Familien zur Mitarbeit in Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe befähigt werden sollen. Diese Bestimmung richtet sich m.E. besonders an Familienbildungsstätten, aber auch an Erwachsenenbildungseinrichtungen, wobei die angesprochene Zielgruppe praktisch alle im Bereich der Familienselbsthilfe tätigen Personen umfasst. Würde dieser rechtlichen Vorgabe entsprochen, würde ein anderes Problem von Selbsthilfeangeboten gemildert, nämlich die unzureichenden Möglichkeiten für die Vorbereitung und (Weiter-) Qualifizierung ehrenamtlicher Mitarbeiter/innen. Außerdem könnten Familienbildungsstätten, Volkshochschulen, Jugendämter, Kirchengemeinden u.a. die Selbsthilfegruppen durch das kostenlose Bereitstellen von Räumen für ihre Treffen und durch Werbemaßnahmen (Plakate, Anschläge, Hinweise in Beratungsführern usw.) unterstützen - insbesondere Jugendämter und Fachverbände auch durch die Vermittlung von Referent/innen, die Weitergabe relevanter Informationen und Materialien, die Einladung zu interessanten Veranstaltungen oder die Erleichterung der Kontaktaufnahme zu Entscheidungsträgern und psychosozialen Diensten (Vernetzung).

Jugendämter

Manche Kreis- und Stadtjugendämter machen eigene Angebote im Bereich der Familienbildung, die aber überwiegend nur der Ergänzung der Maßnahmen anderer Träger dienen (im Sinne des § 4 Abs. 2 SGB VIII). Dementsprechend sind nur selten einzelne Mitarbeiter/innen ausschließlich oder überwiegend für Aktivitäten nach § 16 SGB VIII zuständig.

Eher offene und informelle Formen der Familienbildung werden im Kontext der Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit praktiziert. So ergänzen Gruppenangebote die einzelfallbezogene Arbeit sozialer Dienste. Sie werden aktiv an die Betroffenen herangetragen und finden in deren Lebenswelt statt. Die Angebote setzen bei der Familie als Ganzes an, berücksichtigen ihren Lebenszusammenhang und Alltag, fördern Selbsterfahrung und die Analyse der eigenen Situation sowie das Gespräch darüber mit anderen Familien. Die Teilnehmer/innen werden zu Selbst- und Nachbarschaftshilfe motiviert. Andere Angebote sind Treffs, Familienbildungsmaßnahmen für bestimmte Familienformen wie Pflegefamilien (z.B. Vorbereitungsseminare, "Pflegeelternschulen", Gesprächskreise, Wochenendseminare, Familienfreizeiten), der Versand von Elternbriefen an alle Familien nach Geburt des ersten Kindes u.Ä.

Sonstige Anbieter

Neben den genannten gibt es eine Vielzahl weiterer Anbieter von Familienbildung, die aber oft nur von lokaler oder regionaler Bedeutung sind. Die nun folgende Aufzählung ist keinesfalls als vollständig zu betrachten:

  • Wohlfahrtsverbände
  • Familien- und Elternverbände
  • Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) sowie andere Selbsthilfegruppen für Alleinerziehende
  • Behinderten- und andere Verbände, die sich um Familienmitglieder mit besonderen Krankheiten, Suchtproblemen, psychischen Störungen oder anderen Belastungen kümmern
  • Frauenverbände und -zentren
  • Beratungsstellen
  • Sozialdienste für Ausländer
  • Vereine, z.B. für Männer mit Gewaltproblemen
  • Gesundheitsämter/ Säuglingsfürsorge
  • Kinderschutzstellen
  • Einrichtungen der Frühförderung

Der offenen und verbandlichen Jugendarbeit kommt eine besondere Bedeutung im Bereich der Ehevorbereitung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zu, der sie aber kaum gerecht wird. Jugendgruppen, Jugendzentren, Einrichtungen der Jugendbildung u.a. sollten jungen Menschen vermehrt die Möglichkeit bieten, sich frühzeitig mit ihren Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht auseinanderzusetzen, ein partnerschaftliches Verhalten einzuüben und ihre Vorstellungen über Ehe, Familie und Erziehung zu diskutieren.

Ein wichtiger Anbieter von Familienbildung sind schließlich noch die Pfarrgemeinden und insbesondere kirchliche Gruppierungen (z.B. Familienkreise, Schönstatt-Familienbewegung, Fokolar-Bewegung). So wird vor allem in der Katholischen Kirche großer Wert auf die Ehe- und Familienpastoral gelegt. Sie will Hilfen zur Gestaltung des Ehe- und Familienlebens geben, die personale Liebesgemeinschaft zwischen den Ehegatten fördern, die Glaubensbotschaft zur Lebenshilfe für Familien werden lassen sowie in Krisen beratend und unterstützend eingreifen.

Besondere Programme

Die üblichen Angebote der Familienbildung - Kurse, Vortragsveranstaltungen, Elterngruppen usw. - reichen in manchen Fällen nicht aus, um die für eine gesunde Entwicklung von Kindern und Erwachsenen notwendigen Veränderungen in der jeweiligen Familie zu bewirken. Auch werden oft Familien nicht erreicht, in denen Probleme später so ausufern, dass sie beratungsbedürftig werden. Um (noch) unverheiratete Partner, Ehegatten und Eltern vor einem solchen Schicksal zu bewahren, um intensive positive Veränderungen in der Paar- bzw. Eltern-Kind-Beziehung zu bewirken und um verdeckte Stärken bewusst zu machen, wurden deshalb von Psycholog/innen und anderen Fachleuten präventive Programme entwickelt. Sie unterscheiden sich von anderen Angeboten der Familienbildung vor allem dadurch, dass sie strukturiert sind (Leitfaden, schriftliche Materialien), zumeist von besonders ausgebildeten Fachkräften durchgeführt werden und häufig hinsichtlich ihrer Auswirkungen evaluiert wurden. Sehr viel mehr Wert wird auf Selbsterfahrung, praktische Übungen (Rollenspiel, Familienskulptur, Kommunikationstraining), Hausaufgaben, Lösung aktueller Probleme und das Bewirken beobachtbarer Verhaltensänderungen gelegt. Die Breitenwirkung dieser Programme ist jedoch eher gering, da sie zumeist recht kostspielig sind. Auch hier wirkt sich also aus, dass für Prävention nur selten öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden - und wenn, dann eher in geringer Höhe und zeitlich begrenzt (z.B. für die Dauer der Programmentwicklung und -evaluation).

Folgende Arten von präventiven Programmen werden unterschieden:

  • Ehevorbereitung und -bereicherung, z.B. "Ein Partnerschaftliches Lernprogramm" (EPL), "Konstruktive Ehe und Kommunikation" (KEK), "Prepare/Enrich", "paarlife - Stresspräventionstraining für Paare"; verschiedene Kommunikationstrainings
  • Elterntraining, z.B. Gordon Familientraining, "Positive Parenting Program" (Triple P), "Starke Eltern - starke Kinder", "Systematischen Training für Eltern und Pädagogen" (STEP), "Kess erziehen: Der Elternkurs"
  • Programme für bestimmte Familienformen, z.B. "wir2 Bindungstraining für Alleinerziehende", "Familie und Nachbarschaft" (FuN, insb. für sozial benachteiligte Familien)
  • Elternprogramme bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen, z.B. "Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten" (THOP), "Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung", "Kommunikations- und Lösungsstrategien für die Interaktion mit klugen Kindern" (KLIKK), "Video-Home-Training" (bei Erziehungsschwierigkeiten), "Marte Meo"

Bei Elterntrainings lassen sich vier Schwerpunkte unterscheiden, die je nach Programm unterschiedlich stark ausgeprägt und mit verschiedenen Methoden verknüpft sind:

  1. Informationsvermittlung: Hier geht es vor allem um psychologische und pädagogische Kenntnisse, z.B. über die Entwicklung von Kindern, Erziehungsstile und -techniken, Verhaltenskontrolle und Förderung des Lernens. Die vorgesehenen Informationen werden in (Kurz-) Vorträgen, im Gespräch, durch schriftliche Materialien wie Begleithefte und Bücher oder durch Videos vermittelt.
  2. Selbsterfahrung: Die Eltern sollen prägende Erfahrungen aus ihrer Kindheit aufarbeiten und sich fragen, inwieweit ihr Erziehungsverhalten durch dasjenige der eigenen Eltern beeinflusst wird. Sie sollen sich ihres eigenen Erziehungsstils und der ihn bestimmenden Faktoren (z.B. Menschenbild, Werte, Sicht des Kindes und seiner Bedürfnisse) bewusst werden. Häufig eingesetzte Methoden sind Gruppendiskussion, Einzel- oder Paaraktivitäten, Fragebögen und Hausaufgaben wie das Führen eines Tagesbuches.
  3. Aneignen von Fertigkeiten: Neben der Verbesserung der Kommunikation in der Familie geht es hier vor allem um die Vermittlung von Erziehungstechniken, das Modellernen, das Setzen von Regeln bzw. Grenzen, das Lösen von Konflikten mit Kindern und das Aushandeln von Vereinbarungen. Häufig eingesetzte Methoden sind das Vormachen und Einüben von Fertigkeiten, Rollenspiele und Hausaufgaben zur Erprobung gelernter Techniken in der Familie.
  4. Problemlösetraining: Die Eltern lernen, Probleme zu definieren, in leichter lösbare Teilprobleme zu zerlegen, alternative Lösungswege und mögliche Konsequenzen zu überlegen, eine Option auszuwählen und umzusetzen sowie die Effektivität ihres Handelns zu überprüfen. Oft werden neben Gruppendiskussionen schriftliche Materialien, Paarübungen und Hausaufgaben eingesetzt. Deutlich wird, dass bei diesen Programmen die Teilnehmer/innen immer nur in ihrer Rolle als Eltern angesprochen werden; andere Lebensbereiche werden weitgehend ausgeklammert.

Für Zielgruppen, die aufgrund von Schwellenängsten oder Sprachproblemen bisher kaum von Familienbildungsangeboten profitierten, gibt es verschiedene Hausbesuchsprogramme (z.B. "Instapje", "Opstapje", "HIPPY", "Griffbereit", "Rucksack", "PAT - Mit Eltern Lernen"), die aber nur in einigen Städten und Landkreisen angeboten werden. Hier werden sozial schwache Familien und Eltern mit Migrationshintergrund in der eigenen Wohnung aufgesucht. Angezielt werden die Förderung der (sprachlichen) Entwicklung von (Klein-) Kindern und die Verbesserung des Erziehungsverhaltens ihrer Eltern.

Mediale Familienbildung

Auf dem Buchmarkt gibt es eine nicht mehr überschaubare Zahl von Partnerschafts- und Elternratgebern, die zum Teil hohe Auflagen erreichen. Inzwischen gibt es Bücher zu jeder Lebensphase von Kindern, Paaren und Familien, zu allen Familienformen, Lebens- und Belastungssituationen sowie zu allen nur denkbaren Partnerschafts- und Familienproblemen, sodass sich Eltern ganz gezielt informieren können. Auf diese Weise werden auch Zielgruppen erreicht und Fragestellungen abgedeckt, die von der institutionellen Familienbildung vernachlässigt werden. Bücher können jederzeit gelesen oder bei Missfallen beiseitegelegt werden, während der Besuch von Kursen an bestimmte Zeiten gebunden, oft mit Schwierigkeiten hinsichtlich der Kleinkindbetreuung verbunden und insbesondere bei emotional belasteten Eltern mit Schwellenangst verknüpft ist. Aber auch bei Ratgebern gibt es das Problem mangelnder Qualität und unzureichender wissenschaftlicher Fundierung. Da das einzelne Buch zumeist einen in sich geschlossenen Ansatz verfolgt, dürfte aber nur das Lesen mehrerer widersprüchlicher Bücher zum selben Thema zu einer Verunsicherung von Eltern führen.

Eine große Verbreitung haben viele Elternzeitschriften. Ihre familienbildende Funktion ist nicht zu vernachlässigen. Allerdings sind die meisten Artikel relativ kurz, sodass keine fundierten Informationen vermittelt werden. Sie werden in der Regel von Journalist/innen verfasst, die oft kein einschlägiges Studium absolviert haben. So sind die Inhalte vielfach nicht wissenschaftlich fundiert. Die Kritik seitens der Vertreter/innen der institutionellen Familienbildung, dass die mediale zur Verunsicherung von Eltern beitrage, dürfte jedoch am ehesten auf Publikumszeitschriften zutreffen.

Die neuste Form medialer Familienbildung sind Internetangebote. Inzwischen dürfte es mehrere Tausend Websites geben, die sich an Partner bzw. Eltern richten. Die Qualität vieler dieser Angebote dürfte unter der von Elternratgebern und Elternzeitschriften liegen. Es können folgende Arten von Websites unterschieden werden:

  • Kommerzielle Websites: Hier handelt es sich zum einen um die Websites von Elternzeitschriften, die auf neue Hefte aufmerksam machen und zu deren Kauf motivieren sollen, aber durchaus auch eine ganze Reihe von "Schnupperartikeln" und grundlegende Informationen enthalten. Zum anderen handelt es sich um Websites von Unternehmen, in denen deren Produkte - oder Produkte mehrerer Firmen - vorgestellt und u.U. verkauft werden. Aber auch hier sind familienbildende Texte zu finden.
  • Institutionelle Websites: Hier präsentieren sich Familien- und andere Verbände, wobei auch elternbildende Informationen zugänglich gemacht werden.
  • Websites von Eltern: Sie beschäftigen sich zumeist mit besonderen Problemlagen wie z.B. der Situation nicht sorgeberechtigter Väter oder der Vollzeitpflege.
  • Professionelle Websites: Hier wird versucht, das ganze Feld der Familienbildung abzudecken, wobei die Beiträge von Fachleuten wie Psycholog/innen, Ärzt/innen und Sozialpädagog/innen erstellt werden. Dazu gehören auch Online-Elterntrainings.

Websites werden im Gegensatz zu Angeboten institutioneller Familienbildung auch von Eltern in Kleinstädten und auf dem Land genutzt. Da Männer mehr Zeit im Internet verbringen als Frauen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch Väter solche Websites besuchen. Ferner dürften mehr Eltern älterer Kinder auf sie zurückgreifen. Dasselbe gilt für Eltern mit Problemen und besonderen Belastungen, die keine Angst zu haben brauchen, dass sie über ihre Schwierigkeiten vor anderen Personen sprechen müssen. Außerdem fallen bei Websites Faktoren wie Schwellenangst, fehlende Kinderbetreuung, Schichtarbeit usw. weg, die oft den Besuch relevanter Veranstaltungen verhindern. Eltern können Informationen dann abrufen, wenn sie benötigt werden. Websites sind 24 Stunden am Tag erreichbar; die Nutzung ist kostenlos und effizient, da dank der Suchmaschinen gezielt recherchiert werden kann.

Ein entscheidender Nachteil von Websites ist, dass der Gesprächsaustausch zwischen Eltern und Fachleuten sowie zwischen Eltern, aber auch die wechselseitige Beratung und Unterstützung entfallen. Auch eine soziale Funktion kann von einer Website nur bedingt erfüllt werden (z.B. durch Foren und Chatrooms). Schließlich können widersprüchliche - und extreme - Meinungen zu Partnerschafts- und Erziehungsfragen Eltern verunsichern bzw. zu einem problematischen Erziehungsverhalten beitragen.

Ein System der Familienbildung

Beim Lesen der letzten Unterkapitel ist sicherlich aufgefallen, wie vielfältig die Möglichkeiten der Familienbildung sind und wie viele Anbieter sich in diesem Bereich betätigen. Außerdem wurde deutlich, dass Zielgruppen wie Väter, sozial schwache Familien, Eltern mit Migrationshintergrund, Familien in bevölkerungsarmen Regionen u.a. kaum erreicht werden und dass mancherorts Angebote für seltenere Familienformen wie Alleinerziehende, Pflegefamilien oder für Familien mit besonderen Belastungen (Armut, Behinderung, Krankheit, Drogensucht, Alkoholismus usw.) fehlen. Unter diesen Umständen kommt den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe eine besondere Bedeutung zu, da sie die Gesamtverantwortung für den Bereich der Familienbildung haben und somit im Rahmen der Jugendhilfeplanung den Bedarf ermitteln und sicherstellen sollen, dass die erforderlichen Einrichtungen und Veranstaltungen zur Verfügung stehen (siehe §§ 79, 80 SGB VIII).

Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe müssten also in Zusammenarbeit mit den freien Trägern und all den anderen Anbietern das System der Familienbildung weiterentwickeln und bedarfsgerecht ausgestalten. Dieses System sollte Angebote (1) für alle Phasen und Übergänge im Familienzyklus, (2) zur besseren Erfüllung aller Familienfunktionen, (3) für alle Familienformen einschließlich nichtehelicher Lebensgemeinschaften sowie (4) für Familien mit besonderen Belastungen umfassen und die Vorbereitung auf Partnerschaft, Ehe und das Zusammenleben mit Kindern angemessen berücksichtigen.

Ein bedarfsgerechtes System der Familienbildung, das institutionelle, informelle und mediale Angebote, Gemeinwesenarbeit und Programme der Ehevorbereitung, der Ehebereicherung und des Elterntrainings umfasst sowie auch schwer erreichbare Zielgruppen einbezieht, ist natürlich ein Idealbild, dem man sich nur (schrittweise) nähern kann. Schon alleine weil die finanziellen Ressourcen im Jugendhilfebereich so beschränkt sind, sollte man aber die Realität an einem solchen Idealbild überprüfen. Dann können die begrenzten Mittel zielgerichtet bzw. schwerpunktmäßig ausgegeben werden, lassen sich Überschneidungen bei Angeboten vermeiden, wird deutlich, wo ein Ausbau ohne großen materiellen Aufwand möglich wäre (z.B. Familienbildung durch Kindertageseinrichtungen und Schulen). Die Vernetzung der Anbieter würde auch eine bessere Öffentlichkeitsarbeit ermöglichen. Familien sollten über das ganze Spektrum von Einrichtungen und Veranstaltungen der Familienbildung in einem Jugendamtsbezirk oder einer Region informiert werden, sodass sie gezielt das ihren Bedürfnissen am besten entsprechende Angebot auswählen können.