Neues von IGLU und PISA
Martin R. Textor
Nun liegen sie vor: die Ergebnisse der neuen PISA- und IGLU-Studien. In beiden internationalen Vergleichsuntersuchungen konnten sich die deutschen Kinder und Jugendliche gegenüber den Vorjahren leicht verbessern.
Bei der IGLU-Studie 2006, bei der die Lesekompetenz von Grundschüler/innen in 35 Staaten und 10 Regionen gemessen wurde, rückte Deutschland mit 548 Punkten auf den 11. Rang vor. Die Spitzenplätze wurden von der Russischen Föderation (565 Punkte), Hongkong (564 Punkte), der kanadischen Provinz Alberta (560 Punkte), Singapur (558 Punkte) und der kanadischen Provinz British Columbia (ebenfalls 558 Punkte) belegt.
In Deutschland gehörten 10,8% der Viertklässler zu den Spitzenlesern und 13,2% zur Risikogruppe. Kinder mit Migrationshintergrund lagen um 48 Punkte unter den Ergebnissen für Kinder ohne Migrationshintergrund; der Unterschied zwischen Schüler/innen aus unteren und solchen aus oberen sozialen Schichten lag bei 67 Punkten. So verdeutlichte die IGLU-Studie erneut die sozialen Unterschiede - aber auch die institutionelle Benachteiligung von Kindern aus unteren Schichten oder mit Migrationshintergrund: Wenn für sie eine Empfehlung für den Gymnasialbesuch seitens ihrer Lehrer/innen vorlag, hatten sie deutlich höhere Testergebnisse erbracht als Kinder aus privilegierteren Bevölkerungsgruppen.
Bei der PISA-Studie 2006, an der 30 OECD-Staaten teilnahmen, rückte Deutschland bei den Naturwissenschaften mit 516 Punkten auf den 8. Platz vor (Rang 13 aller 57 teilnehmenden Staaten) - die Spitzenplätze wurden von Finnland (563 Punkte), Kanada (534 Punkte) und Japan (531 Punkte) belegt. Die deutschen fünfzehnjährigen Schüler/innen verbesserten sich gegenüber PISA 2003 (502 Punkte) und PISA 2000 (487 Punkte), was allerdings mit dem neuen Erhebungskonzept zusammenhängen könnte.
Ihre Leseleistungen konnten die deutschen Schüler/innen auf 495 Punkte (PISA 2000 484 Punkte, PISA 2003 491 Punkte) steigern und damit zum OECD-Durchschnitt (492 Punkte) aufschließen. Deutschland erreichte Rang 14 - weit abgeschlagen hinter Korea (556 Punkte), Finnland (547 Punkte) und Kanada (527 Punkte). Bei der mathematischen Kompetenz lag Deutschland mit 504 Punkten (PISA 2000 490 Punkte, PISA 2003 503 Punkte) im Bereich des OECD-Durchschnitts (498 Punkte). Es kam auf den 14. von 30 Plätzen, wobei der Abstand zu den Spitzenreitern Finnland (548 Punkte), Korea (547 Punkte) und den Niederlanden (531 Punkte) wieder sehr groß war. Allerdings bildeten bei PISA 2006 Lesekompetenz und mathematische Leistung Nebengebiete mit weniger Testzeit als 2003.
Wie bei den anderen bzw. älteren internationalen Vergleichsstudien zeigte sich auch bei PISA 2006 ein starker Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenz, der sich aber tendenziell abschwächte. Jugendliche aus Familien der oberen sozialen Schichten hatten eine 2,7-mal höhere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als Kinder von Facharbeitern. Bei PISA 2000 waren die Chancen aber noch 4,2-mal größer. Ferner waren bei PISA 2006 die Unterschiede zwischen schwachen und starken Schüler/innen relativ groß im Vergleich zu anderen OECD-Staaten. Außerdem erwiesen sich deutsche Jugendliche als weniger an Naturwissenschaften und Mathematik interessiert als Gleichaltrige in anderen Ländern. Dies galt verstärkt für Mädchen. Diese schnitten aber deutlich besser beim Lesen ab - wie in allen OECD-Staaten.
Trotz der leichten Verbesserungen bei IGLU und PISA 2006 bleibt das deutsche Schulwesen mittelmäßig. Die Lehrer/innen müssten verstärkt Grundkompetenzen wie Lesen und Rechnen fördern, den Unterricht in Fächern wie Physik, Biologie, Chemie und Mathematik verbessern, Kinder aus unteren sozialen Schichten bzw. mit Migrationshintergrund intensiver unterstützen und ihnen bei gleichen Leistungen dieselben Übertrittschancen an weiterführende Schulen einräumen wie Kindern aus höheren sozialen Schichten.
Aber auch die Kindertageseinrichtungen sind gefragt: Hier müssten ebenfalls die Bildungsbemühungen verstärkt werden, also Kinder vermehrt im sprachlichen, kognitiven, mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Bereich gefördert werden. Vor allem die Bemühungen um benachteiligte Kinder sollten intensiviert werden - z.B. mit Hilfe einer systematischen, aber spielerischen Einübung des kompetenten Umgangs mit der deutschen Sprache.
Quellen
Manfred Prenzel, Cordula Artelt, Jürgen Baumert, Werner Blum, Marcus Hammann, Eckhard Klieme und Reinhard Pekrun (Hrsg.) PISA-Konsortium Deutschland: PISA 2006. Die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie. Zusammenfassung. http://pisa.ipn.uni-kiel.de/zusammenfassung_PISA2006.pdf
Bildungsministerin Erdsiek-Rave zur PISA-Studie: Schulreformen greifen und müssen konsequent weiterentwickelt werden. http://www.schleswig-holstein.de/MBF/DE/Service/Presse/PI/2007/Dezember07/III__PISA.html__nnn=true (Link funktionierte Mitte 2018 nicht mehr)