Kleiner Garten – große Ernte

Ingeborg Becker-Textor und Martin R. Textor

 

Im Oktober 2006 – kurz vor unserem Umzug von München nach Würzburg – pachteten wir einen Kleingarten. Er liegt am Wasserturm, ganz in Nähe des Erweiterungsgeländes der Universität Würzburg, wo wir in den 1970er und 1980er Jahren studiert hatten. Der Garten ist ca. 310 Quadratmeter groß. Laut Anlagenordnung soll er jeweils zu einen Drittel der Ernährung, dem Anbau von Zierpflanzen und der Erholung (Rasenfläche, Gartenlaube) dienen.

15 Jahre später – im Oktober 2021 – sieht unser Garten endlich so aus, dass er allen unseren Wünschen und Vorstellungen entspricht. Allerdings verbringen wir die meiste Zeit darin mit gärtnerischer Arbeit. Zudem gibt es in unserem von Trockenheit heimgesuchten Würzburg viel zu gießen. Nur selten ruhen wir auf unseren Liegestühlen, machen ein Picknick oder entspannen auf der Bank im überdachten Freisitz. Manchmal nehmen wir ein kaltes Mittagessen oder einen selbstgebackenen Kuchen mit in den Garten und speisen unter dem „Sonnenschirmapfelbaum“ – einem alten Baum, den Martin zu einem riesigen Sonnenschutz zurechtgeschnitten hat und der uns auf beiden Rasenflächen Schatten spendet.

Während Martin sich um die Rabatten, die Sträucher, die Bäume und den Rasen kümmert, obliegt Inge die Bewirtschaftung der Gemüse- und Kräuterbeete. Allerdings versorgt Martin diese Beete mit nur aus unseren eigenen Gartenabfällen produziertem Kompost, hält die Wege um die Beete unkrautfrei und fasste die rund 30 cm höher liegenden Gemüsebeete mit einer harten Folie ein.

In unserem „Gourmetgarten“ wachsen z.B. viele Kräuter: Petersilie glatt und kraus, Salbei, Ananassalbei, Thymian, Oregano, Gebirgsmajoran, Currykraut, Ysop, dreierlei Pfefferminze, Zitronenverbene, Pilzkraut, Basilikum, Schnittlauch, Estragon, Kerbel, Rosmarin, Sauerampfer, Blutampfer, Boretsch, Bohnenkraut, Kapuzinerkresse, Pimpernelle, Koriander, Olivenkraut, Zitronenmelisse, Bärlauch... und bestimmt wurde noch etwas vergessen. Die Kräuter werden frisch verwendet zum Würzen von Speisen, für Kräuterquark, -butter, -spätzle oder -omelette, für selbstgebackenes Brot und Kräuterschnaps. Auch werden sie getrocknet, für den Winter aufbewahrt und dann zum Würzen oder als Tee verwendet.

Ferner bauen wir viele verschiedene Gemüse und Salate an: neben roten, schwarzen und gelben bzw. kleinen, großen und länglichen Tomaten drei Arten von Cicoria, Radicchio, Rucola, Stielspinat, Blattspinat, Mangold, Neuseeländischer Spinat, Inka-Gurken, Fenchel, Karotten, Peperoni, Paprika, gelbe und grüne Zucchini, gelbe und grüne Kugelzucchini, Schlangenzucchini, Kohlrabi, Feuerbohnen, Buschbohnen, Meterbohnen, Kürbis, Grünkohl, Rosenkohl, Palmkohl, Endivien, Asiasalate, Pflücksalat, Eichblattsalat, Feldsalat, Auberginen, Hirschhornwegerich, Rote Beete, Cima di Rape, Erbsen, Fave und Meerrettich.

Und was wäre unser Garten ohne unsere Obstvielfalt? Da gibt es Erdbeeren, rote, gelbe und schwarze Himbeeren, grüne und rote Stachelbeeren, Aroniabeeren, Sanddorn, weiße, rote und schwarze Johannisbeeren, dreierlei Quitten, Klaräpfel, Boskopäpfel, dreierlei rote Äpfel, Brombeeren, Jostabeeren, Physalis, Sauerkirschen, Weintrauben und Mispeln. In diesem Herbst haben wir noch verschiedene Kiwipflanzen gesetzt, die vielleicht in den Jahren 2023 oder 2024 zum ersten Mal Früchte tragen werden.

Ein Teil der Ernte wird sofort verspeist: als Salat oder Gemüsebeilage, auf Pizza oder Flammkuchen, im Risotto oder in der Nudelsoße. Der größere Teil wird eingemacht, landet im Gefrierschrank oder im Rumtopf. Beispielsweise wurden im Jahr 2021 knapp 80 große und kleine Päckchen eingefroren (u.a. „frische“ Kräuter für den Winter, aber auch Bohnen, Spinat und Beeren). Im Keller stehen ganze Gläserbatterien: Insgesamt 259 Gläser wurden 2021 mit Eingemachtem gefüllt (und über 40 schon verschenkt). Die Palette reicht von Apfelkompott, Quittenmus und ausgefallenen Marmeladen wie Apfel mit Inka-Gurke oder Zucchini mit Aronia über indisches Mirabellenchutney, Quittencurry mit Knoblauch und Curcuma, Kürbis-Quittenchutney und schwarzem Johannisbeerchutney bis hin zu süßsaurem Gemüse, Peperoni-Apfel mit Curcuma, scharfem weißen Johannisbeergelee mit Knoblauch, Inkagurken-Sugo, scharfem Stachelbeer-Sugo u.a. Dass Inge alles so gelingt, hängt natürlich auch mit ihrem fleißigen Küchenassistenten zusammen: Martin hobelt Äpfel in Scheiben, zupft Beeren ab, stiftelt verschiedenstes Gemüse. Naja, der Arbeit folgt dann mit etwas zeitlicher Verzögerung die Verwöhnung: So hat Inge mindestens ein Dutzend verschiedener Apfelbackwaren kreiert in Form von Kuchen und Aufläufen – alles ohne Zucker.

Hinzu kommen unsere alkoholischen Konservierungsmethoden: Neben dem bereits erwähnten Rumtopf setzt Inge Himbeeren, Quitten, Brombeeren, Bratapfel, Auberginen, schwarze Johannisbeeren bzw. Kräuter mit einer winzigen Brise Zucker und viel Doppelkorn oder Rum an. Sogar klein gewürfelte Auberginen hat sie mit Schnaps aufgegossen. Das Rezept haben wir von einem Griechen bekommen; das Getränk wird von seiner Oma zubereitet.

Es ist schon ein kleines Wunder, dass wir auf Gartenbeeten, die vielleicht 120 Quadratmeter einnehmen, eine so große Ernte an Obst, Gemüse, Salaten und Kräutern einfahren – und das alles ohne Kunstdünger und Pestizide! Zudem erfreuen wir uns den ganzen Sommer und Herbst hindurch an Schnittblumen aus dem Garten. Ende November haben wir die letzten Rosen abgeschnitten...

Einige Impressionen von unserem kleinen Paradies bietet die Fotogalerie „Unser Schrebergarten – ein kleines Paradies“.