In Berlin ist ein Kleinkind doppelt so viel wert wie in Bayern: Zum Zusammenhang von Ausgaben, Qualitätskriterien, Betreuungsquoten und Elternbeiträgen

Martin R. Textor

 

Im Jahr 2006 gab Berlin für die Kindertagesbetreuung mit 7.082 Euro pro Kind mehr als doppelt so viel Geld aus wie sieben andere Bundesländer: Bayern, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen und Baden-Württemberg. Dies ergab eine von mir durchgeführte Analyse der Ausgaben der öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe anhand der Daten des Statistischen Bundesamtes (Textor 2008).

Rang
Bundesland
Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung im Jahr 20061)

1

Berlin

7.082 Euro

2

Hamburg

5.207 Euro

3

Bremen

4.578 Euro

4

Saarland

4.173 Euro

5

Thüringen

4.083 Euro

6

Rheinland-Pfalz

4.076 Euro

7

Hessen

4.001 Euro

8

Nordrhein-Westfalen

3.700 Euro

9

Mecklenburg-Vorpommern

3.683 Euro

10

Baden-Württemberg

3.438 Euro

11

Sachsen

3.392 Euro

12

Schleswig-Holstein

3.272 Euro

13

Niedersachsen

3.159 Euro

14

Brandenburg

3.132 Euro

15

Sachsen-Anhalt

3.121 Euro

16

Bayern2)

2.925 Euro

1) inkl. investive Ausgaben

2) Da dem Statistischen Bundesamt keine vollständigen Daten aus Bayern vorlagen, wurden diese vom Bayer. Sozialministeriums erbeten und mit E-Mail vom 26.02.2008 zur Verfügung gestellt.

Die hohen Ausgaben in Berlin könnten erstens für eine bessere Qualität der Kindertagesbetreuung stehen. Laut wissenschaftlichen Untersuchungen sind hier vor allem die Gruppengröße, die Fachkraft-Kind-Relation und die Qualifikation des Personals ausschlaggebend. In allen drei Bereichen gehört Berlin zur Spitze: Laut dem DJI-Zahlenspiegel war 2006 die durchschnittliche Anzahl der Kinder pro Gruppe für Kinder im Alter von drei bis unter sechs Jahren - 12 Kinder in Ganztagsgruppen und 13 Kinder bei kürzerer Betreuung - in keinem anderen der insgesamt 16 Bundesländer besser (bundesweite Durchschnittswerte: 18 bzw. 22 Kinder); Bayern war mit jeweils 24 Kindern pro Gruppe das Schlusslicht. Bei Kindern im Alter von unter drei Jahren - 11 Kinder in Ganztagsgruppen und 12 Kinder bei kürzerer Betreuung - erreichte Berlin allerdings nur den bundesweiten Durchschnittswert (jeweils 11 Kinder) bzw. lag in Gruppen mit kürzeren Betreuungszeiten sogar darunter. Allerdings lag auch das Land mit dem fünftniedrigsten Pro-Kopf-Betrag (Schleswig-Holstein) unter den Durchschnittswerten; bei den Gruppen für Drei- bis Sechsjährige waren es sogar drei der sechs Länder mit den geringsten Ausgaben (Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen).

Bundesland (geordnet nach den Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung 2006)
Durchschnittliche Anzahl der Kinder (2006) in ...1)
Gruppen für Kinder unter drei Jahren
Gruppen für Drei- bis Sechsjährige
Ganztags-
gruppen
Nichtganz-
tagsgruppen
Ganztags-
gruppen
Nichtganz-
tagsgruppen

Berlin

11

12

12

13

Hamburg

12

13

19

21

Bremen

8

9

18

19

Saarland

12

11

18

22

Thüringen

10

10

17

17

Rheinland-Pfalz

9

10

20

22

Hessen

11

12

20

22

Nordrhein-Westfalen

-2)

-2)

21

24

Mecklenburg-Vorpommern

10

10

17

17

Baden-Württemberg

10

11

18

22

Sachsen

12

12

17

17

Schleswig-Holstein

9

10

20

20

Niedersachsen

13

11

23

22

Brandenburg

12

11

16

16

Sachsen-Anhalt

12

13

17

18

Bayern

11

13

24

24

1) Laut Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/ Universität Dortmund (2008), S. 88 f.; Sonderauswertung einer begrenzten Zahl von Kita-Gruppen.

2) In Nordrhein-Westfalen werden unter Dreijährige nur sehr selten in Krippen betreut.

Beim Personalschlüssel befand sich Berlin mit 8,1 Kindern pro Fachkraft in Kindergartengruppen im Ländervergleich auf dem erster Platz und bei für Zweijährige geöffneten Kindergartengruppen mit 9,3 Kindern auf dem fünften Platz. Bei Gruppen für Schulkinder teilte sich Berlin mit Hessen den fünften Platz (7,8 Kinder pro Fachkraft). Allerdings hatten auch mehrere der sieben Bundesländer mit den niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben überdurchschnittliche Fachkraft-Kind-Relationen: bei Gruppen für unter Dreijährige Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein; bei Gruppen für Drei- bis Sechsjährige sowie bei für Zweijährige geöffneten Kindergartengruppen Niedersachsen und Baden-Württemberg; bei Gruppen für Hortkinder Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg.

Bundesland (geordnet nach den Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung 2006)
Personalschlüssel (2006) in ...1)
Gruppen für Kinder unter drei Jahren Gruppen für Drei- bis Sechsjährige für Zweijährige geöffnete Kindergarten-
gruppen
Gruppen für Schulkinder

Berlin

-2)

8,1

9,3

7,8

Hamburg

6,2

10,4

11,0

10,2

Bremen

5,3

-3)

-3)

9,5

Saarland

4,3

9,3

9,2

7,2

Thüringen

6,5

12,1

11,9

9,7

Rheinland-Pfalz

4,2

8,8

8,9

7,3

Hessen

4,9

9,7

9,6

7,8

Nordrhein-Westfalen

-2

9,1

8,9

7,4

Mecklenburg-Vorpommern

5,9

13,6

13,0

15,1

Baden-Württemberg

-2

9,3

9,2

8,4

Sachsen

6,7

12,7

12,6

13,6

Schleswig-Holstein

5,4

10,5

10,4

8,0

Niedersachsen

5,9

9,6

9,6

7,5

Brandenburg

7,8

12,1

12,0

12,8

Sachsen-Anhalt

6,9

11,7

11,1

15,6

Bayern

4,9

10,3

10,3

9,8

1) Laut Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/ Universität Dortmund (2008), S. 193.

2) In Berlin, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg stellt die Betreuung unter Dreijähriger in reinen Krippengruppen den Ausnahmefall dar.

3) Für Bremen konnte kein gesicherter Wert ermittelt werden.

Berlin gehörte zu den sechs Bundesländern, die 2006 fast nur noch Personal mit einem Hochschulabschluss (Berlin: 3,2%) oder einer Ausbildung als Erzieher/in (88,4%) einsetzten. Im Gegensatz dazu waren z.B. in Bayern noch 38,1% der Fachkräfte schlechter qualifizierte Kinderpfleger/innen. Allerdings wurden auch in drei der sechs Bundesländer mit den niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben (Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen) fast nur noch Erzieher/innen, Heilpädagog/innen oder Fachkräfte mit einem Hochschulabschluss beschäftigt.

Bundesland (geordnet nach den Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung 2006)
Pädagogisch tätige Personen (2006) in Kindertageseinrichtungen nach Berufsausbildungsabschlüssen1)
Hochschul-
abschluss
Erzieher/in, Heilpädagog/in Kinder-
pfleger/in
Praktikum/ Ausbildung

Berlin

3,2

88,4

1,4

1,0

Hamburg

5,3

58,9

22,3

2,7

Bremen

10,6

58,4

6,2

11,7

Saarland

1,8

66,3

22,1

5,6

Thüringen

1,2

93,8

0,4

1,8

Rheinland-Pfalz

2,5

73,3

11,9

6,2

Hessen

7,2

70,9

7,9

5,8

Nordrhein-Westfalen

2,7

66,8

14,8

6,7

Mecklenburg-Vorpommern

1,2

88,1

1,7

1,2

Baden-Württemberg

2,8

73,7

11,4

6,5

Sachsen

3,2

88,7

1,0

1,2

Schleswig-Holstein

4,4

63,6

21,7

0,6

Niedersachsen

3,0

70,5

17,1

1,2

Brandenburg

2,2

92,1

0,7

0,7

Sachsen-Anhalt

1,5

93,5

0,5

1,3

Bayern

2,2

50,6

38,1

6,0

1) Nach Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/ Universität Dortmund (2008), S. 186. Die Werte in den Spalten "Dipl.-Sozialpädagog/innen u.a." und "Anderer Hochschulabschluss" wurden addiert. Die Summen ergeben nicht 100%, weil die Werte in den Spalten "Anderer fachlicher Berufsabschluss" (bundesweit 2,5% der Beschäftigten), "Anderer Abschluss" (bundesweit 1,9% der Beschäftigten) und "Ohne Ausbildung" (bundesweit 2,2% der Beschäftigten) nicht übernommen wurden.

Zweitens könnten die hohen Pro-Kopf-Beträge für Kindertagesbetreuung in Zusammenhang mit der Zahl der (kostspieligeren) Plätze für unter Dreijährige und mit der Zahl der Ganztagsplätze stehen. Laut dem Statistischen Bundesamt teilte sich 2006 Berlin den vierten Platz mit Thüringen bei der Betreuungsquote von unter Dreijährigen (37,9%) und kam mit einer Ganztagsquote von 35,5% auf den fünften Platz im Ländervergleich. Allerdings erreichten drei der sechs Bundesländer mit den niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben ebenfalls überdurchschnittlich hohe Werte - jeweils zwei sogar höhere als Berlin: Sachsen-Anhalt und Sachsen bei den Ganztagsquoten sowie Sachsen-Anhalt und Brandenburg bei den Betreuungsquoten für unter Dreijährige. Bayern lag hier auf den fünft- bzw. viertletzten Platz.

Bundesland (geordnet nach den Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung 2006) Ganztagsquote (Anteil der ganztags betreuten Kinder an allen Kindern derselben Altersgruppe) (2007) in Prozent1) Betreuungsquote bei unter Dreijährigen (2006) in Prozent2)

Berlin

35,5

37,9

Hamburg

17,8

21,1

Bremen

11,1

9,2

Saarland

9,6

10,2

Thüringen

57,7

37,9

Rheinland-Pfalz

10,9

9,4

Hessen

13,0

9,0

Nordrhein-Westfalen

11,2

6,5

Mecklenburg-Vorpommern

36,4

43,1

Baden-Württemberg

4,6

8,8

Sachsen

40,4

33,5

Schleswig-Holstein

6,3

7,6

Niedersachsen

4,9

5,1

Brandenburg

34,9

40,5

Sachsen-Anhalt

38,8

50,2

Bayern

9,8

8,2

1) Statistisches Bundesamt (2008a)

2) Statistisches Bundesamt (2007)

Drittens könnten die hohen Ausgaben in Berlin auf eine relativ geringe Belastung der Eltern verweisen. So ist im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei. Laut der Übersicht über die Gebührenlage in den 100 größten Städten der Bundesrepublik, die vor kurzem von der Zeitschrift ELTERN und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) veröffentlicht wurde, mussten im Kindergartenjahr 2007/2008 Eltern mit einem Jahresbruttoeinkommen von 45.000 Euro für einen Halbtags-Kindergarten-Platz eines vierjährigen Einzelkindes in Berlin 876 Euro ausgeben. In drei Viertel der anderen Städte lagen die Elternbeiträge in kommunalen Kindergärten bei weitem höher - sie reichten bis zu 1.752 Euro in Bremen. Auch bei einem Jahresbruttoeinkommen von 25.000 Euro mussten in 60 von 71 erfassten Städten Eltern mehr zahlen als in Berlin (180 Euro). Bei einem Jahresbruttoeinkommen von 80.000 Euro lagen allerdings die Gebühren in 89 von 100 Städten niedriger als in Berlin (2.256 Euro). Sehr hohe Elternbeiträge fielen auch bei Städten in Bundesländern mit einer hohen Pro-Kopf-Förderung an (z.B. in Hamburg, Bremen und Thüringen).

Bundesland (geordnet nach den Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertages-
betreuung 2006)
Gebühren (2008) nach dem Jahresbruttoeinkommen für einen Halbtagsplatz in kommunalen Kindertagesstätten in den erfassten Städten: von ... - bis ...1)
45.000 Euro
80.000 Euro
1 Kind 2 Kinder 1 Kind 2 Kinder

Berlin

876 Euro

701 Euro

2.256 Euro

1.805 Euro

Hamburg

1.656 Euro

2.000 Euro

1.836 Euro

2.448 Euro

Bremen

876 - 1.752 Euro

1.752 - 3.096 Euro

876 - 1.752 Euro

1.752 - 3.504 Euro

Saarland

996 Euro

744 Euro

996 Euro

744 Euro

Thüringen

972 - 1.512 Euro

1.656 - 2.557 Euro

1.265 - 1.647 Euro

2.278 - 2.832 Euro

Rheinland-Pfalz

830 - 1.164 Euro

623 - 810 Euro

830 - 1.164 Euro

623 - 810 Euro

Hessen

936 - 1.320 Euro

396 - 744 Euro

1.044 - 1.320 Euro

522 - 996 Euro

Nordrhein-Westfalen

660 - 1.080 Euro

689 - 1.440 Euro

1.290 - 2.592 Euro

1.427 - 3.888 Euro

Mecklenburg-Vorpommern

605 - 1.064 Euro

1.179 - 2.129 Euro

605 - 1.064 Euro

1.179 - 2.129 Euro

Baden-Württemberg

0 - 1.224 Euro

0 - 1.936 Euro

0 - 1.956 Euro

0 - 3.552 Euro

Sachsen

588 - 721 Euro

363 - 1.154 Euro

588 - 721 Euro

363 - 1.154 Euro

Schleswig-Holstein

1.440 - 1.692 Euro

2.160 - 2.876 Euro

1.440 - 1.692 Euro

2.160 - 2.876 Euro

Niedersachsen

874 - 1.464 Euro

534 - 1.032 Euro

960 - 2.112 Euro

534 - 1.193 Euro

Brandenburg

1.200 - 1.572 Euro

1.920 - 2.672 Euro

2.172 - 2.316 Euro

3.692 - 3.696 Euro

Sachsen-Anhalt

600 - 1.080 Euro

1.000 - 1.440 Euro

600 - 1.080 Euro

1.000 - 1.440 Euro

Bayern

660 - 972 Euro

1.080 - 1.824 Euro

660 - 972 Euro

1.080 - 1.824 Euro

1) Laut Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft/ Zeitschrift Eltern (2008). Familien mit einem Jahresbruttoeinkommen von 25.000 Euro wurden nicht berücksichtigt, da hier nur Daten von 71 Städten vorlagen.

Dieser Artikel verdeutlicht, dass die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern bei den Pro-Kopf-Beträgen für Kindertagesbetreuung nur begrenzt durch verschiedene Qualitätskriterien, Betreuungsquoten und Elternbeiträge erklärt werden können. Zumindest für Berlin und Bayern gilt aber die im Titel dieses Artikels gemachte Aussage "In Berlin ist ein Kleinkind doppelt so viel wert wie in Bayern": Die Mehraufwendungen stehen für eine bessere Qualität der Kindertageseinrichtungen, mehr Ganztagsangebote und mehr Plätze für unter Dreijährige. Eine hohe Qualität der Berliner Angebote ist aber auch dringend nötig, bedenkt man, wie viele Kinder in Tageseinrichtungen betreut werden, in deren Familien eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird: Laut dem Statistischen Bundesamt (2008b) waren dies am 15.03.2007 genau 29.236 von 109.987 Kindern (26,6%). Jedes vierte Kind in Berlin benötigt also eine intensive Sprachförderung, die nur von hoch qualifizierten Fachkräften in kleinen Gruppen erfolgreich geleistet werden kann.

Literatur

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft/ Zeitschrift Eltern (2008): Die INSM-Eltern-Kita-Studie: Alle Daten, alle Fakten, alle Trends. http://www.insm-kindergartenmonitor.de

Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/ Universität Dortmund (2008): Zahlenspiegel 2007 - Kindertagesbetreuung im Spiegel der Statistik. München/ Dortmund: Selbstverlag

Statistisches Bundesamt (2007): 285.000 Kinder unter 3 Jahren in Tagesbetreuung. Pressemitteilung Nr. 085 vom 01.03.2007

Statistisches Bundesamt (2008a): 16% aller Kinder unter 6 Jahren werden ganztags betreut. Pressemitteilung Nr. 070 vom 22.02.2008

Statistisches Bundesamt (2008b): Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen am 15.03.2007. Wiesbaden: Selbstverlag

Textor, M.R. (2008): Kindertagesbetreuung: Ausgaben von Bundesländern und OECD-Staaten im Vergleich. http://www.ipzf.de/PKA2.html